Ehrenamtliche helfen in Backnang als Sprachbegleitung

Seit zwölf Jahren organisiert die Stadt Backnang einen eigenen Dolmetscherpool. Mittlerweile übersetzen 62 Ehrenamtliche in insgesamt 27 Sprachen. Trotzdem können nicht alle Anfragen bedient werden.

Karthiga Kesavan-Krishnakumar übersetzt für Menschen aus Sri Lanka, zum Beispiel bei Behördengängen wie hier im Backnanger Ausländeramt. Foto: Alexander Becher

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Karthiga Kesavan-Krishnakumar übersetzt für Menschen aus Sri Lanka, zum Beispiel bei Behördengängen wie hier im Backnanger Ausländeramt. Foto: Alexander Becher

Von Kornelius Fritz

Backnang. Ein Arztgespräch, ein Besuch auf dem Amt oder eine Besprechung mit der Lehrerin über die Schulprobleme der Kinder – das sind nicht unbedingt Termine, auf die man sich freut. Noch komplizierter wird es für alle Beteiligten, wenn zusätzlich Sprachbarrieren die Kommunikation erschweren. Für solche Fälle gibt es in Backnang seit mittlerweile zwölf Jahren einen ehrenamtlichen Dolmetscherpool. Die Sprachbegleiterinnen und -begleiter können immer dann angefordert werden, wenn die Verständigung schwierig ist. Für Menschen, die in Backnang leben, ist dieser Service sogar kostenlos, Buchungen aus den Nachbargemeinden kosten 15 Euro.

Die Zahl der aktiven Sprachbegleiter hat sich seit 2016 verdreifacht: Aktuell hat Sonia D’Amore von der Stabsstelle für Integration und Flucht insgesamt 62 Frauen und Männer in ihrer Kartei. Eine davon ist Karthiga Kesavan-Krishnakumar: Die 32-Jährige ist in Backnang geboren und aufgewachsen, spricht mit ihren Eltern, die aus Sri Lanka stammen, aber Tamil – eine Sprache, die auch in Südindien gesprochen wird. Seit mittlerweile fünf Jahren stellt sie ihre Sprachkenntnisse als ehrenamtliche Übersetzerin zur Verfügung.

Durch einen Flyer, der im Ausländeramt auslag, hatte sie damals von dem Angebot erfahren. „Es gibt Menschen, die Unterstützung brauchen, und ich bin jemand, der gerne hilft“, sagt die junge Frau. Da sie als IT-Projektmanagerin viel im Homeoffice arbeitet, ist sie auch zeitlich flexibel genug, um gelegentlich tagsüber zu dolmetschen. In ihrem Fall ist es im Schnitt etwa ein Einsatz pro Monat. Je nach Sprache und zeitlicher Verfügbarkeit können es auch mehr oder weniger Anfragen sein, die Ehrenamtlichen können aber auch Aufträge ablehnen.

Kontakt zu den Klienten soll nicht zu eng werden

Karthiga Kesavan-Krishnakumar hat in den vergangenen Jahren vor allem zwei Familien aus Sri Lanka regelmäßig unterstützt. Teilweise ging es in den Gesprächen, bei denen sie übersetzte, auch um heikle Themen, etwa um die Frage, ob ein Kind in der Familie bleiben darf oder in eine Pflegefamilie muss. „Da gab es auch emotionale Termine“, erinnert sich die 32-Jährige.

Wichtig ist ihr dabei, dass sie eine neutrale Position behält und sich aufs Übersetzen konzentriert. Doch das sei den Klienten nicht immer so leicht klarzumachen. Häufig sehen sie in der Frau, die ihre Sprache spricht, eine Verbündete, die sie dann auch um persönlichen Rat und Unterstützung bitten. „Da muss man schon manchmal aufpassen, dass es nicht zu privat wird“, erzählt die Backnangerin.

Das ist auch Sandra Amofah wichtig. „Es geht ums Übersetzen und nicht um eine persönliche Begleitung“, stellt die Backnanger Integrationsbeauftragte klar. Deshalb gibt es auch einen Verhaltenskodex für die Sprachbegleiterinnen und -begleiter, der unter anderem besagt, dass diese ihre privaten Kontaktdaten nicht an Klienten weitergeben sollen und jede Buchung über die Stadtverwaltung laufen muss.

Dort können die Interessenten auch nur die gewünschte Sprache, aber nicht eine bestimmte Person anfragen. „Wir achten sogar eher darauf, dass nicht immer derselbe Sprachbegleiter zu denselben Leuten kommt“, erklärt Sonia D’Amore. Im Fall von Karthiga Kesavan-Krishnakumar lässt sich das allerdings nicht vermeiden, denn sie ist aktuell die einzige Sprachbegleiterin für Tamil im städtischen Pool.

Der umfasst mittlerweile Dolmetscher für 27 Sprachen. Neben den meisten europäischen Sprachen sind auch Arabisch, Persisch und verschiedene kurdische Dialekte im Angebot. Die meisten Übersetzer sind Muttersprachler, aber nicht alle. Die 24-jährige Katja Lontke aus Maubach hat keinen Migrationshintergrund, aber sie hat Internationale Betriebswirtschaft studiert und spricht deshalb fließend Englisch und Französisch. Um ihre Sprachkenntnisse auch weiterhin in der Praxis anwenden zu können, hat sie sich vor eineinhalb Jahren als Sprachbegleiterin gemeldet. Sie übersetzt nun vor allem für französischsprachige Klienten aus afrikanischen Ländern.

Weitere Themen

Einige davon sprechen durchaus ein wenig Deutsch, erzählt Lontke, die bei einem großen Handelsunternehmen in der Personalabteilung arbeitet. Trotzdem seien die meisten froh, wenn sie jemanden an ihrer Seite hätten, der bei Verständigungsproblemen helfen könne. Immerhin geht es in den Gesprächen bisweilen um sehr spezielle Themen. Katja Lontke erinnert sich etwa an ein Arztgespräch, in dem es um die Beschneidung eines kleinen Jungen ging. Da musste auch die Übersetzerin erst einmal das notwendige Vokabular nachschlagen.

Gesucht werden Übersetzer für Türkisch, Griechisch und Französisch

Die Sprachbegleiter der Stadt Backnang sind keine Profis: Pro Einsatz bekommen sie lediglich zehn Euro Aufwandsentschädigung. Sandra Amofah ist es aber wichtig, dass die Ehrenamtlichen nicht unvorbereitet in ihre Einsätze geschickt werden. Gemeinsam mit Waiblingen und Weinstadt hat die Stadt Backnang deshalb ein dreiteiliges Schulungsprogramm für die Freiwilligen entwickelt. Neben den Grundlagen des Dolmetschens geht es dabei auch um interkulturelle Sensibilisierung und den Umgang mit schwierigen Situationen.

Bei der Stadt ist man froh, dass es die Sprachbegleitung gibt, auch die Verwaltung selbst nutzt deren Dienste immer wieder. Zum Beispiel in der Sozialberatung oder wenn eine neue Flüchtlingsunterkunft bezogen wird und den Bewohnern die Hausregeln erklärt werden müssen.

Insgesamt ist die Nachfrage nach den ehrenamtlichen Dolmetscherinnen und Dolmetschern in den vergangenen Jahren stark gestiegen: Hatte es 2022 noch rund 260 Einsätze gegeben, waren es im vergangenen Jahr schon 347, weitere 126 Anfragen konnten gar nicht bedient werden.

Gerne würden Sandra Amofah und Sonia D’Amore das Team der Ehrenamtlichen deshalb noch erweitern. Vor allem Dolmetscher für Türkisch, Griechisch und Französisch werden zurzeit gesucht, aber auch andere Sprachen sind willkommen. „Wir freuen uns über jeden, der sich bei uns einbringen will“, sagt Sandra Amofah.

Buchung Wer den Sprachbegleitungsdienst der Stadt Backnang in Anspruch nehmen möchte, kann die ehrenamtlichen Dolmetscher online anfragen unter https://t1p.de/sprachbegleitung. Auch für Personen, die selbst eine Sprachbegleitung anbieten wollen, gibt es dort ein Kontaktformular.

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Erstellt:
6. März 2024, 11:30 Uhr

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