Ein Geschenk mit vielen Fragezeichen

Noch ist nicht klar, was das Gute-Kita-Gesetz bringen wird – Kommunen sehen einkommensabhängige Gebühren kritisch

In den Rathäusern der Region durfte man sich diese Woche wie am Weihnachtsabend fühlen: Die Ankündigung von Familienministerin Franziska Giffey (SPD), 5,5 Milliarden Euro in die Kinderbetreuung zu stecken, sorgte bei Städten und Gemeinden für große Freude. Was das großzügige Geschenk aus Berlin vor Ort bewirken wird, weiß allerdings noch keiner so genau.

Kinderbetreuung, wie hier in der Tagesstätte Bregenzer Straße in Maubach, kostet die Städte und Gemeinden viel Geld. Unterstützung aus Berlin ist deshalb sehr willkommen. Foto: A. Becher

© Pressefotografie Alexander Beche

Kinderbetreuung, wie hier in der Tagesstätte Bregenzer Straße in Maubach, kostet die Städte und Gemeinden viel Geld. Unterstützung aus Berlin ist deshalb sehr willkommen. Foto: A. Becher

Von Kornelius Fritz

BACKNANG. Am Mittwoch hat das Bundeskabinett das Gute-Kita-Gesetz auf den Weg gebracht. Ziel der Initiative von Familienministerin Giffey ist es, die Qualität in den Tagesstätten zu erhöhen und vor allem Eltern mit geringen Einkommen bei den Gebühren zu entlasten. Über einen Zeitraum von vier Jahren will der Bund den Ländern insgesamt 5,5 Milliarden Euro zur Verfügung stellen.

Die Städte und Gemeinden in der Region begrüßen das neue Gesetz einhellig: „Der Ausbau der Kinderbetreuung ist bisher überwiegend von den Städten und Gemeinden geschultert worden. Es ist gut, dass sich der Bund hier jetzt auch in der Verantwortung sieht“, sagt etwa der Murrhardter Bürgermeister Armin Mößner. Auch Regine Wüllenweber, Leiterin des Amts für Familie, Jugend und Bildung bei der Stadt Backnang, freut sich über den zu erwartenden Geldsegen: „Wir sind froh, dass dieses Gesetz jetzt umgesetzt wird.“ Was es für die Städte und Gemeinden konkret bedeutet, ist allerdings noch unklar, denn die Entscheidung, wofür die Finanzspritze aus Berlin verwendet wird, liegt bei den Ländern. Längere Öffnungszeiten, mehr Personal, besseres Essen oder geringere Elternbeiträge – die Ministerin verspricht den Ländern einen ganzen „Baukasten“, aus dem sie sich bedienen können. Was davon in Baden-Württemberg umgesetzt wird, muss noch entschieden werden.

Alexander Holz, Kämmerer bei der Gemeinde Weissach im Tal, verweist darauf, dass die Qualitätsstandards der Kitas in Baden-Württemberg, verglichen mit anderen Bundesländern, schon sehr hoch seien: „Deshalb glaube ich, dass sich die Auswirkungen für uns in Grenzen halten werden.“ Backnang legt laut Regine Wüllenweber bei der Betreuung der unter Dreijährigen schon heute einen höheren Personalschlüssel an, als es der Gesetzgeber verlangt. Sie könnte sich aber vorstellen, dass das zusätzliche Geld eingesetzt wird, um die personellen Kapazitäten für die Kita-Leitungen zu erhöhen. Durch eine zumindest teilweise Freistellung der Kita-Leiterinnen hätten diese mehr Zeit für konzeptionelle und organisatorische Aufgaben sowie für Elterngespräche. Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung kam im vergangenen Jahr zum Ergebnis, dass die Kita-Leiterinnen zu wenig Zeit für Führungsaufgaben haben. „Die Nullausstattung für Leitung geht zulasten der Kinderbetreuung, des pädagogischen Konzepts und der Gesundheit der Leiterin“, kritisierte Stiftungsvorstand Jörg Dräger.

Monatsbeiträge von bis zu

500 Euro sind üblich

Und wie sieht es mit den Kita-Gebühren aus? Während Rheinland-Pfalz, Berlin, Hessen und Niedersachsen die Elternbeiträge ganz oder teilweise abgeschafft haben, müssen die Eltern in Baden-Württemberg weiterhin bezahlen. Teuer wird es vor allem bei den unter Dreijährigen: Für einen Ganztagsplatz sind hier Monatsbeiträge von bis zu 500 Euro üblich. Ministerin Giffey will vor allem Geringverdiener entlassen und eine einkommensabhängige Staffelung der Gebühren vorschreiben. Ein Vorschlag, der in den Rathäusern allerdings auf Skepsis stößt: „Das hätte einen Riesen-Verwaltungsaufwand zur Folge“, prophezeit Regine Wüllenweber. Die Mitarbeiter im Rathaus müssten dann bei jeder Familie eine Einkommensprüfung durchführen – und das nicht nur einmal, denn die Einnahmen können, etwa bei einem Freiberufler, stark schwanken.

Die Amtsleiterin glaubt, dass die bestehenden sozialen Kriterien genügen: Momentan bezahlen Inhaber des Backnanger Familien- und Kulturpasses nur die Hälfte der Gebühren. Bei Beziehern von Transferleistungen werden diese in der Regel vom Jobcenter oder vom Kreisjugendamt übernommen. Auch Murrhardts Bürgermeister Mößner sieht einkommensabhängige Beiträge eher kritisch: „Ich glaube nicht, dass jeder Bürger seinen Einkommensteuerbescheid offenlegen will.“

Die einzige Gemeinde im Raum Backnang, die eine solche Einkommensprüfung bereits hat, ist Burgstetten. Dort gibt es sieben Einkommensstufen von unter 20000 bis über 70000 Euro, für die jeweils unterschiedliche Gebührensätze gelten. „Wir versuchen aber, das so einfach wie möglich zu halten und prüfen nur das Bruttoeinkommen“, erklärt Hauptamtsleiterin Steffi Lämmle. So sei der Aufwand vertretbar. Die Staffelung hat allerdings zur Folge, dass die Kinderbetreuung für Gutverdiener in Burgstetten besonders teuer ist: Ein Ganztagsplatz für ein einjähriges Kind kann hier bis zu 796 Euro pro Monat kosten. Sollte das Gute-Kita-Gesetz eine finanzielle Entlastung für die Eltern bringen, würde Steffi Lämmle das sehr begrüßen.

Jetzt heißt es aber erst mal warten, ob und wann das Geld aus Berlin in der Region ankommt. Für Alexander Holz stellt sich dabei auch die Frage, was nach 2022 passiert, denn die Bundesmittel sind zunächst einmal auf vier Jahre befristet. „Bleiben die Kosten danach wieder an den Gemeinden hängen?“, fragt der Weissacher Kämmerer. Die Kommunen sind in dieser Hinsicht bereits gebrannte Kinder, weshalb auch Murrhardts Bürgermeister Mößner betont: „Wer bestellt, muss auch bezahlen.“

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Erstellt:
22. September 2018, 06:00 Uhr

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