Kampf gegen den Klimawandel

Ein Kompromiss mit sehr viel Spielraum

Nach langen Verhandlungen haben die EU-Länder sich noch vor der UN-Klimakonferenz in Brasilien auf ein Klimaziel für 2040 geeinigt.

Polens Vertreter Krzysztof Bolesta muss beim Treffen der Umweltminister in Brüssel erklären, weshalb sich sein Land im Kampf gegen den Klimawandel vehement gegen eine Verschärfung der EU-Vorschriften stemmt.

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Polens Vertreter Krzysztof Bolesta muss beim Treffen der Umweltminister in Brüssel erklären, weshalb sich sein Land im Kampf gegen den Klimawandel vehement gegen eine Verschärfung der EU-Vorschriften stemmt.

Von Knut Krohn

Der Kompromiss erscheint auf den ersten Blick beeindruckend. Die EU-Staaten ihre Treibhausgasemissionen bis 2040 um mindestens 90 Prozent im Vergleich zu 1990 senken. Das haben die Umweltminister in einer zum Teil chaotischen, 20-stündigen Sitzung in Brüssel ausgehandelt. Und doch sind nicht nur Umweltschützer entsetzt. Beschlossen worden sei ein Papier mit unzähligen „Ausreden, Klauseln und Hintertüren“, kritisiert der Grünen-Europaparlamentarier Michael Bloss am Mittwoch.

Ein Papier mit vielen Schlupflöchern

Eines dieser Schlupflöcher ist, dass sich die Mitgliedsländer fünf Prozentpunkte von den 90 Prozent über den Kauf von CO2-Zertifikaten aus dem Ausland anrechnen können. Damit handle es sich faktisch um eine Absenkung um nur noch 85 Prozent, sagt Bloss und sprich von einem „modernen Ablasshandel“ und „Etikettenschwindel“. Bislang muss die EU ihre Klimaziele durch Treibhausgas-Minderungen auf eigenem Boden erreichen.

Doch damit nicht genug: offensichtlich auf Druck von Italien, können sich die Staaten in Ausnahmefällen weitere fünf Prozentpunkte über Zertifikate erkaufen. Zusätzlich machte sich Frankreich dafür stark, dass das Ziel um weitere drei Prozentpunkte gesenkt wird, sollten Wälder oder Moore wegen der vielen Waldbrände und der zunehmenden Trockenheit weniger zur Senkung der Emissionen beitragen als angenommen. „Wenn wir das alles einrechnen, landen wir bei 77 Prozent“, räumt auch der CDU-Europaparlamentarier Peter Liese ein.

Das Europaparlament muss noch zustimmen

Der klimapolitische Sprecher der konservativen EVP-Fraktion sieht aber angesichts dieser Einigung noch andere Schlupflöcher. Er vermutet, dass einige klamme EU-Länder den Emissionshandel zur kreativen Lösung ihrer finanziellen Probleme nutzen könnten. „Bekanntlich hat Frankreich im Haushalt riesige Probleme und kann gar kein zusätzliches Geld für internationalen Klimaschutz mobilisieren“, bemerkt Peter Liese und äußert den Verdacht, dass sich Paris die Ausgaben für ihre Entwicklungshilfe anerkennen lassen könnte. Trotz der sich abzeichnenden Unklarheiten ist der CDU-Politiker nach dem erbitterten Feilschen um Prozentpunkte und Zeiträume dennoch irgendwie zufrieden: „Ich bin froh, dass sich die Umweltminister jetzt endlich auf das Klimaziel für 2040 geeinigt haben.“ Über den Kompromiss muss nun aber noch mit dem Europaparlament verhandelt werden.

Peter Lieses Erleichterung erklärt sich auch dadurch, dass sich die EU eine große Blamage erspart hat und nicht mit leeren Händen zur UN-Klimakonferenz COP30 fährt, die kommende Woche im brasilianischen Belem beginnt. Dort kann die Union nun einen Klimaplan präsentieren, die Emissionen bis 2035 zwischen 66,25 Prozent und 72,5 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken. Zwei Fristen für das Einreichen der Zahlen, im Februar und zuletzt im September, waren bereist verpasst worden, weil sich die EU-Mitgliedsstaaten nicht einig geworden waren.

Komplizierter Handel mit Treibhaus-Zertifikaten

Heftig kritisiert an dem Kompromiss wird von Peter Liese allerdings, dass der sogenannte ETS2 um ein Jahr verschoben werden soll, was besonders den Verkehrs- und Gebäudebereich betrifft. Das heißt, dass etwa Benzin, Diesel oder Gas erst 2028 europaweit in den Emissionshandel mit Treibhausgas-Zertifikaten einbezogen werden. Heizen und Tanken wird dann teurer, weil Öl- und Gaskonzerne den Aufpreis an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergeben. Der CDU-Politiker sieht darin mehrere Probleme. Zum einen werde „schon das Erreichen der Klimaziele für 2030 viel schwieriger“. Zum anderen ergebe sich daraus eine unfaire Situation für die deutschen Verbraucher und Unternehmen. Die sind nämlich aufgrund einer nationalen Regelung schon längst von diesem CO2-Preis betroffen. In den Nachbarländern Polen oder Tschechien ist dies nicht der Fall.

Kritik kommt aus der Industrie

In dieser Kerbe schlägt auch Holger Lösch, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI). Für kleinere Industrieunternehmen in Deutschland bedeutet die ETS2-Verschiebung auf europäischer Ebene ein weiteres Jahr zusätzlicher Belastungen, moniert er. Und Lösch schiebt nach: „Die Bundesregierung ist dringend gefordert, dieses Gefälle im europäischen Wettbewerb zu entschärfen.“ Nicht nur in diesem Fall ist also der Keim für weitere Auseinandersetzungen gelegt, noch bevor die mit sehr viel Mühen erstrittene Regelung über die Klimaziele überhaupt wirksam wird.

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Erstellt:
5. November 2025, 16:40 Uhr

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