Eine Art Nachlassverwalter
Das Interview: Gespräch mit Holger Off über die Arbeit der Berlin Comedian Harmonists
Die Berlin Comedian Harmonists gastieren mit ihrer Show „Veronika, der Lenz ist da“ morgen um 20 Uhr im Backnanger Bürgerhaus. Wir sprachen mit Holger Off, dem ersten Tenor, über den Werdegang des schon über 20 Jahre bestehenden Ensembles, dessen Selbstverständnis und Zukunftspläne.

Die Berlin Comedian Harmonists mit Ralf Steinhagen, Olaf Drauschke, Ulrich Bildstein, Wolfgang Höltzel, Holger Off und Horst Maria Merz. Sie gastieren morgen im Backnanger Bürgerhaus. Foto: C. Schutte
Von Ingrid Knack
Die erste deutsche Boygroup mit Harry Frommermann, Ari Leschnikoff, Erich A. Collin, Roman Cycowski, Robert Biberti und Erwin Bootz wurde schon x-mal kopiert, die Titel wurden neu interpretiert oder auch musikkabarettistisch verulkt. Ihr Ansatz ist nahe am Original. Andererseits schlagen Sie durchaus mit eigenen Kompositionen den Bogen ins Heute. Oder singen auch mal Songs von Nena, Michael Jackson, den Beatles, Abba und Glenn Miller. Wo siedeln Sie sich selbst an?
Wir sehen uns als Nachlassverwalter der Originalgruppe, zeigen aber durch eigene Kreativität, wie die Comedian Harmonists vielleicht im 21. Jahrhundert geklungen hätten.
Die originalen Comedian Harmonists wurden 1927 gegründet, nachdem Harry Frommermann Robert Biberti über eine Zeitungsannonce kennengelernt hatte.
Wir formierten uns ursprünglich nur für die Produktion „Veronika, der Lenz ist da – Die Comedian Harmonists“, die am 19. Dezember 1997 in der Komödie am Kurfürstendamm in Berlin uraufgeführt wurde.
Doch dann behielten Sie im übertragenen Sinne die feinen Bühnenoutfits der Comedian Harmonists an. Was gab den Ausschlag?
Der Erfolg auf der Bühne führte zu einer nicht enden wollenden Buchung unserer Gruppe, wir konnten nur weitermachen...
Und was kam alles danach?
Das führte zu weiteren Theaterstücken und Konzertprogrammen, die uns um die halbe Welt führten. Und zu einer Freundschaft mit André Rieu, der uns als Gäste mit auf seine Welttournee 2015/16 nahm.
Sie wurden auch vielfach ausgezeichnet...
Wir wurden B.-Z.-Kulturpreisträger und außerdem vom Berliner Theaterclub mit dem „Goldenen Vorhang“ als beste männliche Schauspieler des Jahres 1998 ausgezeichnet. Zurzeit sind wir übrigens bei der Deutschen Grammophon unter Plattenvertrag.
Eine sehr renommierte Adresse... Seit 1997 sind Sie also mit dem Programm „Veronika, der Lenz ist da“ unterwegs. Wie viel Neues und wie viel Altes findet sich in dem Programm? Wie hat es sich mit den Jahren verändert?
Wir suchen und entdecken immer noch neue Details in den Liedern.
Zwischen den Liedern erzählen Sie schon mal die berührendsten Geschichten aus den vergangenen zwei Jahrzehnten oder ihre schönsten Momente in Ihrem Stammhaus, der Komödie am Kurfürstendamm in Berlin. Haben Sie eine Geschichte parat?
Eine Geschichte würde jetzt zu lange dauern, aber wir versuchen, unser Publikum glücklich zu machen, und wenn dann nach dem Konzert ein Zuhörer auf sie zukommt und sagt: „Das war der schönste Abend seit vielen Jahren!“, dann ist man selber glücklich.
Wenn man an die Comedian Harmonists denkt, kommen einem vor allem die Ohrwürmer wie das Grüne-Kaktus-Lied und eine glorreiche Karriere in der Wirtschaftskrisenzeit der 1930er-Jahre in den Sinn. Da gibt es aber auch Schatten in der Karriere des Sextetts, wofür nicht die Nazis, sondern die Künstler selbst verantwortlich waren. Angefangen vom Verrat der nicht jüdischen Mitglieder den jüdischen Mitsängern gegenüber in der Gesellschafterfrage bis hin zum Streit um den Namen des Ensembles. Kommen dunkle Seiten wie diese in Ihrem Programm zur Sprache?
Selbstverständlich haben wir uns sehr intensiv mit den Biografien unserer Vorbilder beschäftigt und verschweigen auch ihre menschlichen Fehler nicht.
Sie arbeiten mit einem Regisseur und einem Arrangeur zusammen. Ist dies bei allen Programmen so oder nehmen Sie auch einmal alles selbst in die Hand?
Wir arbeiten selbst vor, dann kommt am Ende immer die Kontrolle von außen.
Das ganze Jahr über sind Sie noch mit „Veronika, der Lenz ist da“ unterwegs. Was kommt danach?
Ich darf Sie ganz geheimnisvoll neugierig machen: Unsere nächsten beiden Programme werden „Atemlos“ und „Über den Wolken“ heißen. Seien Sie gespannt.
Von der Südsee bis Spitzbergen Info In der Produktion „Veronika, der Lenz ist da“ spielt Holger Off seit über 20 Jahren den Comedian Harmonist Ari Leschnikoff. „Veronika, der Lenz ist da“ unter der musikalischen Leitung von Franz Wittenbrink und der Regie von Martin Woelffer (Text Gottfried Greifenhagen) erzählt die Geschichte der Comedian Harmonists. Von der Südsee bis Spitzbergen reiste das Ensemble, um zu singen. In Sydney waren die Künstler zur Olympiade 2000 vom NOK als Kulturbotschafter Deutschlands eingeladen. Sie sangen auf großen Festivals wie dem Festival des Deux Rives in Strasbourg und Cité de la musique in Paris. Zwischen den Liedern treten die Sänger gewöhnlich aus dem Ensemble hervor, um persönliche Geschichten zu erzählen. Selbst geschrieben, versteht sich, und zum jeweiligen Thema der Konzerte passend. Geschichten und Lieder tragen und stützen sich gegenseitig, sie sind tieftraurig, komisch, poetisch, leicht oder auch Dada. Das Konzert in Backnang wird von Riva Engineering veranstaltet. Karten gibt es zu 25 und 20 Euro (inklusive ein Glas Champagner zur Begrüßung). Kartenverkauf freitags von 17 bis 19 Uhr, Riva GmbH Engineering, Manfred-von-Ardenne-Allee 33. Telefonnummer bei Rückfragen: 07191/90438-4111 oder 07191/90438-4051.