Eine radikale Reform der EU
Beim Ringen um den Etat geht es nicht nur ums Geld. Gestritten wird auch über die Zukunft Europas.
Von Eidos Import
Die EU verhandelt über den künftigen Haushalt, doch dieses Mal geht es um mehr als nur um Geld. Gestritten wird im Grunde über die Zukunft der Union, doch die Situation erinnert bedenklich an eine alte, aber merklich kriselnde Ehe. Eine Trennung kommt nicht in Frage, denn jeder hat es sich trotz ständiger Nörgelei in der Beziehung bequem gemacht. Deutlich wird aber auch, dass sich grundsätzlich etwas ändern muss – und hier beginnen die Probleme. Denn bewegen soll sich nur der andere, selbst ist man allenfalls zu kleineren Zugeständnissen bereit.
Angestoßen hat die dringend notwendige Diskussion die EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen. Mit der Vorlage des Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) will sie weitreichende Reformen anstoßen und beweist damit in einer schwierigen Situation den nötigen Mut zum Handeln. Die bisherige Haushaltpraxis stammt aus einer Welt, wie sie nicht mehr existiert. Corona und der Überfall Russlands auf die Ukraine haben Europa schwer erschüttert. Und der Kampf gegen den Klimawandel wird in den kommenden Jahrzehnten die Kräfte der EU in Anspruch nehmen.
Die Pläne Ursula von der Leyens sind einleuchtend. Zum einen will sie den Dschungel der kaum mehr überschaubaren Strukturen lichten. Zum anderen soll der billionenschwere Haushalt flexibler werden, um schneller auf unvorhergesehene Ereignisse wie eine Pandemie reagieren zu können. Bisher ist der Finanzrahmen geradezu das Sinnbild einer unbeweglichen Brüsseler Bürokratie. Fast alle Ausgabenposten sind starr auf sieben Jahre festgelegt.
Die grundsätzliche Richtung der Reform stimmt also, doch haben die nun präsentierten Vorschläge ein zentrales Problem: Ursula von der Leyen konzentriert damit noch mehr Macht in ihrer Behörde. Das weckt – wohl zurecht – den Argwohn in der gesamten Union. Schon im Vorfeld der Präsentation der Pläne war die Aufregung deshalb enorm. Mitgliedstaaten, Regionen und Europaparlament haben so viel Druck ausgeübt, dass der Vorschlag noch vor der Veröffentlichung bereits abgeschwächt wurde.
Der Streit ums Geld zeigt aber eines sehr deutlich: in den Mitgliedstaaten der Union herrscht keine gemeinsame Vorstellung darüber, was die EU in ihrem Kern leisten soll. Angesichts der zahlreichen Krisen und der sich abzeichnende Neuordnung der globalen Ordnung ist dies aber dringend geboten. Nur ein geeintes Europa kann sich in einer zunehmend feindlicher werdenden Umwelt wirksam gegen die USA, China oder Russland positionieren. Das bedeutet, dass die EU-Mitglieder mehr als nur ihre finanziellen Erwartungen an Brüssel formulieren müssen. Es muss endlich definiert werden, welche wirtschaftlichen und politischen Aufgaben die EU übernehmen muss, weil diese ein Land allein nicht stemmen kann. Im Mittelpunkt stehen etwa Verteidigung, Klimaschutz, die Förderung von Zukunftstechnologien oder auch die Landwirtschaft, die in der Lage sein muss, ganz Europa mit Lebensmitteln zu versorgen. Dann folgt der nächste Schritt: Wenn klar ist, was die EU leisten soll, muss sie auch mit den nötigen finanziellen Mitteln ausgestattet werden.
In der bisherigen Logik der EU würde das bedeuten, für die neuen Aufgaben mehr Geld in die Hand zu nehmen. Angesichts der horrenden Verschuldung verbittet sich das aber Daher ist es der richtige Weg, dass der Haushalt radikal umgebaut und Europa auf diese Weise auch wettbewerbsfähiger gemacht werden soll. Die langen und sehr grundsätzlichen Verhandlungen über den Finanzrahmen haben heute offiziell begonnen – Kommission, Parlament und EU-Mitgliedstaaten müssen nun sicherstellen, dass sie zum Vorteil eines zukunftsfähigen Europas enden.