Einer der imposantesten Hämmerle-Bauten

Blick in das Archiv von Peter Wolf: Die Limpurg in der Aspacher Straße in Backnang

Die zuweilen auch als „Chinesentempel“ bezeichnete Limpurg in der Aspacher Straße in Backnang mit Sichtfachwerk. Die Aufnahme ist 1899 entstanden.

Die zuweilen auch als „Chinesentempel“ bezeichnete Limpurg in der Aspacher Straße in Backnang mit Sichtfachwerk. Die Aufnahme ist 1899 entstanden.

Von Claudia Ackermann

BACKNANG. In Peter Wolfs Archiv mit historischen Fotos stößt man auf markante Gebäude, die man auf den ersten Blick nicht dem Stadtbild von Backnang zuordnen würde. Asiatisch mutete die Limpurg mit ihren Türmen im ausgehenden 19. Jahrhundert an. Sie wurde im Volksmund auch als „Chinesentempel“ bezeichnet. Das Sichtfachwerk allerdings verweist auf die heimische Bauweise, wie auf dem Foto von 1899 ersichtlich ist.

Die Nutzung des Standorts für die Gastronomie geht noch weiter zurück. Außerhalb des Ortskerns, an der Straße nach Aspach, eröffnete der Bäckermeister Christian Schmückle bereits 1864 eine Gartenwirtschaft und ließ zu diesem Zweck einen kleinen Wirtschaftsschuppen sowie eine „Kegelbahn mit angebauter Trinkhalle“ erstellen, heißt es im Backnang-Lexikon. 1873 folgte im hinteren Bereich seines Grundstücks ein eingeschossiges Gebäude mit Tanzsaal (spätere Aspacher Straße 65). Das Anwesen ging 1886 in den Besitz von Friedrich Würth über, der es 1898 an die Gräflich Pückler-Limpurgische Standesherrschaft in Gaildorf verkaufte. Sie ließ den Wirtschaftsschuppen und die Kegelbahn abreißen und ein neues Gasthaus errichten.

Am 16. Juli 1899 wurde das neue Gebäude eröffnet. Der Name „Limpurg“, der heute noch von Backnangern gerne als „Limburg“ ausgesprochen wird, hat nichts mit den einst burgenähnlichen Türmen zu tun, sondern geht auf die ehemalige Grafschaft im heutigen Kreis Schwäbisch Hall zurück. Die Pläne stammten vom Backnanger Oberamtsbaumeister Christian Hämmerle, der dem Gasthaus mit einem Zierfachwerk und zahlreichen Giebeln das markante Aussehen gab. Von einem achteckigen Turmaufbau wird das Gebäude überragt, der ursprünglich noch einen spitzen Helm besaß. Zur Baubeschreibung heißt es im Buch „Christian Hämmerle“ von Bernd Lenzner, das 1993 im Fr.-Stroh-Verlag erschienen ist: „Vielfältig gegliederter Sichtfachwerkbau mit Veranden, Zwerchgiebeln, Dachreitern und achteckigem Turm“, hat Peter Wolf recherchiert. Im Jahr 1900 wurden die alten Wirtschaftsgebäude im Wirtsgarten zu einem großen Festsaal erweitert.

Interessant bei dem Foto von 1899, das Peter Wolf aus Privatbesitz zur Verfügung gestellt wurde, ist nicht nur die Dokumentation des skurrilen Gebäudes. Es sagt auch viel über die Geschichte der Fotografie aus. Ein Fototermin war damals noch ein besonderes Ereignis. Selten wurden Alltagssituationen aufgenommen. Die Bilder sind meist gestellt, und möglichst viele Menschen wollten verewigt werden. Aus zahlreichen Fenstern blicken Personen. Auf Vorsprüngen und dem Dach haben sich Handwerker in ihrer Arbeitskleidung aufgestellt. Wer genau hinsieht, entdeckt einen Mann, der sogar wagemutig auf einem aus dem Fenster ragenden Brett balanciert. Kinder werden artig in Reih und Glied präsentiert. Wahrscheinlich haben manche Abgelichtete für den Fototermin extra ihre Sonntagskleidung angezogen und Herren ihren besten Hut aufgesetzt. Am linken Bildrand ist zu erkennen, dass das Gebiet hinter der Limpurg in Richtung Schöntal Ende des 19. Jahrhunderts noch kaum bebaut war.

In den folgenden 100 Jahren gab es zahlreiche Besitzer- und Pächterwechsel. Die Limpurg erfuhr mehrere Veränderungen und Umbauten. 1925 befand sich ein Wirtsgarten mit einem Pavillon hinter der Gaststätte, wo das Foto mit zwei Frauen und einem Mann entstand, das Peter Wolf im Stadtarchiv ausfindig gemacht hat. Nicht immer kann nachverfolgt werden, wer die Personen auf den Fotos sind. Manchmal bekommt Hobbyhistoriker Wolf jedoch durch die Veröffentlichungen in der Ausstellungsreihe „Backnang im Zeitspiegel“ im Helferhaus Hinweise aus der Bevölkerung. Heute wird noch ein Teil des Gebäudes durch das „Ristorante bei Mario Spaghettihaus“ gastronomisch genutzt. Ein Stück weit hinter dem Gebäude, als Abzweigung von der Schöntaler Straße, befindet sich inzwischen eine Anliegerstraße mit dem Namen Limpurgweg.

Szene im Wirtsgarten mit einem Pavillon hinter der Gaststätte. Repros: P. Wolf

Szene im Wirtsgarten mit einem Pavillon hinter der Gaststätte. Repros: P. Wolf

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Erstellt:
22. Mai 2020, 11:30 Uhr

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