Einzig sein Geständnis erspart Vergewaltiger die Haft

Gewalttätiger Noch-Ehemann wird wegen zahlreicher Vergewaltigungen zu zwei Jahren auf Bewährung und zu striktem Kontaktverbot verurteilt.

Das Landgericht Stuttgart hat unter anderem angeordnet, dass der Angeklagte zwei Jahre lang mit einem Bewährungshelfer zusammenarbeiten muss. Foto: Alexander Becher

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Das Landgericht Stuttgart hat unter anderem angeordnet, dass der Angeklagte zwei Jahre lang mit einem Bewährungshelfer zusammenarbeiten muss. Foto: Alexander Becher

Von Heike Rommel

Rems-Murr. Weil er seine Ehefrau regelmäßig verprügelt und vergewaltigt hat, musste sich ein 29-jähriger Familienvater aus einer Rems-Murr-Gemeinde vor dem Stuttgarter Landgericht verantworten. Das Urteil: Zwei Jahre Haft auf Bewährung. Zudem muss der Angeklagte 3000 Euro an das Opfer bezahlen, ein absolutes Kontaktverbot einhalten und zwei Jahre lang mit einem Bewährungshelfer leben.

Im Gerichtssaal saß die ganze Familie des Angeklagten, als der Fall der häuslichen Gewalt, die während der Pandemie bekanntlich stark zugenommen hat, zur Anklage kam. Dem Beschuldigten wurden seitens der Stuttgarter Staatsanwaltschaft 84 Einzeltaten im Tatzeitraum November 2019 bis März diesen Jahres zur Last gelegt. 57 Anklagepunkte stellte das Gericht nach einem Verständigungsgespräch mit den Prozessbeteiligten hinter verschlossenen Türen ein, wo dem Angeschuldigten eine Bewährungsstrafe in Aussicht gestellt wurde, wenn er gesteht, seiner Noch-Ehefrau beispielsweise das Nasenbein gebrochen und sie trotz heftiger Gegenwehr wie etwa einem Tritt in die Hoden immer wieder vergewaltigt zu haben. Fußtritt in den Unterschenkel, Schläge gegen den Körper und ins Gesicht gab es anfangs im Zuge von Ehestreitigkeiten und gegenseitigen Beleidigungen. Nach der Geburt des im Mai 2020 geborenen zweiten Kindes der Eheleute fand die Frau heraus, dass sich ihr Mann mit einer Escortdame herumtreibt.

Vor den Vergewaltigungen schaute der Mann Pornos an

An einem Wochenende im Juli 2020 forderte der Mann Sex von seiner Frau und es kam zur ersten Vergewaltigung nach einer Art Kampf auf dem Ehebett, wo die Frau um sich schlug, kratzte und dem Täter einen Tritt in die Hoden versetzte. Von da an kam es immer wieder zu Vergewaltigungen, vor denen der Mann nach den Angaben der Frau Pornofilme anschaute. Bei der letzten Vergewaltigung stand die Kinderzimmertüre offen und das Kleinkind bekam alles mit. Danach war die Frau erneut schwanger.

Als der Angeklagte seine Ehefrau wegen einer Auswanderung in die Türkei an einem Abend im März dieses Jahres im Beisein seiner Mutter unter Schlägen zwingen wollte, das Haus zu putzen, kam am Ende die Polizei und verhaftete den Mann. Dieser musste bis zu seinem Prozess vier Monate lang ins Untersuchungsgefängnis Stuttgart-Stammheim. Mit dem Urteil, gesprochen durch Richter Hans-Peter Schöttler von der fünften Strafkammer, kam er wieder auf freien Fuß und seine Familie konnte ihn gleich mitnehmen.

Zum Hintergrund des Familiendramas führten die Verteidiger Sascha Böttner und Thomas Mende am Rande der Verhandlung an, parallel zum Strafverfahren tobe der Scheidungskrieg und der Sorgerechtsstreit um die zwei Kinder. Die Ehefrau des Angeklagten war durch Rechtsanwalt Kiriakos Sfatkidis als Nebenklägerin vertreten. Dass der Angeklagte dem Opfer durch sein vollumfängliches Geständnis eine Zeugenaussage ersparte, war der Urteilsbegründung zufolge überhaupt der Grund dafür, dass der Mann nicht zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wurde. Schließlich, so erklärte Richter Schöttler, stünde auf jede einzelne Vergewaltigung eine Mindestfreiheitsstrafe von zwei Jahren. Er verbot dem Verurteilten, seine Noch-Frau zu kontaktieren, es sei denn, es gehe um die Sicherstellung des Umgangs mit den Kindern.

Keine Vorstrafen und eine günstige Sozialprognose

Zugunsten des 29-Jährigen wirkte sich bei der Urteilsfindung auch aus, dass er noch nicht vorbestraft war, dass es bei den Vergewaltigungen zu keinen Verletzungen kam, dass das Ehepaar nach den Vergewaltigungen wieder einvernehmlich Geschlechtsverkehr hatte und dass er aufgrund seiner selbstständigen Erwerbstätigkeit eine günstige Sozialprognose aufweist.

Gegen die U-Haft hatten die Anwälte des Angeklagten Haftbeschwerde eingelegt. Nun erklärte der Richter, bevor er den Mann wieder auf freien Fuß setzte: „Ohne Geständnis hätten Sie keine Chance auf Bewährung gehabt. Das sollten Sie sich vor Augen führen.“

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Erstellt:
14. Juli 2022, 16:00 Uhr

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