In der Staatsgalerie Stuttgart

Elvira Bach: „Es kommt darauf an, sich nicht verbiegen zu lassen“

Die Berliner Malerin Elvira Bach ist Kult – das zeigt sich auch beim „Über Kunst“-Abend unserer Zeitung in der Staatsgalerie Stuttgart. Fast 300 Leserinnen und Leser waren dabei.

Elvira Bach beim „Über Kunst“-Gespräch in der Staatsgalerie Stuttgart

© Steffen Schmid

Elvira Bach beim „Über Kunst“-Gespräch in der Staatsgalerie Stuttgart

Von Thomas Morawitzky

„War schön!“, sagt Elvira Bach, und lacht in sich hinein. Sie spricht von ihrem Leben, ihrer Kindheit, sie schaut zurück auf sinnlich-bewegte Zeiten. 1982 wurde sie eingeladen zur documenta 7, erlebte ihren Durchbruch als Malerin. Sie war die einzige Frau unter den Neuen Wilden, den Künstlern, die in den 1980er Jahren mit Farbe, Expressivität und großen Leinwänden die Malerei erneuerten, sie behauptet sich bis heute. Am Dienstagabend sitzt sie auf dem Podium im Saal der Staatsgalerie Stuttgart, bei „Über Kunst“, der Reihe unserer Zeitung, im Dialog mit Nikolai B. Forstbauer, Autor unserer Zeitung. Eine Ikone ist zu Gast, der Saal gefüllt. Elvira Bach ist 74 Jahre alt seit Januar, sie wirkt extravagant, mit ihrem schwarz-roten Poncho, ihrem kunstvollen Kopfputz.

„Ich bin zu Zeit der Erdbeerernte geboren“, das sagte sie einst. Elvira Bach war ein Kind vom Land, sie kam zur Welt in Neuenhain, einem kleinen Ort in Hessen. „Ich bin aufgewachsen mit allen Früchten, mit Erdbeeren, Kirschen, Mirabellen, Äpfeln. Mein Vater hat 800 Liter Apfelwein gemacht im Jahr, meine Tante hatte einen Obstgroßhandel und mein Onkel eine Gärtnerei. Er züchtete Alpenveilchen und ich habe sie verkauft, jeden Samstag, fünf Stück für eine Mark. So bin ich groß geworden. Ich habe eine schöne Kindheit gehabt.“

An der Hochschule der Künste in Berlin trifft sie auf Rainer Fetting, Salomé, Helmut Middendorf und andere – dem aber misst sie heute geringe Bedeutung zu. „Ich habe mich nicht für die anderen Künstler interessiert“, sagt sie. „Ich will jeden Künstler respektieren, denn jeder macht seine Sache. Aber ich habe mich irgendwann gefunden, und dann bin ich bei mir geblieben und habe mich nicht mehr irritieren lassen, von niemandem, von keinem Professor, keinem Galeristen und keinem anderen Studenten. Andere haben gesagt, ich würde immer das selbe machen, aber ich habe einfach weitergemalt.“ Dafür erhält Elvira Bach einen kurzen, stürmischen Applaus aus dem Publikum.

Elvira Bach: „Bin bei mir geblieben“

Die Künstlerszene mag für sie nicht von Bedeutung gewesen sein, der Auftritt war es schon: „Als junge Frau, als Künstlerin, musste man ausgehen.“ Elvira Bachs Ort war das „Exil“, die Künstlerkneipe, die Oswald Wiener, einst Mitglied der Wiener Gruppe, in Kreuzberg führte: Ein Lokal mit weißen Tischdecken und weißen Servietten, in dem Wieners Frau Irmgard kochte. „Ich war immer nur am Tresen und habe Wein getrunken. Das Essen konnte ich mir nicht leisten, aber den Wein konnte ich ja anschreiben lassen.“ Im „Exil“ fand die Malerin das Motiv, dem sie treu blieb – sich selbst.

Die Schlange? Für Elvira Bach „Ersatz für Männer“

„Ich habe mich dort ausgestellt“, sagt Elvira Bach „mit High Heels. Ich habe mir den Raum dort angeschaut, und so habe ich meine Frauenfigur gefunden.“ Dass auf ihren Bildern, später in ihren plastischen Arbeiten, als Motiv auch oft eine Schlange auftritt – dafür hat Elvira Bach eine sehr praktische Erklärung: „Das ist mein Ersatz für die Männer“, sagt sie. „Ich setze einfach eine Schlage ein, dann muss ich keine Männer machen.“

Elvira Bach macht jungen Künstlerinnen Mut

Ihre Bilder aus den späten 1970er Jahren – aktuell zu sehen in der Berliner Galerie Klaus Gerrit Friese – zeigen sie als eine Frau, die zusehends an Sicherheit gewinnt. Sie reiste, nach Südfrankreich, in die Karibik, malte ununterbrochen, erlebte neues Licht, neue Musik, neue Menschen, und wurde Mutter, 1985. „Es war mir völlig klar“, sagt sie, „dass es keine Pause geben durfte, wenn ich in der Konkurrenz mit den Männern bestehen wollte. Ich wusste: Wenn ich nur ein paar Tage oder eine Woche nichts machte, hatte ich verloren.“ Hat sich für junge Künstlerinnen heute etwas verändert? „Nein“, sagt sie, entschieden – „Aber es kommt immer darauf an, sich nicht verbiegen zu lassen.“

Das allerwichtigste für Elvira Bach aber sind die Farben. Sie mischt ihre Farben selber an, ob nun mit Pigmenten, Eitempera, Acryl oder Öl. „Ohne das Farbenmischen geht es nicht“, sagt sie. „Wenn man anfängt, ein Bild zu malen, müssen da mindestens sieben Farben stehen. Man muss volle Schüsseln haben, dann arbeitet man viel leichter.“

Elvira Bach: „Ohne Farbenmischen geht es nicht“

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Erstellt:
29. Oktober 2025, 12:24 Uhr
Aktualisiert:
30. Oktober 2025, 06:10 Uhr

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