Erste „ruhige Gebiete“ in diesem Jahr
Die Stadt will „ruhige Gebiete“ festlegen. Es ist eine Reaktion darauf, das jeder zehnte Stuttgarter gesundheitsgefährdend laut wohnt.

© Lichtgut/Max Kovalenko
Lärmverursacher Nummer eins in Stuttgart: Der Straßenverkehr wie hier in der City im Bereich Charlottenplatz
Von Judith A. Sägesser
Stuttgart - Mehr als jeder zehnte Stuttgarter wohnt Erhebungen zufolge so laut, dass es seiner Gesundheit schaden kann. Der Hauptgrund ist der starke Autoverkehr in der Landeshauptstadt. Gemäß EU-Vorgaben muss die Stadt Stuttgart darauf reagieren. Eine Maßnahme sind sogenannte ruhige Gebiete. Die ersten sollen noch in diesem Jahr ausgewiesen werden.
Was sind ruhige Gebiete?
Anstatt den vorhandenen Lärm zu drosseln, zielen ruhige Gebiete darauf ab, dass er – zumindest dort – nicht auch noch zunimmt. Es sollen öffentlich zugängliche Ruheinseln in der Großstadt sein. Dass sich Städte wie Stuttgart jetzt verstärkt mit diesem Konzept beschäftigen, hat auch mit einer gewissen Ungeduld in Brüssel zu tun. Bereits vor Jahren hatte die EU den Mitgliedsstaaten nahegelegt, mit ruhigen Gebiete auf den gesundheitsgefährdenden Lärm zu reagieren. Geschehen ist offenbar wenig. So jedenfalls ist es Thomas Schene vom Amt für Umweltschutz über die Instanzen zugetragen worden. Bundesweit gebe es schon Vorreiter: zum Beispiel München und Berlin.
Welche Orte kommen infrage?
Auch wenn Schene sagt, „es ist nichts von vornherein ausgeschlossen“, so ergeben sich doch automatisch Grenzen durch den bestehenden Lärm. Zum Beispiel im Rot- und Schwarzwildpark. „Dort ist es eigentlich zu laut für ein ruhiges Gebiet“, sagt er. Womöglich müsse man sich dort auf eine Kernzone beschränken. Wie Städte die ruhigen Gebiete ausgestalten, darin seien sie recht frei. In Stuttgart böten sich verschiedene Kategorien an, erklärt Schene. Zum Beispiel ruhige Landschaftsräume wie Naturschutzgebiete oder Felder; Erholungs- und Freiflächen wie Wald oder Wiesen; innerstädtische Erholungsflächen wie Parks oder Friedhöfe. Die Zahl der ruhigen Gebiete sei „nach oben hin offen, es ist ein kontinuierliches Thema“. Die ersten Gebiete sollen in der zweiten Jahreshälfte ausgewiesen werden. Dafür komme man in den Gemeinderat. Klar sei, so Schene: „Wir werden mit Gebieten anfangen, die nicht umstritten sind.“
Welche Folgen hat das?
Ein ruhiges Gebiet hat Auswirkungen auf künftige Planungen. Projekte – wie beispielsweise Straßen – dürfen keinen zusätzlichen Lärm verursachen. Allerdings ist der Status auch nicht unantastbar; er ließe sich im Zweifelsfall wieder ändern.
Wie viel bringt diese Maßnahme?
Die EU schreibt nicht vor, wie laut es in einem ruhigen Gebiet maximal sein darf, das überlässt sie den Mitgliedsstaaten. Weil der Bund hier keinen Grenzwert festgelegt hat, habe man „recht freie Hand“, sagt Schene. Man müsse dazu auch sagen: „Ruhe ist subjektiv.“ Ab wann Lärm im Mittelungspegel als gesundheitsgefährdend gilt, legt die EU derweil fest: ab 65 Dezibel tags und 55 Dezibel nachts. Um an der Lärmkulisse in der Stadt wirklich etwas zu ändern, brauche es andere Maßnahmen, erklärte Schene bereits im März im Ausschuss für Klima und Umwelt. Zum Beispiel ein anderes Mobilitätsverhalten. Was die Stadt zeitnah plant: auf mehr Strecken Tempo 30 in der Nacht. Bei den Hauptverkehrsstraßen in Hedelfingen, Möhringen und Zuffenhausen sei eine Umstellung auf Tempo 30 bereits in der Umsetzung. Für andere laufen Gutachten.
Wird es durch die E-Mobilität leiser?
Im Vergleich zu Verbrennerautos sind E-Fahrzeuge leiser. Zwar sind sie auch in Stuttgart derzeit noch in der absoluten Unterzahl, aber erwartet das Amt für Umweltschutz, dass die Stadt der Zukunft leiser wird? Die Antriebswende ist laut Thomas Schene „eine sehr positive Entwicklung, auch was den Lärm betrifft“. Allerdings bremst er zu große Erwartungen. „Das ist aber nur relevant für ein Tempo bis 40. Danach ist das Reifenabriebsgeräusch lauter.“