Wasserstoffzug: Premierenfahrt mit kleinen Makeln

dpa/lsw Hechingen. Dieselzüge ade? Bahnfahren soll auch auf dem Land umweltfreundlicher werden, doch Elektrifizierungen sind teuer. Daher setzt das Land auch auf Wasserstoffzüge. Nun wird erstmals der Regelbetrieb getestet - obwohl noch etwas Wichtiges für einen Dauereinsatz fehlt.

Winfried Hermann, Verkehrsminister von Baden-Württemberg, steht in der Zugtür. Foto: Bernd Weissbrod/dpa

Winfried Hermann, Verkehrsminister von Baden-Württemberg, steht in der Zugtür. Foto: Bernd Weissbrod/dpa

Pünktlich abgefahren, etwas zu spät angekommen: Mit einer Premierenfahrt am Montag ist erstmals im Südwesten ein Wasserstoffzug in einen fahrplanmäßigen Einsatz gestartet. Der Zug Coradia iLint der Firma Alstom soll nach Angaben der Netzbetreiberin, der landeseigenen Südwestdeutschen Landesverkehrs-AG, voraussichtlich bis Ende Februar vor allem zwischen Sigmaringen, Hechingen und Eyach unterwegs sein. Was allerdings fehlt, ist ein Betrieb vor Ort, der den Treibstoff für den Zug herstellen könnte.

Nach Angaben des baden-württembergischen Verkehrsministeriums wird der Wasserstoff für den Probebetrieb des Regionalzugs daher von der Firma Air Liquide per Lastwagen geliefert. Dieser ist zwar als „grün“ zertifiziert, wird also mit erneuerbaren Energien hergestellt, aber letztlich auf der Straße an sein Ziel transportiert. Weil ein erster Lieferant während der achtmonatigen Probephase nicht ausreichend Lastwagen bereithalten konnte, verzögerte sich das Projekt nach Angaben des Ministeriums um gut zweieinhalb Monate.

In anderen Bundesländern waren Wasserstoffzüge schon fahrplanmäßig in Betrieb, in Baden-Württemberg ist das Projekt eine Premiere. Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) bezeichnete die Technologie am Montag als „moderne Antwort auf Dieselloks“. Dass die Bahnen, die ausschließlich Wasserdampf ausstoßen, ohne Abgase und leiser fahren, sei „ein Plus für die Anwohner“, sagte Hermann.

Aus dem Probebetrieb auf der Zollernalbbahn erhofft sich das Verkehrsministerium Erkenntnisse über die Alltagstauglichkeit von Zügen mit Wasserstoffantrieb - gerade auf Strecken mit Steigungen und im Winter teils schwierigen Wetterverhältnissen. Ob der iLint auch dauerhaft auf den Strecken der Zollernalbbahn zum Einsatz kommen könnte, soll nach dem Probebetrieb entschieden werden. Ein externer Sachverständiger soll das Projekt dazu begleiten.

Der Alstom-Präsident für Deutschland, Österreich und die Schweiz, Müslüm Yakisan, sagte, das Unternehmen sei „überzeugt davon, dass die Erwartungen durchaus gedeckt werden“. Auf der Schwäbischen Alb komme dabei nicht der aktuelle Stand der Technik zum Einsatz, sondern ein Prototyp. Dessen Reichweite ist mit 500 Kilometern pro Tank nur halb so groß wie die der Serienfahrzeuge, die Alstom nach eigenen Angaben bald für den Regelbetrieb nach Niedersachsen und Hessen liefern will.

Der neue Wasserstoffzug soll nach Angaben des Verkehrsministeriums trotzdem von Anfang an so zuverlässig sein wie der Dieselzug, den er vorübergehend ersetzt. Dazu seien schon mehrere Testfahrten auf den Strecken der Zollernalbbahn erfolgt, sagte eine Sprecherin.

Die Premierenfahrt mit Verkehrsminister Hermann an Bord absolvierte der Alstom-Prototyp am Montag erfolgreich. Zwar kam der Zug mit gut zehn Minuten Verspätung am Zielbahnhof Gammertingen an - allerdings vor allem, weil er auf der eingleisigen Strecke an einem Ausweichpunkt auf einen entgegenkommenden Dieselzug warten musste.

© dpa-infocom, dpa:210712-99-352071/3

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Erstellt:
12. Juli 2021, 12:50 Uhr

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