Erzählungen über Bill, Nachtwachen und Neuerungen

Viertägiges Schlossfest des Bürgervereins Ebersberg über Pfingsten – Blick hinter die Kulissen des Bürgervereins Ebersberg

Es ist eine Kombination aus Tradition und Innovation, Teamgeist und Eigenverantwortung, akribischer Planung und Spontanität, was neben der Qualität der Bands und der guten Laune des Publikums den großen Erfolg des viertägigen, geselligen Musikfestes auf dem Ebersberger Burgberg ausmacht. Diesmal bewegten sich die Beiträge auf der Bühne zwischen Comedy und Stimmungsmusik.

Die Band Shark bei der Partynacht am Samstag auf dem Ebersberg. Die Musiker heizen den Gästen mächtig ein.Foto: A. Becher

© Pressefotografie Alexander Beche

Die Band Shark bei der Partynacht am Samstag auf dem Ebersberg. Die Musiker heizen den Gästen mächtig ein.Foto: A. Becher

Von Ute Gruber

AUENWALD. Breit gefächert ist das Angebot auf der Bühne: Es reicht von Comedy mit den Kächeles über Bands wie Shark und Jauchzaaa bis hin zur Trachtenkapelle des Bürgervereins Ebersberg. Aber: Der Erfolg des Traditionsfestes in Auenwald wäre ohne den unglaublichen Einsatz und Zusammenhalt der unzähligen freiwilligen Helfer, die Organisation, Auf- und Abbau und Bewirtung stemmen, nicht denkbar. Wiederholt fällt der Begriff „große Familie“. Die meisten sind schon über ihre eigenen Eltern in den Verein hineingewachsen und stammen längst nicht mehr nur aus dem eigentlichen Dorf Ebersberg.

Auf dem Tisch im Küchenzelt, wo die Fischbrötchen gerichtet werden, steht ein großes Glas mit frischem Dill als Zutat. Es trägt ein Schild mit der Bezeichnung ‚Bill‘. Kein Schreibfehler, sondern eine Anekdote steckt dahinter: Einmal war besagtes Gartenkraut ausgegangen. „Kein Problem“, denkt Kassiererin Petra Gommel, „hab’ ich ja genug im Garten“, und ruft ihren Mann an: „Wenn du nachher ’rauf kommst, bring’ Dill mit.“ Wenig später läutet ihr Handy: „Du, da steht dein Mann vor meiner Tür und will mich mitnehmen“, moniert Stefan Braun, genannt Bill, „ich bin doch heute gar nicht eingeteilt!“ Seitdem spricht man schmunzelnd immer von Bill, wenn die Ebersberger Lachsbrötchen garniert werden.

Unzählige solcher Geschichten hat Urgestein Bernd Huber auf Lager, dessen Vorfahren seit Jahrhunderten in Ebersberg leben, dessen Vater vor 50 Jahren die Musikabteilung gründete und der selbst seit 30 Jahren beim Schlossfest den Festwirt macht. Jetzt reicht er den Stab weiter an Daniel Gabel. In den 60er- und 70er-Jahren hatte man zum Beispiel noch eine selbst gebaute Schießbude, so richtig mit Plastikrosen und kleinen Schraubenziehern als Gewinne. Für den kleinen Bernd war das das Größte. Einmal hatte allerdings ein angetrunkener Schütze schwankend statt der Keramikröhrchen den Budenwart getroffen, der darauf sehr ungehalten wurde. „Aber ich hab’ doch gar nix getroffen“, wehrt sich der Schütze. „Ist das vielleicht nix?!“, zeigt das Opfer den Streifschuss an seinem Kopf. Sicherheitsrechtlich heute völlig undenkbar.

Die elektrische Ausstattung war zeitweise dem aufgerüsteten Equipment der Rockbands nicht mehr gewachsen. Da konnte es vorkommen, dass jemand im Küchenzelt die Fritteuse anwarf und der große Saal lag plötzlich in finsterer Stille. „Inzwischen managt das ein Profi.“

Für das Fest nimmt jeder der Verantwortlichen ein bis zwei Wochen Urlaub. Schon am Wochenende zuvor wird das große Festzelt aufgebaut. Sobald dann das teure technische Equipment im Zelt aufgestellt wird – Bühnentechnik, 3,5 Tonnen Elektroinstallation, Küchenmaschinen et cetera – muss der Platz rund um die Uhr bewacht werden.

„Da standen plötzlich fünf Typen in Rockerklamotten neben meinem Schlafsack“

Am Anfang hat Bernd Huber noch allein im Festzelt übernachtet, „da standen plötzlich fünf Typen in Rockerklamotten neben meinem Schlafsack und haben angefangen, Randale zu machen und die Tische rumzuschmeißen“, die Motorräder hatte er nicht kommen hören. „Ich bin nichts wie raus aus dem Zelt und abgehauen. Von unterwegs habe ich dann die Polizei angerufen.“ Seitdem wird Nachtwache im Team geschoben. Das Schlafdefizit muss dann später nachgeholt werden. Inzwischen hat man sich richtig feudal eingerichtet, mit Feldbetten, Klappsesseln und sogar einer Dixie-Dusche fürs Team – „das sind wir den Gästen schuldig“, meint Daniel Gabel, „wenn wir hier tagelang kampieren“. Der gebürtige Däferner ist nach diversen Stationen erst vor wenigen Tagen wieder in die Heimat zurückgekehrt, nicht zuletzt wegen des Vereins und des Schlossfestes. Die Umzugskartons habe er noch gar nicht ausgepackt, aber seine Waschmaschine steht jetzt im Wohnzelt und wäscht laufend die vielen roten Küchenschürzen der Vereinskameraden. „Sonst mussten wir die immer zu Hause waschen.“ Er will in Zukunft das Fest hauptverantwortlich organisieren, als „Festwirt in Einarbeitung“. Ein fliegender Wechsel.

Überhaupt sind viele engagierte junge Leute im Team, was auch an der Grundeinstellung liege, wie Vorstandssprecher Sascha Ebinger versichert: „,Das war schon immer so’ gibt’s bei uns nicht!“. Im Gegenteil würden auch die jungen Mitglieder animiert, ihre Ideen einzubringen und Verantwortung zu übernehmen. Wie etwa der 19-jährige Florian Sigmann, der seit Kurzem Schriftführer ist, Pressemitteilungen verfasst und die Homepage betreut. Er ist selbst erstaunt, wie gut ihm das gelingt, „aber ich hatte auch die akribische, digitale To-Do-Liste von Paul Schübler.“ Jener hatte in 40 Jahren als Schriftführer festgehalten, was in jedem Monat an Anträgen, Anschreiben, Bestellungen zu tätigen war. Eine große Hilfe für den Nachfolger, der stolz darauf ist, am „größten Fest weit und breit“ mitzuwirken.

So ist die Veranstaltung seit 58 Jahren ständig im Wandel: Erst hat man den traditionellen Fassanstich vor Jahren als altbacken abgeschafft und den Freitag in eine Rocknacht verwandelt. Inzwischen ist Tradition wieder in, der Fassanstich mit Freibier wurde jetzt erfolgreich kombiniert mit schwäbischer Comedy und musikalischer Showeinlage. Heuer gab es dazu eine rustikale Chill-out-Lounge mit Liegestühlen und Holzklötzen auf zwei Kubikmeter Hackschnitzeln. Mit einer Feedback-Box werden die Gäste um ihre Meinung zur Neuerung befragt.

Etwa einmal im Monat ist Ausschusssitzung, da werden auch Verbesserungsvorschläge besprochen. „Wir schauen uns manches natürlich auch in anderen Vereinen ab“, erklärt Jugendleiterin Sabrina Hochrein, „mit vielen arbeiten wir eh zusammen“. Man tauscht Arbeitsgeräte, Personal oder Auftritte aus. „Man muss den Gemeinschaftsgedanken einfach weiter fassen – Netzwerk ist da der aktuelle Begriff.“ Auch beim Bezug der verwendeten Lebensmittel arbeitet man deshalb mit den örtlichen Anbietern zusammen. „Unser Metzger macht nicht nur die beste Wurst, der ist auch schon mal sonntagabends für uns in die Wurstküche gestanden, weil uns die Rote ausgegangen ist.“ Manches ist eben nicht in Geld zu messen.

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Erstellt:
11. Juni 2019, 11:30 Uhr

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