EU-Handelskommissar Hogan stolpert über Corona-Regeln

dpa Brüssel/Dublin. Der Ire Phil Hogan gibt seinen mächtigen Brüsseler Posten ab, weil er Pandemie-Auflagen seiner Heimat missachtet hat. Richtig so, erklärt Kommissionschefin Ursula von der Leyen. Aber wer wird die Lücke füllen?

EU-Handelskommissar Phil Hogan ist wegen Verstößen gegen Corona-Regeln zurückgetreten. Foto: Christophe Gateau/dpa

EU-Handelskommissar Phil Hogan ist wegen Verstößen gegen Corona-Regeln zurückgetreten. Foto: Christophe Gateau/dpa

Nach dem Rücktritt von EU-Handelskommissar Phil Hogan wegen Missachtung von Corona-Regeln will Kommissionschefin Ursula von der Leyen den wichtigen Posten rasch neu besetzen. Sie bat Hogans Heimatstaat Irland am Donnerstag um Namen für die Nachfolge - einen Mann und eine Frau.

Dass Hogan sein Amt abgab, unterstützte von der Leyen. Auch Kommissare müssten sich an Auflagen im Kampf gegen die Pandemie halten, sagte sie.

Hogan hatte bei einem Heimatbesuch in Irland vom 31. Juli bis 22. August aus Sicht der irischen Regierung örtliche Corona-Regeln verletzt, darunter Quarantänepflichten und Bewegungseinschränkungen. Die Affäre begann mit einem Dinner in einem Golfclub, an dem etwa 80 Menschen teilgenommen hatten - weit mehr als zulässig. Medien sprachen deshalb von „Golfgate“. Hogan hatte sich tagelang verteidigt und Vorwürfe nur nach und nach eingeräumt. Unter öffentlichem Druck trat er dann am Mittwochabend zurück.

Von der Leyen dankte dem 60-Jährigen für seine „unermüdliche und erfolgreiche Arbeit“, auch als Agrarkommissar in den fünf Jahren bis 2019. Aber die Kommissionschefin sagte auch: „Unter den derzeitigen Umständen, da Europa gegen die Ausbreitung des Coronavirus kämpft und Europäer Opfer bringen und schmerzhafte Beschränkungen akzeptieren, erwarte ich von Mitgliedern des Kommissarskollegiums, besonders aufmerksam auf die Einhaltung der geltenden nationalen und regionalen Regeln und Empfehlungen zu achten.“

Das Amt des Handelskommissars gilt als besonders wichtig, weil die EU für die Handelspolitik aller 27 Mitgliedsstaaten zuständig ist und Abkommen mit Partnern in aller Welt aushandelt. Hogan hatte seinen Rücktritt damit begründet, dass der Streit über sein Verhalten in Irland seine Arbeit in dem wichtigen Ressort überschattet hätte. Wichtige anstehende Themen sind die wirtschaftlichen Beziehungen mit Großbritannien nach dem Brexit, der Handelsstreit mit den USA und die Kontroverse über das noch nicht ratifizierte Handelsabkommen mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten.

Da alle 27 Staaten mit Kommissaren in der mächtigen Brüsseler Exekutive vertreten sein sollen, hat Irland ein Vorschlagsrecht. Ob die neue Person wieder Handel oder ein anderes Ressort bekommt, liegt bei von der Leyen. Darüber werde zu einem späteren Zeitpunkt entschieden, sagte die Kommissionschefin. Übergangsweise soll Kommissionsvize Valdis Dombrovskis die Zuständigkeit für Handel mit übernehmen.

Von der Leyen telefonierte am Donnerstag mit dem irischen Regierungschef Micheál Martin. Dieser sagte anschließend nach einem Bericht des Senders RTE, er sei mit seinen Koalitionspartnern einig, eine Person von „sehr, sehr hohem Kaliber“ zu benennen und auf den Wunsch nach Nominierung einer Frau und eines Mannes einzugehen.

In Irland sind etliche Namen im Gespräch, darunter Außenminister Simon Coveney, der frühere EU-Botschafter in Washington, David O'Sullivan, und Ex-Regierungschef Enda Kenny. Chancen werden auch der irischen Europaabgeordneten Mairead McGuinness ausgerechnet. Vize-Regierungschef Leo Varadkar betonte hingegen, er wolle seine jetzige Rolle behalten.

Hogan von der Fine-Gael-Partei hatte sein Amt als EU-Handelskommissar am 1. Dezember angetreten. Zuvor war er in der EU-Kommission von Jean-Claude Juncker für Agrarpolitik zuständig gewesen. Anfang der 1980er Jahre hatte der Ökonom vorübergehend den Bauernhof seiner Familie geführt, bevor er Parlamentsabgeordneter und später Minister wurde. Hogan galt als versierter Politiker und Verhandler und war zeitweise als möglicher Generaldirektor der Welthandelsorganisation WTO im Gespräch.

Einige EU-Vertreter äußerten Bedauern über seinen Rücktritt, darunter der frühere Generalsekretär der Kommission, Martin Selmayr. Hogan hinterlasse einem Nachfolger große Schuhe, schrieb er auf Twitter. Mehrere Europaabgeordnete begrüßten die Chance zum Neuanfang in dem Ressort. „Die Nachfolge Phil Hogans steht vor der großen Aufgabe, die europäische Handelspolitik endlich mit dem EU Green Deal in Einklang zu bringen“, kommentierte die Grüne Anna Cavazzini.

© dpa-infocom, dpa:200826-99-321260/7

Phil Hogan begründete seinen Rücktritt damit, dass der Streit über sein Verhalten in Irland seine Arbeit in dem wichtigen Ressort überschattet hätte. Foto: Virginia Mayo/AP/dpa

Phil Hogan begründete seinen Rücktritt damit, dass der Streit über sein Verhalten in Irland seine Arbeit in dem wichtigen Ressort überschattet hätte. Foto: Virginia Mayo/AP/dpa

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Erstellt:
26. August 2020, 21:50 Uhr

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