Nach dem Eklat im Weißen Haus

Europa ist zur Einigkeit verdammt

Wenn Europa nicht am Tisch mit den Weltmächten sitzt und deren imperiales Streben eindämmen kann, findet es sich am Ende auf deren Speisekarte wieder, kommentiert unser Brüssel-Korrespondent Knut Krohn.

Der britische Premier Keir Starmer (re.) begrüßt den französischen Präsidenten Emmanuel Macron.

© AFP/TOBY MELVILLE

Der britische Premier Keir Starmer (re.) begrüßt den französischen Präsidenten Emmanuel Macron.

Von Knut Krohn

In London haben sich die Mächte des demokratischen Westens getroffen – und die USA sind nicht dabei. US-Präsident Donald Trump hat sich aus dieser Phalanx verabschiedet und steht nun in einer Reihe mit autokratischen Staaten wie Russland, China und Nordkorea. Europa reagiert ernüchtert, aber nicht geschockt auf diese Entwicklung, die sich abgezeichnet hatte, in dieser Geschwindigkeit aber dennoch überraschend kommt.

Vor allem Europa muss sich nun ebenso schnell auf die neuen Realitäten einstellen. Das gilt nicht nur für die Unterstützung der Ukraine in deren Abwehrkampf gegen Russland. Es stimmt, dass die EU-Mitglieder das angegriffene Kiew seit drei Jahren mit sehr viel Geld, Hilfsgütern und Waffen unterstützen. Das alles geschieht aber halbherzig, als hätten viele Staaten noch immer nicht begriffen, was für Europa in diesem Krieg auf dem Spiel steht. Russlands Präsident Wladimir Putin führt einen Angriff auf die ihm verhasste Freiheit und die Demokratie im Westen.

Die Europäer haben sich zu lange auf die USA verlassen

Zu keiner Zeit waren die EU und die Ukraine in der Lage, aus der notwendigen Position der militärischen Stärke heraus, den Autokraten im Kreml an den Verhandlungstisch zu zwingen. Die Europäer haben sich immer auf die Rückendeckung der USA verlassen, auch deshalb kann sich Donald Trump nun als Friedensfürst aufspielen. Europa steckt dabei in einem großen, selbstverschuldeten Dilemma. Washington verabschiedet sich unter der neuen US-Administration aus der westlichen Wertegemeinschaft, doch ohne die militärische Unterstützung durch die Vereinigten Staaten ist die Europäische Union im Moment hilflos.

Auf dem Treffen in London und dem nächsten EU-Gipfel Brüssel am Donnerstag muss Europa die Weichen stellen, sich aus dieser gefährlichen Lage zu befreien. Moralisch steht der Kontinent in seiner Unterstützung für Kiew zusammen, doch das nützt nichts, wenn diese noble Haltung nicht in der kriegerischen Realität ihren robusten Niederschlag findet.

Im ersten Schritt bedeutet das, dass die Europäer mehr Geld und Waffen aufbringen müssen, damit sich die Ukraine auch ohne die massive Unterstützung der USA zumindest über den Sommer hinaus verteidigen kann. Das könnte auch den sprunghaften US-Präsidenten überzeugen, Kiew nicht einfach den Hahn abzudrehen. Er könnte das als „guten Deal“ in seinem Sinne verkaufen, denn immer wieder hat er von der EU mehr sichtbares Engagement gefordert.

Der Plan für eine Waffenruhe ist ein wichtiges Signal

Parallel dazu muss sich Europa endlich darauf festlegen, wie es die eigene Verteidigungsfähigkeit konkret ausbaut und auf diese Weise die Nato entlastet – auch das ist eine Forderung von Donald Trump. Und schließlich müssen sich die EU-Staaten dazu bekennen, einen möglichen Waffenstillstand in der Ukraine selbst abzusichern – dazu gehören auch europäische Friedenstruppen.

All diese Schritte würden ohne die militärische Absicherung der USA extrem schwierig, wenn nicht gar unmöglich. Europas Diplomaten werden deshalb versuchen müssen, den neuen Herrscher im Weißen Haus gnädig zu stimmen. In London wurde am Sonntag mit der Ankündigung, einen Plan für eine mögliche Waffenruhe vorzulegen, ein wichtiges und richtiges Signal auch an die USA gesendet.

Nun rächt sich, dass Europa es sich über Jahrzehnte unter dem Abwehrschirm Washingtons bequem gemacht hat. Wir befinden uns nun in der Hand eines unberechenbaren Mannes, der demokratische Regeln für dummes Zeugs hält, an die Macht des Stärkeren glaubt und Erpressung mit Politik verwechselt.

Doch Europa hat keine Wahl, als sich so schnell und so gut wie möglich, auf eigene Beine zu stellen. Denn eines ist klar: wenn Europa irgendwann nicht am Tisch mit den Weltmächten sitzt und deren imperiales Streben eindämmen kann, findet es sich am Ende auf deren Speisekarte wieder.

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Erstellt:
2. März 2025, 14:24 Uhr
Aktualisiert:
2. März 2025, 14:26 Uhr

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