Existenzängste und große finanzielle Schäden

Auswirkungen des Coronavirus auf das kulturelle Leben: Barbetreiber, Klubbesitzer und Co. sind in Sorge

Das kulturelle Leben in Backnang steht derzeit still, die meisten Veranstaltungen sind abgesagt. Trifft es bald auch Bars und Restaurants? Die Gastronomen sind in Sorge. Symbolfoto: T. Sellmaier

© Tobias Sellmaier

Das kulturelle Leben in Backnang steht derzeit still, die meisten Veranstaltungen sind abgesagt. Trifft es bald auch Bars und Restaurants? Die Gastronomen sind in Sorge. Symbolfoto: T. Sellmaier

Von Bernhard Romanowski

BACKNANG. Essen und trinken in froher Runde, tanzen und nette Leute treffen: An Möglichkeiten dazu mangelt es im Raum Backnang nicht. Aber der hiesige Gastronomie- und Eventbereich steht derzeit zunehmend unter einem schlechten Stern: Die Verbreitung des Coronavirus ist auch hier das große Thema.

Rund ein Drittel weniger Besucher war vergangene Woche in der Rock-Discothek Belinda in Sulzbach an der Murr zu verzeichnen, die von der Genossenschaft Begegnungs- und Kulturzentrum Akzente betrieben wird. „Wir können nur von Woche zu Woche denken, stehen mit dem Gesundheitsamt in Waiblingen in Kontakt und orientieren uns an dessen Empfehlungen und Vorgaben“, so Willi Beck vom Vorstand der Genossenschaft. Ab sofort müssen sich Gäste mit ihren Daten in eine Liste eintragen. Damit hofft man, im Fall der Fälle die Infektionskette nachverfolgen zu können. Wie die Reaktion der Besucher darauf sein wird, müsse man abwarten, so Beck.

Im Zuge dessen würde auch weniger Personal eingesetzt und vielleicht auch nur eine der beiden Theken betrieben werden, kündigte Beck bereits am Donnerstag an. Denn die Genossenschaftler müssen auf die Wirtschaftlichkeit achten; der Betrieb der Disco muss sich rechnen. Würde beispielsweise die Theke in der Kellerbar geschlossen bleiben, dann fiele auch der Raucherbereich weg und die Tabakfreunde müssten draußen rauchen. Dieses Konzept in der Belinda wäre für zwei, drei Wochen durchzuhalten, dann würde es eng, gibt Beck zu bedenken. Er fühle sich dem Wohlergehen der Besucher ebenso verpflichtet wie dem wirtschaftlichen Auskommen der Mitarbeiter und des ganzen Betriebs.

„Auch kirchlicherseits machen wir uns gerade Gedanken, wie mit der Situation umzugehen ist“, erläutert Beck als Theologe und Diakon der Akzente-Gemeinde. Auch bei den Gottesdiensten werde man wohl mit Gästelisten arbeiten. Die Gottesfeiern ganz abzusagen, hält Beck für äußerst bedenklich: „Damit legen sie das Gemeindeleben lahm.“ Zu den vergangenen vier Sonntagsgottesdiensten seien schon merklich weniger Besucher gekommen, so seine Beobachtung.

Das sei überhaupt die Schwierigkeit, meint Beck wieder mit Blick auf die Belinda: „Wir müssen einerseits finanziell über die Runden kommen, dürfen aber andererseits nicht die Beschleunigung der Virusverbreitung verursachen.“ Die Frage sei nicht, ob es ein Übel gebe, sondern welches das geringere Übel sei. Man habe es mit einem gesellschaftlichen Problem zu tun, das nur gemeinsam zu lösen sei. Wenn nun in Panik alle Veranstaltungen abgesagt würden, habe das langfristige Folgen, die „kaum quantifizierbar“ wären. Für die Belinda habe man sich nun auf den Kompromiss der beschränkten Besucherzahl mit Gästeliste geeinigt.

In der Musikbar und Lounge „Wohnzimmer“ in Backnang fiel am Wochenende ein bereits geplantes Konzert aus, wie Betreiber Alexander Lisson mitteilt. Unter der Woche davor seien etwas weniger Leute gekommen als sonst. Das übliche Programm werde vorerst beibehalten. Die Angst, dass die Gäste ausbleiben, sei aber schon da, bekennt Lisson: „Wir können aber nur abwarten und die Entwicklung in den Medien verfolgen. Wir haben auch genug Seife und Desinfektionsmittel da.“

Im Restaurant Merlin mit Bar- und Veranstaltungsbetrieb in Backnang spürt auch Christos Kiroglou als Chef des Hauses eine gewisse Unruhe, wie er sagt. Auch zu ihm seien weniger Leute gekommen. Das geplante Konzert der Schulamtsband, die am 21. März im Merlin spielen wollte, sei auch schon abgesagt. Von befreundeten Hoteliers hat Kiroglou gehört, dass es derzeit viele Stornierungen ausländischer Gäste gebe. Er sieht den Staat in der Pflicht, den Unternehmern in dieser schwierigen Lage zu helfen, etwa durch Stundungen vom Finanzamt. Die Veranstaltungen im Merlin laufen insgesamt aber wie gehabt weiter. „Sonst hätten wir richtige Probleme. Die ständigen Nachrichten über Tote durch das Coronavirus schüren die Angst der Leute. Aber langfristig werden wir das meistern“, ist sich Kiroglou sicher.

Eppler: Existenz der ganzen

Auf Flexibilität setzt die Familie Eppler mit ihrem Kino in der Sulzbacher Straße in Backnang. Im Universum sei man für alle Szenarien offen, sehe aber auch viele Fragezeichen, so Annegret Eppler. Sie spricht von einem 50-prozentigen Besucherrückgang. Sie geht davon aus, dass bald mehr Leute fernbleiben. Zu dem gesundheitlichen Aspekt, der die Besucher vom Ausgehen abhält, komme im Kinobereich noch hinzu, dass viele Verleiher die Filme nun zurückhielten, erläutert Eppler. Den neuen Bond-Film könne sie erst im November in Backnang zeigen. Sie habe etliche Mitteilungen der Verleiher zu solchen Startverschiebungen in ihrem E-Mail-Postfach. Sie sieht die Existenz der gesamten Branche in Gefahr. Im Backnanger Kino sei man aber in der Lage, sehr schnell und kreativ auf die Entwicklungen zu reagieren. Die Kinobetreiberin kann sich auch Privatvorstellungen für Leute vorstellen, die quasi den eigenen Kinosaal buchen wollen. Eppler: „Wir agieren in einem kleinen, dynamischen Segment. Der Ideenreichtum ist groß, unsere Bereitschaft ist da.“

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Erstellt:
16. März 2020, 06:00 Uhr

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