Fahnenschwinger trainieren wöchentlich

Mitglieder der Musik- und Spielgemeinschaft Trääs aus Sulzbach haben über die Sommermonate bundesweit rund 40 Auftritte

Vom Backnanger Straßenfest sind sie nicht mehr wegzudenken: Die Fahnenschwinger der Musik- und Spielgemeinschaft Trääs aus Sulzbach an der Murr sind seit fast einem Jahrzehnt ein fester und vor allem lebhafter Bestandteil der Eröffnungsfeierlichkeiten. Die BKZ hat sie beim wöchentlichen Training besucht und sich zeigen lassen, worauf es beim Fahnenschwingen ankommt.

Alles aus dem Handgelenk: Beim Fahnenschwingen kommt es auf die Technik an, Kraft ist eher zweitrangig. Fotos: A. Becher

© Pressefotografie Alexander Beche

Alles aus dem Handgelenk: Beim Fahnenschwingen kommt es auf die Technik an, Kraft ist eher zweitrangig. Fotos: A. Becher

Von Silke Latzel

SULZBACH AN DER MURR.Eigentlich trainieren die Fahnenschwinger einmal wöchentlich in der Sulzbacher Gemeindehalle. Doch die ist an diesem Abend besetzt. „Wir sind angekommen und die Halle war bestuhlt“, sagt Vorstand Peter Gromes. Aber die „Trääsler“, wie sie liebevoll von ihren Fans genannt werden, lassen sich durch nichts aus der Ruhe bringen. „Wir haben immer einen Plan B“, so der 54-jährige Gromes. Das sei auch notwendig, denn bei ihren Auftritten müssen sie oft improvisieren. „Wir entscheiden beispielsweise immer erst vor Ort, welche Figuren wir schwingen und welche Choreografie wir zeigen“, erklärt Sylvia Schiemann. Sie ist zwar nicht seit der Gründung der Musik- und Spielgemeinschaft im Jahr 2005 dabei, wurde aber 2009 Mitglied und ist mittlerweile ein alter Hase. Ihr Mann Peter und ihre beiden Kinder Annika und Melissa sind ebenfalls im Verein. „Wir müssen viele Faktoren berücksichtigen: Das Wetter spielt eine große Rolle, und ob wir im Laufen schwingen, etwa bei einem Umzug, oder stehen. Wichtig ist auch, wie viel Abstand wir zum Publikum haben.“ Das sei vor allem beim Backnanger Straßenfest so. „Wir stehen auf Tischen vor der Bühne, direkt neben den Besuchern. Da müssen wir sehr aufpassen, schwingen nur oberhalb unserer Schultern und werfen die Fahnen auch nicht.“

Über die Sommermonate

zwischen 30 und 40 Auftritte

Sicherheit geht bei jeder Figur und bei jedem Fahnenspiel vor. „Wir müssen ja nicht nur auf unsere Zuschauer aufpassen, sondern auch auf uns selbst“, so Sylvia Schiemann. Kaum ein Mitglied, das nicht schon einmal die Fahne bei einem Wurf nicht richtig fangen konnte und sie dann auf den Kopf bekommen hat oder im Eifer des Gefechts mit einem anderen Trääsler zusammengestoßen ist. Schlimme Verletzungen gab es bislang nicht, die 15-jährige Annika Schiemann erzählt allerdings, dass sie bei einer Kollision mit der Fahne schon einmal ein blaues Auge davongetragen hat. Heute kann sie darüber lachen. „Aber es hat ziemlich wehgetan.“ Kein Wunder: Der Griff der Fahnen ist mit Metall umfasst, das obere Ende ist relativ spitz. Die komplette Fahne mit Stange wiegt fast 900 Gramm, sie liegt überraschend schwer in der Hand. „Tragen wir die Fahne über mehrere Stunden, wird sie schwer und das kostet dann auch Kraft“, erzählt Peter Schiemann. Trainierte Muskelmänner und -frauen sind die Trääsler trotzdem nicht. „Eigentlich muss man nicht besonders stark sein“, sagt Silvia Oesterle. Die 49-Jährige erklärt: „Es ist viel mehr eine Frage der richtigen Technik. Alle Kraft kommt aus dem Handgelenk, die Fahne selbst halten wir meistens nur mit zwei Fingern.“

Über die Sommermonate hat die Musik- und Spielgemeinschaft Trääs fast jedes Wochenende einen Auftritt, in guten Jahren zwischen 30 und 40. Dabei beschränken sie sich weder auf den Rems-Murr-Kreis oder das Murrtal noch auf die Grenzen Baden-Württembergs. „Wir waren schon in Berlin beim Deutschen Turnerfest, fahren ins sächsische Plauen zu einem kleinen Wettkampf im Fahnenhochwurf und nehmen in diesem Jahr das erste Mal beim Killianiumzug in Würzburg teil“ erzählt Peter Gromes. Der Vorstand und Gründer der Trääs liebt und lebt die Vereinsarbeit. Sein ganzer Stolz ist das Vereinsheim, das nicht nur die Landsknechtuniformen, in denen die Trääsler auftreten, beherbergt, sondern auch den Schatz des Vereins, das Gästebuch. Dort haben sich Bürgermeister, Ministerpräsidenten sowie lokale und überregionale Prominenz verewigt.

„Wir lernen durch das Fahnenschwingen einfach unglaublich schnell Menschen kennen“, so Gromes. „Und haben dadurch auch einen großen Wiedererkennungswert.“ So habe ihn beispielsweise Ministerpräsident Winfried Kretschmann auf einer Veranstaltung persönlich begrüßt, weil er sich an die Fahnenschwinger aus Sulzbach erinnern konnte. „Und den Schlagersänger Markus Becker habe ich jetzt schon mehrmals getroffen. Jedes Mal gab es ein großes Hallo und viel Gelächter, wie unter alten Freunden.“

Auch für gewerbliche Betriebe werfen die Trääsler die Fahnen. „Wir haben Auftritte bei vielen unterschiedlichen Veranstaltungen und Anlässen. Das ist uns wichtig, denn wenn wir immer bei den selben Festen sind, haben uns die Menschen irgendwann satt und das wollen wir nicht. Und da wir auf unseren Uniformen kein Hoheitszeichen tragen, können wir quasi überall und für jeden auftreten.“ Gromes sagt lachend: „So werden wir den Landsknechten historisch gerecht, das waren nämlich Söldner.“

Welche Fahne die Trääsler schwingen, kommt auf den Anlass an. 141 Fahnen mit 49 verschiedenen Wappen haben sie im Schrank. Mit dabei sind Fahnen mit den Wappen aller Gemeinden des Oberen Murrtals, der Backnanger Partnergemeinde Annonay, das große Landeswappen Baden-Württembergs und viele mehr. Beim Backnanger Straßenfest werden natürlich die Fahnen mit dem Stadtwappen geschwungen. „Wir sind jetzt das neunte Jahr in Folge dabei und immer stolz darauf, Teil der Eröffnung zu sein“, sind die Trääsler sich einig. „Wir freuen uns, dass wir mit einer so einfachen Sache den Menschen so viel Spaß bringen können“, ergänzt Silvia Oesterle. „Und es ist auch eine Ehre, eine Kommune oder sogar, je nach Veranstaltung, ein ganzes Bundesland repräsentieren zu dürfen.“

Übrigens: Allen, die Mitleid mit den Fahnenschwingern haben, weil sie im Sommer voll kostümiert auftreten müssen, verrät Oesterle: „Die Uniformen sind aus Leinen, viel leichter als unsere normale Alltagskleidung und gut durchlüftet. Und das Barett spendet nicht nur Schatten, sondern sorgt auch dafür, dass uns der Schweiß nicht ins Gesicht läuft. Besser geht es also gar nicht.“

Der Countdown läuft Info Der Name „Trääs“ leitet sich aus dem Französischen ab und ist eine „schwäbische Aussprache“ der Zahl 13. Dies entspricht der Anzahl der Mitglieder, die bei der Vereinsgründung dabei waren. Beim Backnanger Straßenfest ist die Musik- und Spielgemeinschaft Trääs Teil der Eröffnung am heutigen Freitag, 22. Juni. Um 19 Uhr geht’s auf dem Marktplatz los.
Vorstand Peter Gromes ist stolz auf seinen Verein. Er hat die Gründung im Jahr 2005 initiiert und ist jeden Tag mit viel Spaß an der Sache dabei.

© Pressefotografie Alexander Beche

Vorstand Peter Gromes ist stolz auf seinen Verein. Er hat die Gründung im Jahr 2005 initiiert und ist jeden Tag mit viel Spaß an der Sache dabei.

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Erstellt:
22. Juni 2018, 06:00 Uhr

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