Kita-Öffnung ohne Konzept? Kritik an Ministerin Eisenmann

dpa/lsw Stuttgart. Für gestresste Eltern sollte es eine gute Nachricht sein: Ab Montag sollen die Kitas schrittweise mehr Kinder betreuen. Das hat CDU-Kultusministerin Eisenmann angekündigt. Doch Gewerkschaften und auch der grüne Regierungspartner vermissen einen konkreten Plan.

Boris Palmer (Bündnis 90/Die Grünen), Oberbürgermeister von Tübingen. Foto: Christoph Soeder/dpa/Archivbild

Boris Palmer (Bündnis 90/Die Grünen), Oberbürgermeister von Tübingen. Foto: Christoph Soeder/dpa/Archivbild

Ab Montag sollen die Kitas schrittweise wieder mehr Kinder betreuen - aber gibt es dazu in Corona-Zeiten genug Personal und Platz? Gewerkschaften und Kommunen haben da erhebliche Zweifel. Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) hatte die schrittweise Öffnung der Kitas angekündigt. Doch selbst der grüne Koalitionspartner bemängelte, die Ministerin habe dazu kein Konzept vorgelegt. Die angekündigte Rechtsverordnung reiche nicht.

Wegen der Corona-Pandemie gibt es derzeit in den Kitas nur eine Notbetreuung. Das soll sich ab Montag ändern. Eisenmann hatte vor einer Woche die „schrittweise Ausweitung in Richtung eines reduzierten Regelbetriebs“ angekündigt. Die wegen des Coronavirus gebotenen Abstandsregeln sollen eingehalten werden, indem man die Gruppen der zu betreuenden Kinder klein hält. Das Ministerium erklärte am Mittwoch, eine Ausweitung der Betreuung in Kitas sei wichtig, weil die Situation für viele Eltern gerade schwierig sei. Zudem sei für Kinder der Kontakt zu Gleichaltrigen wichtig.

Maximal erlaubt sein soll laut Ministerium die Hälfte der früher üblichen Gruppengröße. Es sollen höchsten 50 Prozent der Kinder jeweils gleichzeitig betreut werden können. Denkbar sei etwa, dass Kinder in festen Gruppen abwechselnd an einzelnen Wochentagen in die Kita kämen. „Gemeinsames Ziel muss sein, allen Familien und Kindern zumindest zeitweise eine Betreuung anbieten zu können.“

Die Gewerkschaft Verdi mahnte bereits vor einigen Tagen, dass diese 50-Prozent-Quote nicht um jeden Preis verfolgt werden solle. Die Sicherheitsmaßnahmen wegen Corona müssten eingehalten werden können - es müsse auch ausreichend Personal zur Verfügung stehen.

Die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Doro Moritz, hielt Eisenmann am Mittwoch vor, kein Konzept für die Betreuung von bis zu 50 Prozent der Kinder zu haben. „Seit einer Woche warten die Kitas auf klare Kriterien des Kultusministeriums, wie die Kita-Öffnungen mit Blick auf die Regeln zum Infektionsschutz umgesetzt werden sollen.“ Mehr als ein Drittel des Personals stehe in den sowieso unterbesetzten Kitas nicht zur Verfügung.

Auch der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) bezeichnete den Fahrplan zur weiteren Öffnung der Kitas als nicht durchführbar. Es seien bei Eltern Hoffnungen geweckt worden, die die Kommunen als Kita-Träger nun enttäuschen müssten. „Der schwarze Peter liegt jetzt bei uns.“ Es gebe in Tübingen zu wenig Personal, um neue Kita-Gruppen zu schaffen. Mögliche Risiko-Patienten unter den Erzieherinnen sollen nach betriebsärztlichem Rat keine Kontaktarbeit mit Kindern leisten. Dass eine Erzieherin verschiedene Gruppen betreut, hält Palmer für kontraproduktiv: „Wir würden neue Infektionsketten schaffen, wenn wir Personal in mehreren Gruppen abwechselnd einsetzen.“

Das Kultusministerium erarbeitete nach eigenen Angaben eine Vorschlag zur Änderung der Corona-Verordnung, die die Landesregierung aber noch beschließen muss. Die aktualisierte Verordnung ist dann die rechtliche Grundlage für die Umsetzung. Sie solle den Kita-Trägern auch Spielräume geben - je nachdem, wie viel Personal und Raum sie zur Betreuung zur Verfügung hätten, erklärte das Ministerium. In Regierungskreisen hieß es aber, was das Kultusministerium vorgelegt habe, sei knapp gehalten und nicht sonderlich gut vorbereitet.

Grünen-Landtagsfraktionschef Andreas Schwarz sagte der „Schwäbischen Zeitung“ (Online-Ausgabe/Mittwoch), die weitere Öffnung der Kitas für Montag sei schon lange angekündigt gewesen. Den Einrichtungen bleibe nun aber zu wenig Zeit für die Vorbereitungen. „Wichtig ist, dass es eine aktive Unterstützung der Kommunen und der Träger gibt. Es braucht eine Strategie, nicht nur eine Rechtsverordnung.“

Das Kultusministerium schaffe den Rahmen, den es mit der aktualisierten Rechtsverordnung auch geben werde, sagte ein Sprecher des Ministeriums. „Für die schrittweise Umsetzung innerhalb dieses Rahmens sind die Träger und Einrichtungen vor Ort zuständig.“ Weil die Situation vor Ort wegen räumlicher und personeller Kapazitäten unterschiedlich sei, gebe es hierfür bewusst Spielräume. Es helfe niemandem, zu enge Kriterien vorzugeben, die angesichts der Unterschiede vor Ort dann nicht umgesetzt werden könnten. Als Beispiel, dass das Kultusministerium zudem nicht für alles allein zuständig sei, nannte der Sprecher die Vorgaben für den Gesundheits- und Infektionsschutz. „Für die Kindertagesrichtungen haben der Kommunalverband Jugend und Soziales, die Unfallkasse Baden-Württemberg und das Landesgesundheitsamts Schutzhinweise entwickelt, die den Trägern hoffentlich vorliegen.“

Bei den koalitionsinternen Reibereien dürfte allerdings auch ein bisschen Wahlkampf eine Rolle spielen: Kultusministerin Eisenmann ist auch Spitzenkandidatin für die Landtagswahl im März 2021 und damit Herausforderin von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne).

Ein Mädchen spielt in einer Kita mit bunten Bechern und Bauklötzen. Foto: Uwe Anspach/dpa/Symbolbild

Ein Mädchen spielt in einer Kita mit bunten Bechern und Bauklötzen. Foto: Uwe Anspach/dpa/Symbolbild

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Erstellt:
13. Mai 2020, 13:55 Uhr

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