Fahrverbote für neuere Diesel in Stuttgart nicht vom Tisch

dpa/lsw Stuttgart. Großflächige Fahrverbote für neuere Diesel-Autos schienen in Stuttgart vom Tisch zu sein - jedenfalls erweckte die Landesregierung diesen Eindruck im April. Nun sieht die Lage wieder anders aus.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Foto: Sebastian Gollnow/Archivbild

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Foto: Sebastian Gollnow/Archivbild

Diesel-Fahrer müssen damit rechnen, dass die Fahrverbote zur Luftreinhaltung in Stuttgart doch noch ausgeweitet werden. Seit Anfang des Jahres gelten in der Landeshauptstadt bereits Einschränkungen für Diesel der Euronorm 4. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) räumte aber am Dienstag in Stuttgart ein, dass auch Verbote für Diesel der Euronorm 5 noch nicht vom Tisch sind. Sie könnten zunächst zum Jahresbeginn auf einzelnen Strecken und zum 1. Juli großflächig zumindest im Stuttgarter Kessel kommen. Die grün-schwarze Regierung stemmt sich gerichtlich gegen eine Ausweitung der Fahrverbote - ob sie damit Erfolg hat, ist allerdings offen.

Dabei hatte die grün-schwarze Regierung noch im April so etwas wie eine Entwarnung gegeben. Kretschmann sagte damals, es kämen allenfalls einzelne, streckenbezogene Verbote für Euro-5-Diesel in Betracht. Und Vize-Regierungschef Thomas Strobl (CDU) meinte im April: „Es ist jetzt klar: Kein zonales Euro-5-Verbot in Stuttgart.“

Kretschmann bestritt, dass diese Worte etwas mit der Kommunal- und Europawahl im Mai zu tun hatten. Vielmehr sei die damalige Einlassung von der Überzeugung geprägt gewesen, dass man keine weiteren großflächigen Verbote brauche. „Man sieht es an den Messstellen, dass es dramatisch runtergeht“, sagte er zur Entwicklung der Werte.

Damals war die Stimmung aufgeheizt: Fahrverbotsgegner machten mehrere Monate lang in Stuttgart mobil. Sie riefen zu Demonstrationen auf. Politiker von Grünen und CDU befürchteten, dass sich die Fahrverbote auf die Wahlergebnisse niederschlagen könnten. Zum Teil demonstrierten auch CDU-Politiker gegen Fahrverbote. Das Land brachte eine Reihe von Luftreinhaltungsmaßnahmen in Stuttgart auf den Weg.

Kretschmann verwies darauf, dass sich seit den Äußerungen vom April einiges getan hat: Die schwarz-rote Bundesregierung hoffte ursprünglich, dass Fahrverbote nur in Gebieten infrage kämen, in denen der Wert von 50 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel überschritten worden ist - der EU-Grenzwert liegt bei 40 Mikrogramm. Zwischenzeitlich entschieden Gerichte aber, dass der EU-Wert von 40 Mikrogramm ausschlaggebend ist - und den zu erreichen, ist auch an den Stuttgarter Hotspots weitaus schwieriger.

Die Deutsche Umwelthilfe hatte das Thema Fahrverbote in diversen deutschen Städten vorangetrieben. Im Februar 2018 entschied das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, dass Diesel-Fahrverbote für bessere Luft in Städten generell zulässig sind. Es hatte diese aber als letztes Mittel bezeichnet. Außerdem müsse die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben. Die Deutsche Umwelthilfe pocht auf die Umsetzung dieses Urteils. Mittlerweile droht sie sogar mit Zwangshaft der verantwortlichen Politiker. Ob das überhaupt möglich ist, dazu steht noch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg aus.

„Wir rangeln mit den Gerichten“, sagte Kretschmann. „Aber im Letzten sind wir rechtstreu.“ So kam es dann auch, dass die Landesregierung kürzlich in einem Schreiben an das Verwaltungsgericht Stuttgart doch erklärte, dass man bis Ende April 2020 über ein zonales Fahrverbot für Euro-5-Diesel in Stuttgart entscheiden will. Wenn bis dahin aufgrund der Entwicklung der Messwerte nicht gewährleistet werden könne, dass man den Grenzwert für Stickstoffdioxid im Jahresmittel einhalte, sollten Flächen-Fahrverbote für Euro-5-Diesel in den Luftreinhalteplan aufgenommen werden, heißt es darin.

Wie Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) einräumte, erwartet das Gericht eigentlich schon zum 1. Januar 2020 zonale Fahrverbote für Euro-5-Diesel in Stuttgart. „Richtig ist, es gibt eine Differenz zwischen dem, was das Gericht von uns erwartet, und dem, was wir tun. Aber wir glauben, dass wir in der Sache den Anspruch des Gerichts erfüllen.“ Das Land wolle erst alle anderen Möglichkeiten ausschöpfen, sagte Hermann - so habe es schließlich auch das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil von 2018 verlangt.

Kritiker werfen dem Land hingegen vor, auf Zeit zu spielen. Das Thema Fahrverbote hatte bereits für erhebliche Konflikte in der grün-schwarzen Koalition gesorgt. Dass diese wieder aufbrechen, hält Kretschmann nach eigenen Worten für unwahrscheinlich. Denn auch die CDU trägt die jüngste Stellungnahme an das Verwaltungsgericht mit.

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Erstellt:
17. September 2019, 16:28 Uhr

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