Ferien mit Buddelglück und Apfelbaum

Der Kreisjugendring hat sich ins Zeug gelegt, um trotz Corona eine Sommerfreizeit anbieten zu können. 23 Kinder und Jugendliche verbringen nun unter nicht ganz gewohnten Bedingungen im Freizeitheim Mettelberg ihre Auszeit – vor allem draußen.

In der Holzwerkstatt wird schwer getüftelt. Das Projekt: Gemeinsam einen Sandkasten fürs Freizeitheim bauen und installieren. Veronika Ziegler (links) leitet die Kleingruppe an. Sie unterstützt die Freizeit außer der Reihe als Schreinerin. Foto: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

In der Holzwerkstatt wird schwer getüftelt. Das Projekt: Gemeinsam einen Sandkasten fürs Freizeitheim bauen und installieren. Veronika Ziegler (links) leitet die Kleingruppe an. Sie unterstützt die Freizeit außer der Reihe als Schreinerin. Foto: J. Fiedler

Von Christine Schick

MURRHARDT. Clara sitzt im Gras. Vor ihr liegt ein kleines Brett und sie arbeitet sich mit einem Handbohrer durch das Holz. Es ist ein Baustein des Projekts, dessen sich die Holzwerkstatt annimmt: der Bau eines Sandkastens für das Freizeitheim des Kreisjugendrings (KJR) Rems-Murr in Murrhardt-Mettelberg.

„Ich finde das cool, man lernt auch neue Sachen“, sagt die Zehnjährige aus Winnenden. Beispielsweise die verschiedenen Namen der Werkzeuge wie Japansäge. Sie und ihre Eltern haben sich eine ganze Weile nach einer Freizeit umgeschaut, wurden dann beim KJR fündig. Auch beim Motto – ein Workcamp für eine nachhaltige Zukunft – geht sie mit. „Wir schauen in der Familie, dass wir weniger Plastik verwenden und das Autofahren reduzieren.“

Simone Maile, die die Freizeit leitet und von drei weiteren Betreuern unterstützt wird, sagt, dass Ökologie und Umweltschutz wichtige Themen für die Kinder und Jugendlichen seien. „Aber manchmal fehlt es an Ideen und Anstößen, was man konkret machen kann und wie sich das im Alltag umsetzen lässt“, stellt sie fest. Und mit dem Vorhaben Sandkasten für die künftigen Gäste des Freizeitheims – nicht selten Eltern mit kleineren Kindern – können die Teilnehmer sehr konkret etwas Nachhaltiges schaffen.

Veronika Ziegler und Corinna Schnabel helfen in dieser Hinsicht außer der Reihe mit, sind noch zusätzlich zum Team gestoßen. „Ich bin Schreinerin und habe schon im pädagogischen Bereich Erfahrungen gesammelt“, erzählt Veronika Ziegler. Wildnispädagogik ist für sie ein spannendes Feld und die Freizeit eine Möglichkeit, Kinder und Eltern in den nicht ganz einfachen Zeiten zu unterstützen. Dazu gehört die Anleitung beim Werkzeugeinsatz, also beispielsweise welche Technik beim Sägen hilft. Neben dem Sandkastenprojekt sollen noch Nistkästen und Vogelfutterstationen gebaut werden, auch das Material für Hochbeete liegt bereit. „Ideen haben wir genug.“

„Das ist unsere geologische Ausgrabungsstätte.“

Corinna Schnabel ist bei der Kleingruppe, die an der schon sauber umrissenen Grube für den Sandkasten sitzt. Die Mädchen haben versteinerte Holzkohle gefunden. „Das ist unsere geologische Ausgrabungsstätte“, erklärt eine junge Teilnehmerin mit einem Grinsen. Sandro kommt vorbei und zeigt eine nicht mehr auf Anhieb erkennbare Uhr, die ebenfalls beim Ausheben zutage gefördert wurde. „Was bekomm ich, wenn ich einen Dinosaurier finde?“, wird der Faden weitergesponnen. „Viel Applaus“, sagt Corinna Schnabel. Als Meisterin des Zimmererhandwerks mit Zusatzausbildung in Wildnispädagogik kann auch sie die Kinder bei der praktischen Arbeit anleiten, was ihr jenseits ihrer Lehrtätigkeit an der Berufsschule jetzt in den Ferien einfach Freude macht, sagt sie. Nicht unbedingt erwartet hat das Team, dass den Youngstern das Buddeln dermaßen Spaß macht. Auch ziemlich beliebt ist ein Apfelbaum mit einigen tief ansetzenden Ästen, auf denen es sich wunderbar klettern lässt und der ein ideales Plätzchen im Schatten zum Ausruhen ist.

Hinzu kommt an diesem Ferientag auch noch der Besuch von Katharina Schönemann und Pauline. Sie schauen als Duo vom Projekt „Outdoor inklusiv“ vorbei, das Menschen mit Behinderung und pädagogische Fachleute zusammenbringt, und haben ziemlich viel Material aufgefahren. „Wir machen hier Badekugeln“, erklärt der 13-jährige Ben. Zum Verfeinern des Mix aus Natron (Seife), Zitronensäure, Speisestärke und Kokosfett stehen auch Kräuter und Duftöle bereit. Eine Variante mit Kornblume, Rosmarin und Lavendel macht richtig was her. Luis, der heute seinen zwölften Geburtstag feiert, ist gerade dabei, seine Masse in Form zu bringen.

Eine ganz normale Sommerfreizeit ist es dennoch nicht. Der Kreisjugendring und das Betreuerteam haben sich einiges einfallen lassen, um den Schutz- und Vorsichtsmaßnahmen wegen Corona gerecht zu werden. Die 23 Kinder und Jugendlichen sind während der zehn Tage in feste Gruppen eingeteilt – für die Workshops und Stationen, bei den Zimmern und Bädern sowie beim Essen. „Sie schlafen dann auch so, dass sie in den Stockbetten nicht gegenüberliegen, sondern immer nur einer oben und unten“, erklärt Simone Maile. Lüften gehört in den Zimmern genauso dazu wie das Desinfizieren der Hände, wenn es ins Haus geht. Aber dort sind die Kinder und Jugendlichen nur zum Schlafen und Umziehen, sonst qua Konzept praktisch nur draußen. Gegessen wird an Holztischen im Garten in besagten festen Gruppen, die Mahlzeiten werden geliefert und auf der überdachten Terrasse inklusive Handwaschstation ausgegeben.

Bei den heißen Temperaturen ist es wichtig, viel zu trinken. „Die Flaschen sind mit dem Namen beschriftet“, sagt Simone Maile. Spielsachen und Werkzeuge werden nach dem Gebrauch in extra Kisten gesammelt und desinfiziert. Ein Teammitglied kümmert sich regelmäßig um die Desinfektion im Haus beispielsweise auch von Lichtschaltern und Geländer. Neben einer generellen Einweisung für die jungen Teilnehmer kommen auch Hinweise wie keine Sachen herumliegen zu lassen oder sich möglichst nicht ins Gesicht zu fassen. Schilder im Haus erinnern an verschiedene Punkte. Insgesamt ein erheblicher Mehraufwand.

„Ich finde es ganz toll, wie sich unsere Schützlinge an die Regeln halten. Sie haben viel Verständnis für die Situation“, sagt Jan Hutzenlaub vom Team des Kreisjugendrings. Auch wenn Sport mit Körperkontakt tabu und ein Schwimmbadbesuch nicht möglich ist, machen alle das Beste aus der Situation – beispielsweise mit kleineren Touren, auch wegen der Hitze, in der unmittelbaren Umgebung von Mettelberg.

Im Ort und auf einer Wald- und Wiesenexkursion waren sie schon, inklusive der Bestimmung einiger Bäume, Kräuter und Gräser sowie einer Begegnung mit Erdkröten. Jan findet es gar nicht so schlecht, dass es im Gegensatz zum vergangenen Jahr weniger Teilnehmer bei der Freizeit sind. „Das ist ja auch für die Betreuer schwer mit den ganzen Regeln“,sagt der Elfjährige verständnisvoll. Trotzdem könne man viel machen – und draußen eben ohne Maske.

Freizeiten im Coronajahr 2020

Die Coronapandemie hat sich spürbar auf das Angebot an Jugendfreizeiten in diesem Jahr ausgewirkt. Wird es wohl möglich sein, mehrtägige Camps zu veranstalten, bei denen in Hütten oder Zelten gemeinsam übernachtet wird? Und wenn ja: unter welchen Bedingungen? Diese Frage stellten sich viele Anbieter, als Mitte März der Lockdown kam.

Freizeiten über die Zeit der Oster- und der Pfingstferien? Die Rahmenbedingungen standen dem entgegen. Reihenweise mussten Veranstalter ihre Pläne begraben. Betroffen waren beispielsweise die Pfadfinder mit ihren traditionellen Pfingstlagern. Aber auch Initiatoren aus den Kirchengemeinden kamen nicht umhin, die Segel zu streichen. Ein Beispiel ist das Zeltlager für Jungschar und Kinderkirche der evangelischen Kirchengemeinde Sachsenweiler-Steinbach in Backnang in den Pfingstferien, das sich stets großer Beliebtheit erfreute.

Für die Sommerferien waren nach einer Aufstellung des Kreisjugendamts, Stand März, kreisweit rund 60 mehrtägige Freizeiten geplant, von der Sportwoche über das Tenniscamp bis zur Kanufreizeit, darunter auch einige Stadtranderholungen ohne Übernachtung. Andere Unternehmungen sollten ins Ausland führen – nach Schweden, Frankreich, Holland oder Italien.

Davon sind am Ende noch gut 40 Angebote übrig geblieben, wie Jessica Wallmeier vom Kreisjugendreferat eruiert hat. Klar: Stand heute ließe sich manches realisieren – das war aber vor zwei, drei Monaten, als die Anbieter sich entscheiden mussten: hopp oder topp, noch völlig unklar.

Jessica Wallmeiers Blitzumfrage hat gezeigt, dass bei den Organisatoren viele kluge Köpfe unterwegs sind. Sie setzen jetzt auf Programme mit festen Kleingruppen, verzichten meist auf Ausflüge und machen, was vor Ort geht: malen, basteln, spielen, klettern. Für die ausgefallenen Zeltlager haben sich Anbieter wie CVJM und Pfadfinder um Alternativen ohne Übernachtungen gekümmert.

Das Evangelische Jugendwerk Backnang hat mit den EJW getaway days eine Alternative zu den Freizeiten geschaffen: In der Zeit, in der das Jugendcamp und das Jungscharlager stattgefunden hätten, gab es, so Jugendreferent Tobias Schaller, fast 30 einzelne Tagesangebote und Aktionen für Kinder und Jugendliche, an denen diese tageweise teilnehmen und in kleinen Gruppen miteinander etwas erleben konnten, zum Beispiel Wander- und Radtouren für Kinder und Jugendliche, Kreativ-Workshops, Stand-Up-Paddling auf dem Neckar oder eine Schatzsuche. Insgesamt waren die Betreuer mit 120 Kindern und Jugendlichen unterwegs.

Innerhalb der Kleingruppen muss und kann der Mindestabstand nicht eingehalten werden. Durch die feste Zuordnung zu den Gruppen können Infektionsketten im Bedarfsfall zurückverfolgt werden.

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Erstellt:
20. August 2020, 06:00 Uhr

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