Folgt auf die letzte Abstimmung die allerletzte?

Premierministerin May scheitert im Unterhaus erneut mit Brexit-Deal – knapper als das letzte Mal

Es hat wieder nicht gereicht. Nachdem Premierministerin Theresa May mit ihrem Brexit-Deal im Parlament erneut aufgelaufen ist, will nun die EU bis 12. April wissen, wie es weitergeht.

London Zum dritten Mal hat sich das britische Parlament geweigert, Theresa Mays Vertrag zur Abkoppelung von der EU seine Zustimmung zu geben. Auf einer kurzfristig anberaumten Sondersitzung des Unterhauses stimmten am Freitag 344 Abgeordnete gegen und 286 für Mays Brexit-Deal. Damit war das Ergebnis knapper als bei den Abstimmungen von Ende Januar und Mitte März, bei denen der Deal mit 432 zu 202 Stimmen beziehungsweise mit 391 zu 242 Stimmen abgelehnt wurde.

Viele Brexiteers, die anfangs noch gegen den Deal gestimmt hatten, unterstützten diesmal widerwillig die Regierung – teils aus Angst davor, dass es am Ende zu gar keinem Brexit kommen könnte, und teils in der Hoffnung, dass sie nach Verabschiedung des Vertrags unter neuer Führung einen härteren Kurs einschlagen könnten, da May für diesen Fall ihren Rücktritt angekündigt hatte. Ex-Außenminister Boris Johnson und die früheren Brexit-Minister David Davis und Dominic Raab stimmten erstmals für den Deal, den Johnson noch vor Kurzem „eine Selbstmord-Weste“ genannt hatte, die Brüssel nach Belieben zünden könne.

Andere Brexiteers hatten immer wieder erklärt, Mays Deal mache das Vereinigte Königreich zu einem „Vasallenstaat“. Eine Kerngruppe kompromissloser Tory-Hard­liner, eine kleine Zahl konservativer Proeuropäer und fast die gesamte Opposition lehnten den Deal allerdings wieder ab. Auch die zehn Abgeordneten der nordirischen Unionisten-Partei DUP stimmten gegen May. Damit bleibt zunächst unklar, wie es weitergeht in London.

Die EU will ja vor dem 12. April wissen, ob Großbritannien einen neuen Kurs einzuschlagen plant in Sachen Brexit und bereit wäre, sich an den Europawahlen im Mai zu beteiligen. In einem solchen Fall könnten die Briten möglicherweise noch bis ins nächste Jahr hinein EU-Mitglied bleiben. Dem müssten allerdings alle 27 EU-Partner ihre Zustimmung geben. Ein EU-Gipfel, der dies klären soll, ist für den 10. April einberufen worden. Die Möglichkeit eines späten Kurswechsels wollten sich die Gegner des May-Deals – und vor allem die Befürworter weiterer enger Verbindung zu Europa – gestern jedenfalls offenhalten.

Auf der parlamentarischen Tagesordnung stehen jetzt neue Abstimmungen über mögliche Alternativlösungen am kommenden Montag im Unterhaus. Die Initiatoren dieser Abstimmungen, die gegen den Willen der Regierung stattfinden, hoffen, sich noch auf das Modell eines „weicheren“ Brexits, mit britischem Verbleib in Binnenmarkt oder Zollunion oder beidem, einigen zu können. Auch um die Frage eines erneuten Referendums wird weiter gerungen unter den und innerhalb der Parteien.

May hatte gehofft, solche Bemühungen zu unterlaufen. Dagegen hatte die oppositionelle Labour Party scharf protestiert. Labour hatte der Regierung vorgeworfen, das Parlament durch „infame Tricks“ in eine politische Sackgasse zu dirigieren. Sie habe das Unterhaus vor die Wahl stellen wollen, „blind“ ihrem Deal zu folgen und sich einer künftigen „Boris-Johnson-Regierung“ auszuliefern – oder aber im Mai vor einem No-Deal-Brexit zu stehen. Die Premierministerin hatte erwidert, sie betrachte die Abstimmung am Freitag als „letzte Chance, für den Brexit zu stimmen“. Nur ihr Deal „garantiere“ den britischen Austritt aus der EU.

Nach Bekanntgabe des Resultats ließ sie zunächst offen, ob sie ein viertes Mal versuchen würde, den Austrittsvertrag durchzudrücken. Die Oppositionsparteien forderten sie zum unverzüglichen Rücktritt und zu Neuwahlen auf. Ob May nun bleibt oder geht, war am Freitag ebenfalls noch unklar. Sie hatte sich ja zum Rücktritt in diesem Sommer bereit erklärt, falls sie ihren Deal unter Dach und Fach brächte. Da ihr dies nicht gelang, weiß niemand, ob sie nun erst einmal weiter im Amt bleiben will und es auch könnte. Mehrere Bewerber für die Nachfolge laufen sich schon warm.

Vor dem Palast von Westminster drängten sich unterdessen am Freitagnachmittag Scharen von Demonstranten, die klagten, an einem Tag, der immer als „Brexit-Tag“ galt, hätte das Parlament „nicht gegen Brexit stimmen“ dürfen. An der Spitze einer Pro-Brexit-Gruppe, die vor zwei Wochen unterm Banner „Leave means Leave“ (Austritt bedeutet Austritt) in der nordenglischen Stadt Sunderland aufgebrochen war, zog auch der frühere Ukip-Vorsitzende Nigel Farage am Freitag vorm Parlament auf.

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Erstellt:
3. April 2019, 14:18 Uhr

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