Baden-Württemberg

Fragen und Antworten zur Palantir-Software für die Polizei

Die Polizei kauft für viel Geld eine umstrittene Software ein, die sie noch gar nicht nutzen darf – das stößt nicht nur der Opposition übel auf.

Es gibt Zoff um die Palantir-Software.

© Uwe Anspach/dpa/Uwe Anspach

Es gibt Zoff um die Palantir-Software.

Von red/dpa/lsw

Das Unternehmen Palantir ist in aller Munde. Es geht um den Kampf gegen das Verbrechen, um Datenberge und um einen sehr mächtigen Fan von Donald Trump. In Baden-Württemberg spitzt sich die Debatte über die neue Datenanalyse-Software aus den USA nun zu - bis hin zum handfesten Koalitionsstreit. 

Was ist passiert?

Die Polizei in Baden-Württemberg hat einen Vertrag über fünf Jahre mit dem US-Unternehmen Palantir abgeschlossen, um deren Analyse-Software „Gotham“ zu nutzen. Kostenpunkt über den Zeitraum: rund 25 Millionen Euro. Das Problem: Noch fehlt die gesetzliche Grundlage für den Einsatz. Auch Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen setzen auf die Software – sie haben ihre Polizeigesetze aber entsprechend angepasst.

Warum ist das brisant?

Weil die Regierung die Software schon gekauft hat, bevor die Polizei sie überhaupt nutzen darf. Eine Änderung des Polizeigesetzes ist dafür nötig. Das sorgt für politischen Streit – selbst innerhalb der grün-schwarzen Koalition. Der Grünen-Innenpolitiker Oliver Hildenbrand kritisiert, dass es noch keine rechtliche Grundlage für die Datenauswertung gibt. Er blickt generell sehr kritisch auf die Software, sprach bereits von einem „Palantir-Desaster“. Die SPD spricht von einem „Autokauf ohne Führerschein“. 

Warum hat das Land den Vertrag trotzdem unterschrieben?

Laut Innenstaatssekretär Thomas Blenke (CDU) hätte sich der Preis verdoppelt, wenn man den Vertrag nicht bereits im März unterschrieben hätte. Außerdem sei man sich in der Regierung einig, dass die Polizei eine Analyse-Software benötige. Palantir sei derzeit der einzige geeignete Anbieter auf dem Markt. Das Innenministerium betont immer wieder, dass die Software sicher sei. 

Wofür wird „Gotham“ genau genutzt?

Die Software wurde speziell für Sicherheitsbehörden entwickelt und wird von Geheimdiensten, Militär und Polizei genutzt. Die Ermittler kämpfen mit immer größeren Datenbergen. Mit „Gotham“ können Millionen Daten aus verschiedenen Quellen ausgewertet und verknüpft werden. Das Programm hat dabei nur Zugriff auf Informationen, die die Polizei ohnehin schon gesammelt hat. Viele Menschen, von denen dort Daten erfasst sind, sind aber keine Verdächtigen - sondern Zeugen, Opfer oder Auskunftspersonen.

Aus Polizeidatenbanken und Überwachungsmaterial können so automatisiert Zusammenhänge zwischen Personen, Orten und Ereignissen aufgedeckt werden. Ziel ist, die Ermittler schneller und effizienter zu machen im Kampf gegen Terroristen und andere Kriminelle. 

Wer steht hinter der Software?

Das Unternehmen Palantir, welches 2003 in den USA gegründet wurde – unter anderem von Tech-Milliardär Peter Thiel. Er ist bekannt für seine libertären und rechtskonservativen Positionen, seine Nähe zu Donald Trump und seine Kritik an liberalen Demokratien. In Europa sehen viele Thiel deshalb kritisch – ebenso wie die Idee, sicherheitsrelevante Infrastruktur von US-Unternehmen abhängig zu machen. Thiel halte heute aber nur noch etwa sieben Prozent am Unternehmen, sagt das baden-württembergische Innenministerium.

Wie hilfreich ist die Software für die Polizei im Alltag?

In Bayern allein nutzte die Polizei die Software laut Landeskriminalamt seit Anfang September 97 Mal - in welchen Fällen wollte ein LKA-Sprecher auf Nachfrage nicht sagen. Rund 200 dafür geschulte Analysten arbeiteten mit der Plattform. Anfragen, für die Beamte früher teils mehrere Tage benötigten, seien nun „nach wenigen Minuten“ erledigt. Der Sprecher bezeichnete die Software als ideales Werkzeug für die Polizei. 

Auch die Ermittler in NRW sind zufrieden. Die Software spielte laut Innenministerium bei einigen Fällen der Vergangenheit eine zentrale Rolle. So soll „Gotham“ etwa allein anhand eines Spitznamens und einer Telefonnummer mit gefälschten Besitzerdaten die Identität eines Mannes aufgedeckt haben, der ein 13-jähriges Mädchen missbraucht haben soll.

Was sagen Datenschützer?

Datenschützer äußerten wiederholt die Sorge, dass Polizei-Daten in die USA abfließen könnten. Das Fraunhofer Institut für Sichere Informationstechnologie prüfte allerdings den Quellcode der Software - und fand keine Hinweise auf versteckte Hintertüren. Trotzdem warnen Datenschützer vor einer ausufernden Sammlung und Verknüpfung von Daten und einer Gefährdung von Persönlichkeitsrechten. Die Linke in Sachsen-Anhalt nannte die Software kürzlich eine „reine Datenkrake“. 

Der Verein Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) hat nun eine Verfassungsbeschwerde gegen den Einsatz des Programms in Bayern eingelegt. Die massenhafte Auswertung von Daten verletze das Grundrecht, über die eigenen Daten zu bestimmen, und das Fernmeldegeheimnis, argumentieren die Beschwerdeführer.

Das Unternehmen versichert, selbst keine Daten zu sammeln, zu verkaufen oder für eigene Zwecke zu verarbeiten. 

Wie geht es jetzt weiter?

Die Landesregierung in Baden-Württemberg bereite eine Änderung des Polizeigesetzes vor, um den Einsatz der Software zu ermöglichen, kündigte Staatssekretär Blenke an. Bis dahin darf „Gotham“ nicht aktiv zur Datenanalyse genutzt werden. Die Implementierung, so ist aus dem Innenministerium in Stuttgart zu hören, werde wohl eine Weile dauern. Die Bayern hätten dafür drei Jahre gebraucht. Das Unternehmen selbst schreibt hingegen, dass nach Abschluss aller rechtlichen und technischen Vorbereitungen eine erste betriebsfähige Version in der Regel bereits nach wenigen Wochen bereitgestellt werden könne.

Sicher ist: Ab Herbst muss das Land schon an Palantir zahlen. Eine Ausstiegsklausel für den Fall, dass doch keine politische Mehrheit zustande kommt, gibt es nicht.

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Erstellt:
24. Juli 2025, 15:26 Uhr
Aktualisiert:
25. Juli 2025, 10:27 Uhr

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