Freund des Angeklagten stürmt aus Gerichtssaal

Videosequenzen der Vernehmung des Mannes, der zwei Menschen in Allmersbach getötet haben soll, belegen Tötungsabsicht.

Der Prozess um den Mordfall in Allmersbach im Tal am Stuttgarter Landgericht geht weiter. Archivfoto: A. Becher

© Alexander Becher

Der Prozess um den Mordfall in Allmersbach im Tal am Stuttgarter Landgericht geht weiter. Archivfoto: A. Becher

Von Bernhard Romanowski

ALLMERSBACH IM TAL/STUTTGART. Die Gleichgültigkeit und die Kälte seines Gegenübers sind dem Kriminaloberkommissar besonders im Gedächtnis geblieben, wie er gestern im Landgericht sagte. Der Waiblinger Beamte hatte am 21. Juni des vergangenen Jahres die Erstvernehmung des Mannes aus Mundelsheim geführt, der sich selbst gestellt hatte und sich nun am Stuttgarter Landgericht für die beiden Morde in Allmersbach im Tal verantworten muss. Auch die lockere Körperhaltung des Beschuldigten, während dieser die Taten in der Waiblinger Wache schilderte, stand dem Beamten noch deutlich vor Augen.

Ob er der Mundelsheimer denn keine Emotionen gezeigt oder Tränen vergossen habe, wollte Peter Winckler, der psychiatrische Gutachter, von dem Kripomann wissen. „Nur wenn es um ihn selbst ging. Er bemitleidete immer wieder sich selbst“, erwiderte dieser. Der Verteidiger des Angeklagten wollte indessen wissen, ob es irgendeinen Beweis gebe, dass der Angeklagte sich in jener Juninacht 2020 tatsächlich auf den Weg nach Gaildorf gemacht und vor der Tür seiner Frau gestanden hatte, mit der er zwei Kinder hat, die aber getrennt von ihm lebt und die er – seinen Sprachnachrichten an verschiedene Adressaten zufolge – damals im Anschluss an die Bluttaten in Allmersbach „erlösen“, also ebenfalls töten wollte. Diese Beweise gebe es nicht, räumte der Beamte ein. Er konnte derweil Fakten zu der Frage liefern, ob der Angeklagte die Taten unter Alkohol- oder Drogeneinfluss beging. Keine dieser Substanzen konnte im Körper des Mundelsheimers nachgewiesen werden, so der Hauptsachbearbeiter der Einsatzgruppe Wacholder, die damals zur Aufklärung der Allmersbacher Bluttat gebildet worden war. Auch zwei Videosequenzen von der Vernehmung wurden gestern gezeigt.

Darin schildert der Mundelsheimer, wie er in der Tatnacht mit seiner 41-jährigen Ex-Freundin in Allmersbach in Streit geriet, in dessen Verlauf er ein Kantholz aus seinem Auto holte, mit dem er die Allmersbacherin traktierte, um ihr anschließend mit einem langen Küchenmesser den Hals durchzuschneiden. In dem Video schildert er auch, wie er danach die neunjährige Tochter der Frau, die zu dem Zeitpunkt schlafend im Bett lag, auf die gleiche Weise umbrachte. Er sagte in der Vernehmung ganz klar, dass er die beiden töten und dabei ganz sicher gehen wollte, damit sie nicht als „Pflegefälle oder Halbtote“ enden. Allerdings habe er nicht mit einer solchen Menge Blut und mit dem Umstand gerechnet, dass sich die Frau so massiv wehren würde. „Also, die Frau hat eine Power, das ist brutal“, hört man ihn in der Vernehmung sagen.

Um sich ein genaueres Bild von der Persönlichkeit des Angeklagten und dessen Leben im Vorfeld der Tat machen zu können, war für gestern auch eine Frau aus Ludwigsburg als Zeugin vor Gericht geladen worden. Als Bademeisterin in einer Schwimmanstalt, die der Angeklagte seinerzeit häufiger aufsuchte, war sie ihm näher gekommen. Sie wurden ein Paar. Ihr gegenüber soll der Mundelsheimer häufiger über seine in Trennung lebende Frau, vor allem aber über seinen Chef geschimpft haben, der ihm wohl des Öfteren fehlende Ordnung und Sauberkeit vorhielt, und dem er infolgedessen „am liebsten eine Eisenstange übergezogen“ hätte, wie die Zeugin ihn zitierte.

Die Zeugin war es auch, die dem Angeklagten 2018 zu einer professionellen Behandlung aufgrund seiner offenkundigen Überlastung geraten hatte: „Er war gedanklich überall und nirgends und es ist keine Schande, sich eine Auszeit zu nehmen“, so die Zeugin gestern, die sich dann auch um einen Therapieplatz in einer Heilbronner Klinik kümmerte, wozu der Mann selber nicht in der Lage gewesen sei. „Er musste an die Hand genommen werden“, schilderte es die Frau, die ihn auch regelmäßig in der Klinik besuchte, in der er sich über einen Monat aufhielt.

Er sei nach dem Klinikaufenthalt, entgegen seiner sonstigen Art, sehr ruhig gewesen und sie nahm ihn bei sich auf. Dann, als seine in Trennung lebende Frau mit den gemeinsamen Kindern nach Magdeburg zog, veränderte sich die Beziehung, wie die Frau berichtete. Es gab oft Streit. Er flippte mitunter wegen Nichtigkeiten aus. Sie war zwischenzeitlich so entnervt von seiner Nörgelei, dass sie ihre gesamte Wohnungseinrichtung wegwarf. Er nannte sie häufiger „dumm und behindert“, wenn sie etwas nicht in seinem Sinne machte, drohte ihr mindestens einmal verbal mit Gewalt. Sogar ihre Katze soll er öfter für mehr als anzügliche Spielchen missbraucht haben. „Er wollte mich damit verletzen, weil ich so an dem Tier hänge“, so die Zeugin. Nachdem sie ihn rausgeworfen hatte, weil er sich für eine andere Frau begeisterte, soll er auch körperlich übergriffig geworden sein, weil er Sex wollte, so die Zeugin.

Einen Auftritt ganz eigener Art lieferte gestern ein Zeuge aus Mundelsheim, der dem Angeklagten seit mindestens zehn Jahren freundschaftlich verbunden ist. Er war beim vorigen Prozesstag nicht erschienen, wofür Norbert Winkelmann als vorsitzender Richter der 19. Großen Strafkammer des Landgerichts Stuttgart ein Ordnungsgeld in Höhe von 300 Euro gegen ihn verhängt hatte. Der Mann tat erst so, als käme er mit dem Mikrofon der Tonanlage am Zeugenstand nicht zurecht und knauserte anschließend mit Worten. In der polizeilichen Vernehmung vom vergangenen Jahr war er offenkundig gesprächiger gewesen. Richter Winkelmann musste ihm mit Donnerhall in der Stimme erst harte Konsequenzen ankündigen, bevor der Zeuge sich etwas besser zu erinnern begann. Nach seiner Entlassung aus dem Zeugenstand stürmte der Mann dann geradezu aus dem Saal.

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Erstellt:
19. Februar 2021, 06:00 Uhr

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