Gefräßiges Tier trifft geschwächte Bäume

Waldbesitzer müssen den Borkenkäfer in Schach halten – Jürgen Baumann vom Forstamt warnt: Sturmholz ist wie ein Festmahl

In den kommenden Wochen werden dieWeichen im Wald gestellt. Wenn es gelingt, die erste Generation der Borkenkäfer und anderer Schädlinge zu dezimieren, kann man Fichte, Tanne, Buche und Co. vor größeren Schäden bewahren. Worauf es dabei ankommt, erläuterte Jürgen Baumann vom Forstamt bei einem Vor-Ort-Termin im Wald.

Unter der Rinde einer Fichte findet Jürgen Baumann die Übeltäter. Fotos: J. Fiedler

© Alexander Becher

Unter der Rinde einer Fichte findet Jürgen Baumann die Übeltäter. Fotos: J. Fiedler

Von Annette Hohnerlein

GROSSERLACH. Jürgen Baumann hat einen Borkenkäfer auf frischer Tat ertappt. Als er ein Stück Rinde von einer Fichte ablöst, die am Wegrand liegt, sieht man das kleine schwarze Tierchen, das gerade dabei ist, einen Gang in die Rinde des Baumes zu bohren.

Baumann ist im Geschäftsbereich Forst beim Landratsamt für den Privatwald zuständig. Er deutet auf die vielen Stämme, die in dem Waldstück in der Nähe von Großerlach kreuz und quer übereinanderliegen: „Das hier ist ein Rostbraten für den Borkenkäfer.“

Verantwortlich für den gedeckten Tisch in den Wäldern ist das Sturmtief Sabine, das am 9. und 10. Februar über Deutschland hinwegbrauste. Die umgestürzten Bäume und abgebrochenen Äste bieten dem Borkenkäfer ideale Bedingungen für seinen Nachwuchs. Wenn das Sturmholz nicht rechtzeitig entfernt wird, vermehren sich die Tiere explosionsartig und befallen, wenn sie am Boden kein Holz mehr vorfinden, auch stehende Bäume. Ihre Larven fressen unzählige Gänge in die Rinde und unterbrechen damit den Saftstrom des Baumes, er stirbt ab.

Viele Käfer haben den milden Winter überlebt

Ein gesunder Baum kann sich zwar gegen den Eindringling wehren, indem er Harz absondert und den Käfer damit tötet. Viele Bäume leiden jedoch immer noch unter den Folgen der Trockenheit in den letzten Jahren und haben wenig Abwehrkräfte. Dazu kommt, dass besonders viele Käfer den letzten Winter mit seinen milden Temperaturen überlebt haben. „Wir haben viele vom letzten Jahr mit rüber genommen“, erklärt Jürgen Baumann. Und die Borkenkäfer sind schlau und gut vernetzt. Wenn einer einen Stamm erfolgreich angebohrt hat, teilt er durch das Absondern von Duftstoffen seinen Artgenossen mit: „Kommt alle her, hier gibt es was zu holen.“ Wenn aber irgendwann der Baum vollkommen mit Käfern besiedelt ist, geht die Nachricht raus: „Baum voll, nicht mehr anbohren.“

In den nächsten Wochen entwickelt sich die erste Käfergeneration dieses Jahres. Deshalb muss so schnell wie möglich das Sturmholz aus dem Wald entfernt werden, sonst fallen viele Fichten, Tannen, Buchen und andere Baumarten den Schädlingen zum Opfer.

Wie wichtig ein rechtzeitiges Eingreifen ist, verdeutlicht Baumann an einem Beispiel: Aus einem einzigen Borkenkäferpaar, das eine Fichte befallen hat, können sich im Lauf von drei Generationen so viele Nachkommen entwickeln, dass 8000 Bäume befallen werden. Baumann weist die privaten Waldbesitzer, die oft keine Profis sind, auf die Gefahren bei der Aufarbeitung hin. „Sturmholz ist gefährlich, denn die umgefallenen Stämme stehen oft unter Spannung. Man sollte auf keinen Fall alleine im Wald arbeiten“, warnt der Experte.

Im Rems-Murr-Kreis gibt es mehr als 8500 private Waldbesitzer. Über 90 Prozent von ihnen halten ihren Wald in Ordnung und arbeiten das Holz auf. Das Problem sind die restlichen fünf bis zehn Prozent. Manche wohnen weit entfernt und haben kein Interesse an ihrem Eigentum. Baumann plädiert in diesem Zusammenhang für nachbarschaftliche Zusammenarbeit unter den Waldbesitzern: „Davon profitieren alle, denn die Käfer machen nicht an den Grenzen halt.“

Doch auch wenn die Waldbesitzer das bruttaugliche Material konsequent entfernt haben, müssen sie in den folgenden Monaten kontrollieren, ob nicht doch einzelne Bäume von Käfern befallen sind. Anzeichen sind Bohrmehl und Harztropfen an den Stämmen, absterbende Kronen und abfallende Nadeln.

Die Ausbreitung verschiedener Käferarten hat in den letzten Jahren dazu geführt, dass die Menge an Insektenholz gestiegen und der Holzpreis gleichzeitig gefallen ist. Das führt dazu, dass die Waldbesitzer oft drauflegen müssen, wenn sie, wie empfohlen, die sogenannte „saubere Waldwirtschaft“ betreiben. Um hier einen Anreiz zu schaffen, plant das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, die Aufarbeitungsprämie für Schadholz von drei auf fünf Euro pro Festmeter zu erhöhen.

Klein, aber gefräßig: Der Borkenkäfer richtet an Bäumen großen Schaden an.

© Alexander Becher

Klein, aber gefräßig: Der Borkenkäfer richtet an Bäumen großen Schaden an.

Info

Das Landratsamt Rems-Murr bietet eine kostenlose Beratung für Waldbesitzer durch die zuständigen Revierleiter an: www.rems-murr-kreis.de/bauen-umwelt-verkehr/forst/forstreviere-im-kreis

Die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg hat eine Waldschutzinformation zum Borkenkäfer-Management herausgegeben: www.fva-bw.de/themen/waldschutz

Das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz hat auf seiner Homepage einen Förderwegweiser: www.foerderung.landwirtschaftbw.de/pb/MLR.Foerderung,Lde/Startseite/Foerderwegweiser

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Erstellt:
28. April 2020, 11:30 Uhr

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