Viereinhalb Jahre Haft für Windreich-Firmengründer Balz

dpa/lsw Stuttgart. Mehr als sieben Jahre sind seit der Insolvenz des einst schillernden Windpark-Entwicklers inzwischen vergangen. Jetzt ist im Prozess gegen den Unternehmensgründer ein Urteil gefallen.

Willi Balz (r), Gründer des Energie-Unternehmens Windreich AG, steht zum Auftakt des Prozesses um die Insolvenz des Windpark-Projektentwicklers Windreich im Gerichtssaal. Foto: Fabian Sommer/dpa/Archiv

Willi Balz (r), Gründer des Energie-Unternehmens Windreich AG, steht zum Auftakt des Prozesses um die Insolvenz des Windpark-Projektentwicklers Windreich im Gerichtssaal. Foto: Fabian Sommer/dpa/Archiv

Im Strafprozess um die Insolvenz des Windpark-Entwicklers Windreich ist Unternehmensgründer Willi Balz zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Nach mehr als 70 Verhandlungstagen sah es das Landgericht Stuttgart bei seinem Urteilsspruch am Mittwoch als erwiesen an, dass Balz sich als alleiniger Gesellschafter der Windreich-Gruppe zwischen Ende 2011 und Ende 2013 der vorsätzlichen Insolvenzverschleppung, des Betrugs, der Untreue, der veruntreuenden Unterschlagung und des Insiderhandels schuldigt gemacht hat.

Mit Blick auf fast 15 Prozess-Monate und mehr als 50 angehörte Zeugen im Hauptverfahren sagte der Vorsitzende Richter Alexander Stuckert, man habe gut erkennen können, „wie sehr der unternehmerische Horizont in der Windreich-Gruppe von Möglichkeiten und Wunschdenken und wie wenig er von den Realitäten bestimmt“ gewesen sei. Obwohl Balz frühzeitig um die drohende Zahlungsunfähigkeit seiner Unternehmensgruppe gewusst habe, habe er dies geheim gehalten und daraufhin Privatleute, Unternehmen und Banken geschädigt. Den Vorwurf der Bilanzmanipulation ließ das Gericht allerdings fallen.

Ungeachtet dessen habe der Angeklagte zwischen 2011 und 2013 „auf seinem Streifzug durch das breite Spektrum des Insolvenzstrafrechts wenig ausgelassen“, bilanzierte Stuckert. Er warf Balz vor, in dem im August 2019 begonnenen Strafverfahren zahlreiche „Nebelkerzen“ gezündet zu haben, um vom tatsächlichen Geschehen abzulenken.

Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Die Verteidiger von Balz, die ursprünglich einen Freispruch für ihren Mandanten gefordert hatten, kündigten umgehend an, Revision beim Bundesgerichtshof einlegen zu wollen. Bei einer Revision wird das Urteil lediglich auf Rechtsfehler überprüft, die Umstände eines Falles werden im Grundsatz nicht noch einmal untersucht.

Balz-Anwalt Alexander Schork bezeichnete das Urteil als „Schlag in das Gesicht für alle Unternehmer, die versuchen, unser Land mit Visionen und Ideen voranzubringen“. Ins Gefängnis muss der 60-jährige Balz allerdings erst, wenn das Urteil rechtskräftig ist - Untersuchungshaft ist für den laut Gericht inzwischen wirtschaftlich ruinierten Ex-Geschäftsmann nicht vorgesehen.

Windreich mit Sitz in Wolfschlugen im Kreis Esslingen hatte sich auf Windkraftanlagen an Land und auf hoher See spezialisiert und im September 2013 Insolvenz angemeldet.

Das Gericht schloss sich der Sichtweise der Anklage an, dass die Unternehmensgruppe schon sehr viel früher zahlungsunfähig gewesen sei - spätestens im April 2012, wie Richter Stuckert sagte. Dennoch habe Balz den Konzern auch danach „ganz bewusst am finanzwirtschaftlichen Abgrund entlang weitergeführt“. Er habe nicht nur die Insolvenz verschleppt, sondern in diesem Zusammenhang weitere Straftaten begangen - beispielsweise Kreditgeber um mehrere Millionen Euro betrogen und diesen im Gegenzug wirtschaftlich eigentlich wertlose Sicherheiten gewährt. Zudem habe Balz etwa einen Maserati-Rennwagen für 6,2 Millionen Euro verkauft, obwohl dieser bei einer Bank als Sicherheit für ein Darlehen diente.

Beim Strafmaß blieb die Wirtschaftsstrafkammer nur geringfügig unter der Forderung der Staatsanwaltschaft, die für Balz fünf Jahre und drei Monate Haft beantragt hatte. Staatsanwalt Heiko Wagenpfeil bezeichnete das Urteil dennoch als „ausgewogen“ und warf der Verteidigung vor, im Prozess versucht zu haben, die „Legende einer Verschwörung gegen Windreich“ zu erzählen. „Mit dieser Legende hat das Gericht mit deutlichen Worten aufgeräumt“, befand er. Richter Stuckert betonte, Balz habe in dem Prozess „vergeblich versucht, die Geschichte des Windreich-Konzerns neu und in seinem Sinne zu schreiben“. Das Konjunktiv sei Balz' zentrales sprachliches Element gewesen. „Er hat viel geredet, aber wenig gesagt.“

Ursprünglich waren acht Personen in dem Prozess angeklagt. Gegen sieben von ihnen wurde das im August 2019 begonnene Verfahren im Laufe der Zeit eingestellt. Übrig blieb nur Balz, der einst als Pionier für Windkraftanlagen zur Stromerzeugung auf dem Meer galt.

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Erstellt:
2. Dezember 2020, 03:03 Uhr

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