Geständnis zum Prozessauftakt

In der Neuauflage des Mordprozesses gegen Daniel E. räumt dieser erstmals ein, seine ehemalige Lebensgefährtin Katharina K. getötet zu haben. Er gibt an, regelmäßig Aufputschmittel und Kokain konsumiert zu haben.

Im ersten Prozess am Stuttgarter Landgericht erhielt Daniel E. die Höchststrafe wegen Mordes. Sein Anwalt Thomas Raich hofft nun, dass die Richter dieses Mal auf Totschlag entscheiden. Archivbild: A. Becher

© Pressefotografie Alexander Beche

Im ersten Prozess am Stuttgarter Landgericht erhielt Daniel E. die Höchststrafe wegen Mordes. Sein Anwalt Thomas Raich hofft nun, dass die Richter dieses Mal auf Totschlag entscheiden. Archivbild: A. Becher

Von Lorena Greppo

BACKNANG/STUTTGART. Bis zuletzt hatte Daniel E. im Prozess um den Mord an der 22-jährigen Backnangerin Katharina K. behauptet, ein anderer habe die junge Mutter umgebracht, während er auf die beiden Söhne der jungen Frau aufgepasst habe. Die Richter glaubten ihm nicht und verurteilten den damals 25-Jährigen im Dezember 2018 zu lebenslanger Haft. Dieses Urteil wurde im Nachgang vom Bundesgerichtshof teilweise aufgehoben – wegen eines Formfehlers.. Das Motiv der Tat, das laut Gericht die niedrigen Beweggründe des Angeklagten untermauerte, wurde im Urteil anders dargestellt als noch in der Anklage. Darauf hätten die Richter den Angeklagten förmlich hinweisen müssen. Da sie dies versäumt hatten, wird der Prozess nun am Landgericht neu aufgerollt (wir berichteten).

Das äußere Geschehen, so der BGH, sei aber hinreichend bewiesen und müsse nicht neu verhandelt werden. Sprich: Auch die Bundesrichter sahen es als erwiesen an, dass Daniel E. Katharina K. getötet hat. Seine Unschuldsbehauptungen hatten auch sie nicht überzeugt. Das scheint dem erneut Angeklagten inzwischen aufgegangen zu sein, denn gleich zu Beginn des Prozesses heute vor der Ersten Strafkammer des Stuttgarter Landgerichts hat Daniel E., der sich nun von zwei Anwälten vertreten lässt, eine Erklärung verlesen lassen, in der er seine Schuld eingesteht. „Ich habe einem Menschen, der mir einmal sehr nahe gestanden hat, das Leben genommen“, räumt er darin ein. Es sei für ihn ein Lernprozess gewesen, sich dieser Verantwortung zu stellen. Das Lügengebilde habe er deshalb aufgebaut, weil er sich nicht mit seiner Schuld habe auseinandersetzen wollen. Auch gab Daniel E. an, er habe jahrelang ein Aknemedikament genommen, welches als Nebenwirkung eine erhöhte Aggressivität hervorgerufen habe. Erst seit er in Stammheim inhaftiert ist, habe sich das gebessert.

Die Einnahme eines Medikaments habe ihn aggressiver gemacht.

Auch zum Tatgeschehen ließ der Angeklagte Angaben verlesen. So sei es bei dem Streit mit Katharina K. nicht um das Sorgerecht für den gemeinsamen Sohn gegangen. „Mir war klar, dass ich zu diesem Zeitpunkt keine Chance auf das gemeinsame Sorgerecht hatte.“ Daniel E. hatte sich Monate zuvor das gemeinsame Sorgerecht für den damals zehn Monate alten Sohn mit gefälschten Dokumenten und der Unterschlagung von Unterlagen erschlichen. Dem war Katharina K. auf die Schliche gekommen und hatte sich mithilfe ihrer Anwältin dagegen zur Wehr gesetzt. Das Landgericht war außerdem zu dem Schluss gekommen, dass sich Daniel E. durch das Sorgerecht in einem anderen Verfahren gegen ihn, in dem eine Verurteilung drohte, eine Aussetzung der Haftstrafe auf Bewährung erhoffte.

All das, behauptet er nun, sei an jenem Abend kurz vor der Tat überhaupt nicht zur Sprache gekommen. Vielmehr habe er seiner ehemaligen Lebensgefährtin gestanden, dass er jahrelang unter dem Einfluss von Aufputschmitteln und Kokain gestanden habe. „Katharina wollte davon nichts wissen“, schildert er in seiner Erklärung. Vielleicht habe sie auch „einfach nicht kapiert“, was er ihr damit sagen wollte. Das wiederum habe ihn geärgert, ein Streit sei ausgebrochen, in dessen Folge er die junge Mutter zu Tode gewürgt habe. „Ich habe die Beherrschung verloren und Rot gesehen.“ Ihm sei nun klar, dass er mit seinem Handeln vielen Menschen Leid gebracht habe und er es nicht wiedergutmachen könne. Weitere Fragen zu seiner Person, seinem Rauschgiftkonsum oder ein Gespräch mit dem psychiatrischen Gutachter verneinte Daniel E. Ob der Drogenkonsum ein Versuch ist, seine Schuldfähigkeit infrage zu stellen, ist daher nicht klar.

Ob seine Version des Geschehenen wahrscheinlich ist und was das Motiv der Tat war, soll nun an insgesamt sieben Verhandlungstagen neu beleuchtet werden. Die vorsitzende Richterin Ute Baisch erklärte jedenfalls gleich zu Anfang, dass jene Motivgrundlage, die im ersten Urteil ausgeführt wurde, ebenfalls in Betracht gezogen werden könnte. Damit vermied sie den Fehler des Vorsitzenden der 9. Strafkammer, der diesen Hinweis unterlassen hatte. Daniel E.s Verteidiger hoffen, den Mordvorwurf vom Tisch zu bekommen und eine Verurteilung wegen Totschlags zu erwirken.

Verwandte Katharina K.s berichten von Daniel E.s Dominanz.

Es sei schwierig, aus der Entscheidung der Karlsruher Richter herauszulesen, was aus dem Prozess in erster Instanz bindend ist und was nicht, erklärte Baisch. Deshalb müsse man viele Zeugen neu vernehmen – obwohl diese ihrer ersten Aussage wenig hinzufügen konnten. Ein Finanzermittler der Kripo bekräftigte seine Ansicht, dass Habgier beispielsweise wohl nicht das Motiv gewesen sein könnte. Aus den Konten von Opfer und Täter lasse nichts darauf schließen. Die Richterin, welche den Haftbefehl gegen Daniel E. erließ, gab zu Protokoll, dass dieser im Gespräch „erstaunlich aufgeräumt“ und freundlich gewirkt habe. Die Haftentscheidung habe er weder erbost noch überrascht aufgenommen. Eine Mitarbeiterin des Jobcenters Rems-Murr beschrieb, wie Daniel E. gefälschte Dokumente vorgelegt und sich Leistungen erschlichen hat.

Das Herzstück der Neuauflage des Prozesses werden wohl die Aussagen jener Menschen sein, die Katharina K. und Daniel E. gut gekannt haben. Den Anfang machten Mutter und ältere Schwester der jungen Backnangerin. Beide beschrieben ein Verhältnis, in dem Daniel E. die zweifache Mutter stark dominierte. „Wenn sich Katharina so verhalten hat, wie er es wollte, war alles gut. Wenn nicht, gab es Knatsch“, schilderte die Mutter. Er habe Katharinas Post geöffnet, die Erziehung des älteren Sohnes aus einer früheren Beziehung der 22-Jährigen bestimmt und nach Streits immer wieder versucht, seine Freundin mit Geschenken wieder um den Finger zu wickeln. Die Schwester erzählt, Daniel E. habe den Sohn Katharinas misshandelt und auch die junge Frau des Öfteren geschlagen, geschubst und gewürgt. Damit auch der psychiatrische Gutachter noch die Gelegenheit bekommt, beiden Zeuginnen Fragen zu stellen, wurde deren Vernehmung unterbrochen. Der Prozess wird am 29. Mai fortgesetzt.

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Erstellt:
13. Mai 2020, 11:14 Uhr

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