Verbeamtung
GEW-Chefin für harten Kurs gegen AfD-Lehrer
Wenn die AfD dauerhaft als gesichert rechtsextrem eingestuft werde, müsse das Folgen haben – auch für die Verbeamtung von Lehrern. Das fordert GEW-Chefin Maike Finnern.

© dpa/Sebastian Willnow
Maike Finnern steht seit 2021 an der Spitze der GEW.
Von Tobias Peter
Die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Maike Finnern, fordert, möglichst viele Lehrkräfte sollten klar Stellung gegen Rechtsextremisten beziehen.
Frau Finnern, müssen Eltern damit leben, wenn der Lehrer ihres Kindes in der AfD ist?
Das ist keine einfache Frage. Wenn jemand Mitglied in einer Partei ist, ohne öffentlich aufzutreten, wissen die Eltern das ja erst einmal gar nicht.
Vielleicht steht der Lehrer am Wochenende in der Fußgängerzone für die AfD am Infostand. Oder er äußert sich entsprechend in der Klasse.
Auch in diesem Fall ist die Frage, was genau die Person tut. Wenn sie sich für die AfD in der Kommunalpolitik für eine Umgehungsstraße einsetzt, lässt sich dagegen erst einmal nichts einwenden. Wenn es aber um rechtsextreme und verfassungsfeindliche Äußerungen geht, dann ist das ein Fall für die Schulaufsichtsbehörden.
Der Verfassungsschutz sieht die AfD als gesichert rechtsextrem – auch wenn er diese Einstufung vorerst ausgesetzt hat, weil eine juristische Klärung aussteht. Ändert das etwas?
Wenn die Einstufung der AfD durch den Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem juristisch Bestand hat, und davon gehe ich aus, ändert das etwas. Das gilt politisch. Das gilt aber auch für die Frage der Verbeamtung.
Was ändert sich politisch?
Aus Sicht der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft sind dann eindeutig Bundestag und Bundesregierung am Zug. Wenn die AfD gesichert rechtsextrem ist, dann sollte ein Verbotsverfahren gestartet werden. Die Demokratie muss agieren, bevor es zu spät ist. Das ist eine Lehre aus der Zeit vor 1933. Eine Partei, die nicht auf dem Boden unserer Verfassung steht, sollte auch verboten werden.
Und in der Frage der Verbeamtung?
Eines vorweg: Ich bin dagegen, dass Menschen vom Staat wie von einer Art Gesinnungspolizei aktiv ausgeforscht werden, was sie politisch denken. Gleichzeitig gilt aber: Wenn die AfD gesichert rechtsextrem ist, kann ein AfD-Mitglied grundsätzlich nicht verbeamtet werden. Beamte schwören einen Eid, die Verfassung zu verteidigen. Wenn jemand einer rechtsextremen Partei angehört, kann man aber davon ausgehen, dass er das Gegenteil tut. Das kann der Staat bei der Verbeamtungsfrage nicht ignorieren. Wenn also bekannt ist, dass jemand in der AfD ist, etwa weil er sich öffentlich engagiert und in der AfD ein Amt bekleidet, muss das dann auch Konsequenzen haben. Am Ende muss aber jeder Einzelfall für sich entschieden werden.
In Thüringen ist die AfD bei der Landtagswahl stärkste Partei geworden. Auch in anderen Bundesländern ist sie stark. Kann der Staat Mitglieder einer Partei, die so viel Unterstützung bekommt, einfach so von der Verbeamtung ausschließen?
Ich kenne das Argument, aber ich halte es für nicht stichhaltig. Die anderen politischen Parteien müssen gute Angebote für die Wählerinnen und Wähler machen, sie müssen um jede Stimme kämpfen. Es wäre schlimm, Menschen für die Demokratie verloren zu geben. Aber wer sich aktiv für eine rechtsextremistische Partei einsetzt, der verstößt gegen die Werte unseres Grundgesetzes. Es ist eine wichtige Lehre aus dem Scheitern der Weimarer Republik, dass die Demokratie ihren Feinden nicht auch noch den roten Teppich ausrollen darf.
Was erwarten Sie von Lehrkräften, wenn es um die Auseinandersetzung mit rechtsextremen Kollegen oder rechtsextreme Sprüche von Schülern geht?
Ich wünsche mir, dass möglichst viele Lehrerinnen und Lehrer klar Stellung gegen Rechtsextremismus beziehen. Auch im Klassenzimmer und in der Lehrerkonferenz. Ich weiß, dass das insbesondere den Kolleginnen und Kollegen, die in Gegenden mit hohen AfD-Wahlergebnissen arbeiten, viel Zivilcourage abverlangt. Vor deren Engagement und Mut habe ich großen Respekt.
Viele Eltern würden einwenden, sie erwarteten von Lehrerinnen und Lehrern politische Neutralität.
Diese Erwartung ist falsch. Lehrkräfte sollen und dürfen im Klassenzimmer natürlich nicht für eine bestimmte Partei werben. Sie dürfen, so beschreibt es der Beutelsbacher Konsens als pädagogisches Prinzip, die Schülerinnen und Schüler nicht überwältigen, sondern müssen alle Facetten eines Themas ausleuchten, damit sich die Kinder und Jugendlichen eine eigene Meinung bilden können. Sie müssen aber nicht neutral sein: Sie haben als Lehrkräfte geschworen, die Demokratie und deren Werte zu verteidigen. Es ist also nicht nur ihr Recht, es ist ihre Pflicht, das Grundgesetz zu verteidigen. Das gilt selbstverständlich auch und besonders im Klassenzimmer. Wie könnte es bei Lehrerinnen und Lehrern denn anders sein?
Muss der Umgang mit Extremismus und Populismus eine größere Rolle in der Lehrkräfteausbildung spielen?
Ja. Die Idee dahinter darf nicht sein, die Schulen mit den Problemen allein zu lassen. Sie brauchen auch Unterstützung durch Experten von außen. Klar ist aber: Schule ist ein Ort, an dem Demokratie geübt und gelernt werden kann. Für diese Aufgabe müssen wir die Lehrkräfte stärken.
Durch einen Amoklauf an einer Schule in Graz starben elf Menschen. Kann die Gesellschaft etwas tun, um solche Taten in Zukunft zu verhindern?
Der Amoklauf von Graz ist fürchterlich, unser Mitgefühl gilt den Opfern und ihren Familien. Klar ist: Bei solchen Tätern liegen gravierende psychische Probleme vor. Deshalb muss die Präventionsarbeit gestärkt werden: Dringend nötig ist eine bessere Versorgung mit Schulpsychologen, aber auch mit Psychologen generell. Der Täter war schon 21 Jahre alt, man kann nicht jeden erreichen, nicht alles verhindern. Aber eine bessere psychologische Versorgung wäre gut für alle.
SchuleMaike Finnern, geboren im Jahr 1968, hat als Lehrerin für Deutsch und Mathematik gearbeitet, zuletzt als Konrektorin an einer Realschule im Kreis Herford. Außerdem war sie viele Jahre als Personalrätin tätig – auch im Schulministerium in Nordrhein-Westfalen.
GewerkschaftSeit 2021 ist Finnern Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Ende Mai 2025 ist sie beim Gewerkschaftstag in Berlin wiedergewählt worden – mit 93,8 Prozent der Stimmen der Delegierten.