Gewerkschaft kritisiert CDU: „Wie Prostituierte“

dpa/lsw Stuttgart. Die Gewerkschaften laufen Sturm gegen Polizei-Pläne von Grünen und CDU. Ein Verbandschef vergleicht die CDU gar mit „Prostituierten auf dem Straßenstrich“. Die Union reagiert erbost.

Ralf Kusterer, der Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft Baden-Württemberg. Foto: Marijan Murat/dpa/Archivbild

Ralf Kusterer, der Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft Baden-Württemberg. Foto: Marijan Murat/dpa/Archivbild

Im Streit um die politische Ausrichtung der kommenden Jahre sind die Deutsche Polizeigewerkschaft und die CDU auf heftige Weise aneinandergeraten. Landeschef Ralf Kusterer wirft der Partei in der April-Ausgabe der Verbandszeitung vor, Werte „auf dem Schmuddeltisch“ zu verraten. Parteien würden „auf eine Art und Weise um die Gunst der Regierungsbeteiligung buhlen wie Prostituierte auf dem Straßenstrich“, schrieb er mit Blick auf die Rolle der CDU bei der Regierungsbildung im Südwesten. Er stehe zu den Aussagen und habe viele positive Zuschriften deshalb erhalten, bestätigte Kusterer am Donnerstag der dpa.

„Da werden Spitzenkandidat(inn)en noch am Wahlabend kaltgestellt, dass man nur Ekel empfinden kann““, schreibt Kusterer mit Blick auf CDU-Kandidatin Susanne Eisenmann, die nach der Wahlschlappe ihren Rückzug aus der Politik angekündigt hatte. „Diese Eindrücke bleiben. Sie bleiben wie der abgestandene Geruch im durchlebten Prostitutionswohnmobil, an deren Durchsuchung man sich noch Jahrzehnte erinnert. Sie bleiben wie die Frustration der Polizeibeschäftigten, deren Wunsch nach Wertschätzung seit Jahren unbeachtet bleibt.“

CDU-Generalsekretär Manuel Hagel reagierte erbost auf die Anschuldigungen. „Vorwürfe, die in der Sache falsch sind und sich einer sexualisierten Sprache bedienen, die „hate speech“ Vorschub leisten, disqualifizieren sich selbst“, sagte er am Donnerstag in Stuttgart. Die, die das machen, wollten dieses Land spalten.

Inhaltlich stören sich die Polizeigewerkschaften - neben der Deutsche Polizeigewerkschaft existiert noch die Gewerkschaft der Polizei - an mehreren innenpolitischen Vorhaben von Grünen und CDU, vor allem ein Antidiskriminierungsgesetz und eine anonyme Kennzeichnungspflicht für Polizisten in Großlagen. Das neue Antidiskriminierungsgesetz soll Benachteiligungen wegen der Hautfarbe und anderer Merkmale verhindern. Die Polizeigewerkschaften hatten erklärt, das geplante Gesetz führe zu „pauschalisierten Vorverdächtigungen“ von Polizisten und zu einer „Beweislastumkehr“.

Grüne und CDU verteidigten am Donnerstag die Pläne. „Es wird keine Beweislastumkehr geben“, sagte Hagel. Da sei man sich mit den Grünen einig. Der Grünen-Landesvorsitzende Oliver Hildenbrand sagte, es gehe darum, das Vertrauen zwischen Polizei und Bürgern zu stärken. Wie es in Parteikreisen hieß, soll es mit dem neuen Gesetz eine gewisse Begründungspflicht für die Behörden geben. Soll heißen: Wenn Vorwürfe im Raum stehen, müssten sie entkräftet werden. Was genau im Gesetz stehen soll, ist noch unklar.

Innenminister und CDU-Landeschef Thomas Strobl versuchte den Gewerkschaften auch bei dem Thema anonyme Kennzeichnungspflicht für die Polizei den Wind aus den Segeln zu nehmen. Auch hier sei man mit den Grünen in guten Gesprächen. Strobl erklärte: „Das betrifft nicht den normalen Streifenpolizisten.“ Es gehe nur um Einsätze bei größeren Lagen, etwa bei Demonstrationen.

Dabei hätten die Polizistinnen und Polizisten schon jetzt einen Zahlencode auf der Rückseite ihrer Uniform, mit dem sie einer Einsatzgruppe zugeordnet werden könnten. Künftig komme eine Zahl dazu, um den Polizisten einzeln identifizieren zu können. Strobl erläuterte, mittlerweile werde bei Demonstrationen sowieso das Handeln der Polizei von Teilnehmern gefilmt. Von daher sei es richtig, hier für noch mehr Transparenz zu sorgen. Er sagte aber voraus, dass die Änderung keine große praktische Relevanz haben werde. Es sei ihm kein Fall bekannt, wo ein Fehlverhalten nicht aufgeklärt werden konnte.

Heiß diskutiert wird zwischen Grünen und CDU dem Vernehmen nach noch die Frage, ab welcher Menge der Besitz von Cannabis strafbar sein sollte. Derzeit liegt die straffreie sogenannte Eigenbedarfsmenge im Südwesten bei bis zu sechs Gramm. Die Grünen wollen die Höchstgrenze für den zulässigen Eigenbedarf anheben - so steht es auch in ihrem Wahlprogramm. Davon hält die CDU aber wenig. Zudem wird gerungen über die Strafbarkeit von Schwarzfahren und dem sogenannten Containern, also der Mitnahme weggeworfener Waren aus Abfallcontainern. Die Polizeigewerkschaft hält auch davon nichts. „Eine Legalisierung von Straftaten bringt uns nicht weiter“, sagte Kusterer.

© dpa-infocom, dpa:210422-99-311837/3

Zum Artikel

Erstellt:
22. April 2021, 15:30 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen