Grundsteuererklärung sorgt im Backnanger Finanzamt für Hochbetrieb

Viele Eigentümer haben mit der Abgabe der geforderten Erklärung bis auf den letzten Drücker gewartet. Bei den Mitarbeitern des Backnanger Finanzamts stehen die Telefone nicht still. Steuerberater werden überlaufen. Aber ein Drittel der betroffenen Bürger hat noch nichts erledigt.

Geht es nach dem Willen der Finanzbehörde, so muss die Grundsteuererklärung über das Elster-Portal eingereicht werden, also elektronisch. Nur in begründeten Ausnahmefällen ist die Erklärung auch in Papierform möglich. Foto: stock.adobe.com/Markus Mainka

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Geht es nach dem Willen der Finanzbehörde, so muss die Grundsteuererklärung über das Elster-Portal eingereicht werden, also elektronisch. Nur in begründeten Ausnahmefällen ist die Erklärung auch in Papierform möglich. Foto: stock.adobe.com/Markus Mainka

Von Matthias Nothstein

Backnang. Die Frist ist abgelaufen. Bis Ende Januar hatten alle Eigentümer von Grundstücken Zeit, die von ihnen geforderte Grundsteuererklärung abzugeben. Dazu sind sie nach einer bundesweiten Steuerreform verpflichtet. Aber obwohl die Frist seit Jahren bekannt ist und alle Bürger mit Grundvermögen schon vor Monaten angeschrieben worden sind, haben laut Finanzministerium Baden-Württemberg bislang erst zwei Drittel der Betroffenen die Erklärung abgegeben.

Alle Finanzämter und Steuerberatungskanzleien meldeten seit Monaten, spätestens jedoch seit einigen Wochen Hochbetrieb. Je näher die Abgabefrist heran rückte, umso mehr Bürger beschäftigten sich mit der Materie. Und viele wandten sich entnervt an die Fachleute, weil sie selbst die Formulare nicht ausfüllen konnten. So bestätigte zum Beispiel Tillmann Berroth, der Vorsteher des Backnanger Finanzamts, die sehr hohe Arbeitsbelastung seiner Mitarbeiter. So wurden aus der bisherigen Belegschaft drei Telefonplätze speziell für Nachfragen zum Thema Grundsteuer geschaffen, und trotzdem kamen viele Bürger telefonisch nicht durch, so groß war die Nachfrage. Und auch die Mitarbeiter der zentralen Informations- und Anlaufstelle (Zia) vor Ort wurden – zusätzlich zu dem üblichen Informationsbedarf – häufig mit Fragen zu diesem Thema konfrontiert. Ebenso wie alle anderen Mitarbeiter des Finanzamtes. Berroth bestätigt zahlreiche Nachfragen per Telefon, E-Mail oder auf dem Postweg.

Viele haben die geforderte Erklärung auf die lange Bank geschoben

Hochbetrieb herrschte auch in der Kanzlei Kümmerlen und Partner. Steuerberater Tim Stein bescheinigte eine enorme Zunahme an Anfragen in den vergangenen Wochen. Viele Hauseigentümer hatten die Erledigung der ungeliebten Erklärung offensichtlich auf die lange Bank geschoben. Während Finanzamtschef Berroth mutmaßt, dass Baden-Württemberg dem Vorstoß von Bayern folgt und die Abgabefrist womöglich um drei Monate verlängert, hält Stein dies für wenig wahrscheinlich: „Ich bin mir sicher, dass Baden-Württemberg diese Lösung nicht anbietet, sonst lassen die Bürger die Abgabe wieder schleifen.“ Den Klienten, die zuletzt in Scharen die Kanzlei des Backnanger Steuerberaters aufgesucht haben, hatte Stein zwar die Bearbeitung der Unterlagen zugesichert, aber er hatte aufgrund des Arbeitsaufwands auch darauf hingewiesen, „dass wir die Erklärungen nicht mehr fristgerecht einreichen können“. Das hängt auch damit zusammen, dass oft noch Unterlagen oder Informationen gefehlt haben, die in der Kürze der Zeit nicht mehr zu beschaffen waren. Doch auch jetzt, kurz nach dem Ablauf der Frist, gibt es immer noch Anfragen. Und das wird wohl auch so bleiben, nicht zuletzt deshalb, weil nun auch die landwirtschaftlich genutzten Grundstücke bis Ende März erfasst werden. Auch dafür müssen also in den nächsten Wochen Grundsteuererklärungen abgegeben werden, und dabei sind die Verhältnisse zuweilen mindestens ebenso kompliziert.

Wie hoch die Quote der erledigten Grundsteuererklärungen in Backnang ist, lässt sich nicht bestimmen, aber da wird es keine großen Unterschiede zur bundesweiten Statistik geben, vermutet Berroth. Wobei er zuversichtlich ist, dass die Quote noch deutlich steigen wird, schließlich habe es speziell in den letzten Tagen vor dem Fristende einen starken Eingang gegeben, „man muss jetzt abwarten, wie es sich weiter entwickelt“. Berroth ist es wichtig zu betonen, dass nun trotz des Ablaufs der Frist immer noch Erklärungen abgegeben werden können, „wir sind nach wie vor froh über jede eingereichte Erklärung“. Als nächster Schritt werden nun die säumigen Eigentümer noch im ersten Quartal schriftlich an ihre Pflicht erinnert. „Mal sehen, wie sich das Abgabeverhalten dann entwickelt.“

Die Aufgabe verdrängt oder beim Ausfüllen gescheitert

Die Gründe, weshalb viele Steuerpflichtige bislang die neue Erklärung noch nicht abgegeben haben, sind vielschichtig. Einige haben die Aufgabe schlichtweg verdrängt. Andere waren willens, sind aber beim Ausfüllen gescheitert. Die Probleme beginnen schon bei der Registrierung, schließlich war es die Forderung des Gesetzgebers, die Erklärung auf elektronische Weise über das Portal Elster abzugeben. Nun sind aber Menschen betroffen, die seit Jahren oder gar Jahrzehnten nichts mehr mit der Steuerbehörde zu tun hatten geschweige denn sich mit Elster auskannten. Etliche scheiterten bei der Zertifizierung, andere sind nicht online und einige wenige haben überhaupt noch keinen Computer. Bei den von den Bürgern selbst ausgefüllten Erklärungen ist sich Stein im Übrigen nicht sicher, ob immer alle Angaben stimmen. Weitere Hürden sind, dass manchmal Flurstücknummern gefehlt haben oder Grundstücke aufgelistet waren, die gar nicht mehr im Eigentum der angeschriebenen Bürger waren. All das hat laut Stein bei vielen Steuerpflichtigen zu Verwirrungen geführt.

Etliche Bürger haben versucht, bei den Lohnsteuerhilfevereinen Hilfe zu bekommen, wurden jedoch enttäuscht, da diese in diesem Fall nicht helfen dürfen. Martina Reichert-Stettner vom Backnanger Verein Lohnsteuerhilfe erklärt, es gebe immer noch Anfragen, „die wir nach wie vor ans Finanzamt oder an die Steuerberater verweisen müssen, da wir in diesem Bereich keine Beratungsbefugnis haben“. Aber es sind längst nicht mehr 30 Anfragen am Tag, so wie es schon einmal war.

Das baden-württembergische Berechnungsmodell der Grundsteuer berücksichtigt nur die Größe des Grundstücks und unterscheidet sich so erheblich von den anderen Bundesländern. Und trotzdem – oder vielleicht auch gerade deshalb – rechnet Tillmann Berroth mit vielen Einsprüchen von Grundstücksbesitzern, die sich durch das neue Grundsteuerrecht in ihren Rechten verletzt fühlen.

Die Grundsteuer ist eine wichtige Einnahme für die Städte und Gemeinden

Reform Ausschlaggebend für die Neufestsetzung der Grundsteuer ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2018. Die Finanzbehörde hatte die Grundsteuer bisher auf der Grundlage völlig veralteter Einheitswerte berechnet. Um die Grundsteuer neu zu berechnen, müssen fast 36 Millionen Grundstücke neu bewertet werden. Die Eigentümer müssen Feststellungserklärungen abgeben und erhalten Grundsteuerwertbescheide. Die neue Grundsteuer gilt ab dem 1.1.2025. Die Gemeinden legen erst 2024 die Hebesätze für die endgültige Berechnung der Grundsteuer fest.

Musterklagen Mittlerweile liegen zwei Musterklagen gegen die reformierte Grundsteuer vor. Wer sich der ersten Klage anschließt, der verweist auf die mögliche Verfassungswidrigkeit der Grundsteuer in Baden-Württemberg. Die zweite Musterklage wurde Anfang Februar von einer breiten Verbändeallianz und dem Bund der Steuerzahler eingereicht. Mit dieser Klage wollen die Verbände Fragen rund um das System der Bodenrichtwerte als Bemessungsgrundlage für die neue Grundsteuer klären lassen. So ist aus Sicht der beteiligten Verbände das Verfahren zur Ermittlung der Bodenrichtwerte intransparent und ungenau. Gerade bei Grundstücken mit großen Grünflächen müssten laut den Gutachterausschüssen Abschläge vorgenommen werden, die aber vom Landesgrundsteuergesetz ausgeschlossen sind.

Grundsteuer Die Grundsteuer ist eine bedeutende Einnahmequelle für die Städte und Gemeinden. Sie können auch nach der Reform weiterhin auf diese wichtige Einnahme bauen.

Grundbesitz Der Grundbesitz wird unterteilt in bebaute Grundstücke und landwirtschaftliche Flächen. Bislang geht es nur um bebaute Grundstücke. Erklärungspflichtig ist, wem das Grundstück am 1. Januar 2022 gehört hat, auch wenn es inzwischen verkauft ist.

Elektronisch oder auf Papier? All jene, die mit der Software der Finanzverwaltung nicht klarkommen oder überhaupt keine Möglichkeit haben, die Erklärung elektronisch abzugeben, dürfen die Erklärung in Papierform einreichen. An anderer Stelle klingt es drastischer, wenn es heißt, „nur in ganz besonders gelagerten Ausnahmefällen kann eine Erklärung in Papierform abgegeben werden“.

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Erstellt:
3. Februar 2023, 06:00 Uhr

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