Handwerkerschaft im Gespräch mit der Regionalpolitik

Die Leistungsfähigkeit des Bildungssystems, Fachkräftemangel und Energiepolitik: Das bewegt Handwerksbetriebe in der Region aktuell.

Kreishandwerksmeister Thomas Schieck beim Gespräch mit Politikern und Handwerkern aus der Region. Foto: Tobias Sellmaier

© Tobias Sellmaier

Kreishandwerksmeister Thomas Schieck beim Gespräch mit Politikern und Handwerkern aus der Region. Foto: Tobias Sellmaier

Von Carmen Warstat

BACKNANG. In Kooperation mit der Kreishandwerkerschaft Rems-Murr hat die Handwerkskammer Region Stuttgart ihre Mitglieder und andere Interessenten kürzlich zu einer Gesprächsrunde mit politischen Vertretern der Region eingeladen. Man traf sich in gediegener Atmosphäre im Kochwerk Backnang, um in lockerem Austausch zu besprechen, was das Handwerk momentan und in Zukunft besonders bewegt: Zum Beispiel wie leistungsfähig unser aktuelles Bildungssystem ist und welche Auswirkungen die jüngsten energiepolitischen Maßnahmen auf Handwerksbetriebe und Organisationen haben.

Konstruktive Ansätze von Handwerkern

Von Seiten der Handwerkerschaft stellten sich dem Gespräch Peter Friedrich als Hauptgeschäftsführer der Kammer Region Stuttgart sowie Rainer Reichhold als deren Präsident und Thomas Schiek von der Kreishandwerkerschaft Rems-Murr. Mit den Problemen der Handwerkerschaft wurden aber auch mehrere politische Vertreter konfrontiert, unter anderem Landrat Richard Sigel, die Landtagsabgeordneten Gernot Gruber (SPD), Siegfried Lorek (CDU), Ralf Nentwich und Swantje Sperling (beide Bündnis 90/Die Grünen) sowie die Bundestagsabgeordnete Inge Gräßle (CDU). Bei allem Bestreben nach Gemeinsamkeit, wie sie etwa Thomas Schiek eingangs beschwor, kam es auch zu wahlkampftypischen Aussagen, die teils beklatscht, andererseits aber auch abgelehnt und als solche kritisiert wurden. Als Schwerpunkte des handwerkspolitischen Austauschs kristallisierten sich Bildung und Berufsorientierung beziehungsweise der Fachkräftemangel und die Auftragslage verschiedener Branchen, Bürokratieabbau, energiebezogene Fachfragen, die digitale Infrastruktur sowie das Vergaberecht bei öffentlichen Ausschreibungen heraus.

Im Detail diskutierten die Anwesenden etwa Machbarkeitsfragen wie die nach dem Strombedarf für Wärmepumpen und Wallboxen oder die Grenzen von Solartechnologien. Hier kamen kontroverse Standpunkte zum Ausdruck, beispielsweise wurde als Teil der Bewältigung solcher Probleme für Hybridlösungen plädiert. Im Ausland erlebe man typisch deutsches Perfektionsstreben schon in den Findungs- und Planungsphasen als skeptisches Blockadeverhalten, kritisierte Ralf Nentwich. Und wie zum Beweis nannte Ingrid Gräßle die „Problemballung der Koalition dieser Tage unterkomplex“.

Konstruktivere Ansätze kamen von den Handwerkern selbst, die in der Personaldebatte von positiven Erfahrungen mit ausländischen Auszubildenden (Simbabwe, Indien) berichteten und deren Bleiberecht einforderten. Siegfried Lorek verwies in diesem Zusammenhang auf die „3+2–Regelung“, welche die Bedingungen für die „Ausbildungsduldung“ definiert und den Betrieben Planungssicherheit geben soll. Ein Karosseriebauer berichtete, er habe fünf Mitarbeiter an die Autoindustrie verloren. „Die stehen bei Porsche am Fließband.“ Das Handwerk könne solche Arbeitsbedingungen und Leistungen beim besten Willen nicht bieten, trotz Engagements in der Ausbildung und trotz aller Bemühungen um ein gutes Betriebsklima.

Breitbandausbau schreitet voran

In Sachen Breitbandausbau versicherte Richard Sigel, dass die Region Stuttgart sich „voll im Zeitplan“ befinde und dass auch der Landkreis sehr viel Geld in die Digitalisierung steckt. Aus der Handwerkerschaft kam ein Dankeschön an den Landkreis für die Förderung der Berufsschulen: „Das funktioniert auf dem kurzen Weg.“ (Aber: „Lehrer fehlen nach wie vor!“) Demgegenüber stand Kritik am Schulsystem, das, wie ein Vertreter des Metzgerhandwerks anmerkte, etwa die Vermittlung der Grundrechenarten nicht mehr gewährleiste. Mehrfach und auf grundsätzlich alle Themen bezogen äußerten die anwesenden Abgeordneten des Landtags sowie des Bundestags den Wunsch, in konkreten Problemfällen zu helfen, und forderten die Handwerker auf, sich gegebenenfalls bei ihnen zu melden.

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Erstellt:
1. Juli 2023, 12:00 Uhr

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