Heimatgeschichte: Faszinierendes Hobby

Mitglieder des Heimatvereins Großerlach/Grab erforschen und dokumentieren ehrenamtlich verschiedene historische Themen

Heimatgeschichte ist eine zeitaufwendige, aber spannende Detektivarbeit. Je stärker sich jemand für ein Thema interessiert, desto höher ist dessen persönliche Motivation, immer weiter und genauer nachzuforschen, dabei immer tiefer in die Vergangenheit einzutauchen und dadurch oft Neues und bisher Unbekanntes zu entdecken.

Beim Besuch im Silberstollen: Heinz Rittinger, Georg Holub, Manfred Pommerer und Erich Kleinknecht (von links) vom Heimatverein. Foto: E. Klaper

Beim Besuch im Silberstollen: Heinz Rittinger, Georg Holub, Manfred Pommerer und Erich Kleinknecht (von links) vom Heimatverein. Foto: E. Klaper

Von Elisabeth Klaper

GROSSERLACH. So leisten auch die Mitglieder des Heimatvereins Großerlach/Grab mit ihrem großen ehrenamtlichen Engagement wertvolle Beiträge zur Aufarbeitung der Geschichte ihrer Heimatgemeinde. „Heimatgeschichte hat mich schon immer interessiert“, verdeutlicht Gründungsmitglied Heinz Rittinger, der heute im Ausschuss mitwirkt. „In der Schule war Heimatkunde mein Lieblingsfach, auch habe ich seit 1975 Ahnenforschung für meine Familie betrieben“, erzählt er.

„Als ich 2006 in den Ruhestand ging, begann ich, mich aktiv einzubringen. Meine Themen sind die Erforschung der Mühlen im Rottal und von Böhringsweiler, auch da mein Großvater Müller der dortigen Mühle war.“ Das ehemalige württembergische Unteramt ist laut Rittinger der Grundstock der Gemeinde Großerlach, und das dortige Schloss war Amtssitz verschiedener Beamter. „Ich war im Archiv in Neuenstein, wo ich Verbindungen knüpfte, um die Quellen besser erschließen zu können. Viele alte weltliche Akten waren in Mundart geschrieben, kirchliche teils noch in Latein“, erinnert sich Rittinger.

Großes Interesse

an historischen Themen

Heute ist ein Großteil davon im Internet veröffentlicht. „Inzwischen habe ich alle Mühlen im Rottal aufgearbeitet und darüber ein Buch geschrieben“, berichtet Rittinger. Ein Nebenprodukt seien Recherchen über die alte Leinwandbleiche in Böhringsweiler, die im „Heimatbuch Weinsberger Tal und Mainhardter Wald“ von Carl Schönleber erwähnt wird: Alles, was früher über Großerlach bekannt war, finde sich in diesem Buch. „Ich habe auch Wandertouren geleitet ins Rottal und nach Böhringsweiler. Außerdem erforschte ich die Gewerbestandorte in der ehemals selbstständigen Gemeinde Großerlach, wie Töpfereien und Sägewerke“, so Rittinger.

Erich Kleinknecht ist seit 1990 Mitglied und war von 1992 bis 2000 stellvertretender Vorsitzender. „Schon immer war ich an Heimatgeschichte und an der Aufarbeitung historischer Themen interessiert. Der Schwerpunkt meiner Forschungen ist mein Wohnort Liemersbach mit Umgebung, wo einst eine Glashütte und ein Bergwerk betrieben wurden.“ Noch wenig erforscht ist laut Kleinknecht die Schöntaler Glashütte, von der noch Fundamente und Glasreste vorhanden sind. Sie wurde 1627 erstmals erwähnt, 1753 von der Spiegelberger Glashütte gekauft und 1754 zur Flachglas-Herstellung umgebaut. Ab 1757 wurden dort Spiegel hergestellt, doch bereits 1767 erfolgte die Auflösung der Glashütte, die 1770 zum Abbruch verkauft wurde. Überdies wurde zweimal ein Kohlenbergwerk bei Liemersbach betrieben: von 1768 bis 1770 und von 1833 bis 1849. Es befand sich zwischen dem Ort Liemersbach und der Erlacher Höhe. „Dort fand man Gagat (Fettkohle), die man in Schwäbisch Gmünd zu Schmuck verarbeitete, aber auch in Schmieden als Brennmaterial verwendete“, erzählt Kleinknecht.

Ebenfalls seit 1990 ist Hilde Holch Mitglied, „weil mich der Heimatverein interessiert. Ich dachte, da muss ich dabei sein, damit auch ich informiert bin über alles Wissenswerte zur Geschichte der Gemeinde und Umgebung.“ Seit 1992 im Ausschuss, arbeitet Holch seit 1998 als Kassierin im Vorstand mit. „Als ehemalige Posthalterin und Ladeninhaberin verfüge ich über umfangreiches, personenbezogenes Hintergrundwissen“, verdeutlicht sie.

Silberstollen diente

als Luftschutzraum

Auch kenne sie sich gut aus mit alten Haus- und Flurnamen. „Mich kann man immer fragen, wenn es um allgemeine historische Hintergrundinformationen geht: Entweder kann ich selbst Auskunft geben oder ich kenne jemanden, der Bescheid wissen könnte. Damit unterstütze ich andere Vereinsmitglieder bei deren Recherchen zu historischen Themen“, betont Hilde Holch. Manfred Pommerer ist seit 1993 Mitglied: „Meine Motivation war es, den Silberstollen wieder zugänglich zu machen, weil meine Mitschüler und ich mit unserem damaligen Lehrer Karl Schlumberger 1963 den Eingang freigelegt haben.“ Kurz fasst der heutige Vorsitzende des Heimatvereins die Geschichte des „Gabe Gottes“ genannten Silberstollens zusammen. Als drei Erlacher Bauern Ende 1772 einen Brunnen gruben, stießen sie auf eine blau glänzende Gesteinsschicht, die sie für Silber hielten, was einen „Silberrausch“ in der Region auslöste. Im Frühjahr 1773 wurde der Silberstollen unterhalb des heutigen Ortes Großerlach etwa 36 Meter weit ins Gestein getrieben. Dort fand man jedoch kein Silber, sondern Bleiglanz (Galenit), ein Mineral aus der Klasse der Sulfide. „Das Ganze war ein großer Betrug, auf den auch berühmte Persönlichkeiten hereinfielen, wie Johann Kaspar Schiller, Vater des berühmten Dichters Friedrich Schiller, und der Murrhardter Prälat Friedrich Christoph Oetinger“, stellt Pommerer fest. Bereits Ende 1773 mussten die Arbeiten eingestellt werden, weil es kein Silber und somit auch keine Gewinne gab. Es folgte der Prozess gegen den betrügerischen Unternehmer Bergrat Riedel, der um 1800 zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wurde.

Mitte der 1920er-Jahre legte die Ortsgruppe Großerlach des Schwäbischen Albvereins das sogenannte Mundloch, den Eingang, des Silberstollens frei, der am Ende des Zweiten Weltkriegs als Luftschutzraum diente. Dazu wurde ein (zweiter) Notausgang geschaffen. Nach dem Krieg wurde das Mundloch verfüllt und der Notausgang verschlossen. 1963 legten Großerlacher Schüler, darunter Werner Stark und Manfred Pommerer, das Mundloch wieder frei.

1992 wurde der Arbeitskreis

Silberstollen gegründet

1988 beschloss der neu gegründete Heimatverein, den Silberstollen wieder begehbar zu machen. 1992 gründeten einige Mitglieder den Arbeitskreis Silberstollen, 1993 begannen die Arbeiten zur Freilegung mit Unterstützung der Gemeinde und Maschinen. 1996 übernahm die Gemeinde den Silberstollen, der 2000 fertiggestellt und offiziell als öffentlich begehbarer Besucherstollen eingeweiht wurde. Dafür gestalteten Mitglieder des Heimatvereins eine Infotafel. Seit 25 Jahren engagiert sich Christine Pommerer im Heimatverein und ist seit 1998 Schriftführerin. „Ich habe schon immer Ahnenforschung betrieben. Seit meiner Kindheit bin ich interessiert und zuständig für Pflanzenheilkunde und die Verarbeitung von Pflanzen für die Küche und die Gesundheit, ebenso für alte hauswirtschaftliche Techniken, wie Tier- und Pflanzenfasern spinnen und färben.“

Christine Pommerer stellte die „Heimatgeschichtlichen Nachrichten“ über die Glashütten aus Recherchen des Lehrers Walter Schäfer und ihren eigenen zusammen. Weiter organisierte sie Vorträge über die Kirchenglocken und zur Rechtsprechung im Mittelalter, „da wir ein Sühnekreuz in unserer Gemeinde haben“, und gestaltete daraus Beiträge für die „Heimatgeschichtlichen Nachrichten“. Seit 2009 ist Georg Holub „als einziger Nichteinheimischer“ Mitglied und im Ausschuss tätig. „Mich interessiert allgemein die Geschichte meiner neuen Heimat und der ehemaligen selbstständigen Gemeinde Grab. Dazu fungiere ich als Bindeglied zwischen Heimatverein und Gemeindearchiv, wo ich ehrenamtlich mitarbeite. Wenn von dort Informationen benötigt werden, kann ich diese beschaffen. Ich selbst habe kein spezielles Thema, aber ich arbeite bei Projekten mit und zu und unterstütze so andere Mitglieder.“

Für die Veranstaltungsreihe „Heimatgeschichtliche Wanderungen durch die Gemeinde“ hat Holub zwei Wanderrouten ausgearbeitet und begangen. „Wir wollen alle Teilorte zu Fuß teilweise auf historischen Wegen begehen. 2017 haben wir begonnen mit Trauzenbach, Grab, Schöntalhöfle und Hohenbrach. Dazu habe ich ebenso wie andere Mitglieder historische Informationen über die Teilorte beigetragen. Weiter bin ich zuständig für die Übertragung von Schriftquellen, die in Sütterlin und anderen alten Schriften geschrieben sind, in aktuelle Schrift und Sprache“, erklärt Georg Holub.

Großerlacher Grundschüler mit ihrem Lehrer Karl Schlumberger bei der Freilegung des Eingangs zum Silberstollen 1963. Foto: M. Pommerer

Großerlacher Grundschüler mit ihrem Lehrer Karl Schlumberger bei der Freilegung des Eingangs zum Silberstollen 1963. Foto: M. Pommerer

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Erstellt:
24. Juli 2018, 06:00 Uhr

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