„Hier in Auenwald fühle ich mich wohl“

Das Interview: 16 Jahre lang hat Karl Ostfalk die Geschicke der Gemeinde Auenwald als Verwaltungschef maßgeblich bestimmt. Morgen ist der letzte Arbeitstag des Bürgermeisters. Der 62-Jährige wird dann im Ruhestand mehr Zeit für seine Familie haben.

Karl Ostfalk freut sich schon darauf, dass er künftig zu Hause auch tagsüber Zeit zum Kochen und Backen haben wird. Seinen Arbeitsplatz im Rathaus wird er wahrscheinlich nur selten vermissen. Der 62-Jährige ist aber offen für eine neue kleine Tätigkeit. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Karl Ostfalk freut sich schon darauf, dass er künftig zu Hause auch tagsüber Zeit zum Kochen und Backen haben wird. Seinen Arbeitsplatz im Rathaus wird er wahrscheinlich nur selten vermissen. Der 62-Jährige ist aber offen für eine neue kleine Tätigkeit. Foto: A. Becher

Von Florian Muhl

Herr Ostfalk, Sie gehen nach zwei Amtsperioden als Bürgermeister in Auenwald vorzeitig in den Ruhestand. Ist dann Umzug ein Thema oder bleiben Sie der Gemeinde treu?

Nein, ich bin aus Überzeugung in Auenwald, hier in der Gemeinde fühle ich mich wohl. Warum soll ich weggehen? Ich sehe aktuell keinen Grund.

Wie sind Sie eigentlich aus dem Hohenlohischen, wo Sie geboren und aufgewachsen sind und bis 2005 gearbeitet haben, nach Auenwald gekommen?

Nachdem ich knapp zehn Jahre lang in Pfedelbach in leitender Position gearbeitet habe und dort direkt dem Bürgermeister unterstellt war, habe ich für mich entschieden: Das ist auch das, was du kannst und willst. Zu meiner jetzigen Frau, damaligen Freundin, bin ich zu der Zeit jeden Tag von Pfedelbach nach Waiblingen gefahren. Da sagt sie: Du, in Auenwald ist die Stelle ausgeschrieben. Meine Frau stammt ja aus dem Weissacher Tal, ist in Unterweissach und Heutensbach aufgewachsen und hatte auch in Auenwald gewohnt.

Was gefällt Ihnen am Bürgermeisterberuf?

Ganz klar: Gestalten zu können; nicht nur eine Gemeindeverwaltung mit bei uns zirka 140 Mitarbeitern zu führen, sondern tatsächlich auch Neues zu gestalten, innerhalb der Verwaltung in den unterschiedlichen Bereichen, vom Kindergarten bis zu den Friedhöfen. Das heißt, nicht nur erhalten, sondern möglichst auch zu optimieren und neu zu gestalten. Das ist die Besonderheit.

Gibt es auch negative Aspekte?

Ja, es sind die Dinge, die sich in den letzten Monaten, auch Jahren, zugespitzt haben, dass man persönlich angegriffen wird in einer Art und Weise... Früher ist zum Bürgermeister aufgeschaut worden – das braucht kein Mensch. Man sollte aber wenigstens normal mit dem Bürgermeister umgehen. Aber seit Corona wirst du persönlich für Dinge verantwortlich gemacht; es wird nicht in einer vernünftigen Art und Weise konstruktive Kritik geübt. Das ist teilweise verletzend, wenn du die letzte Pfeife bist.

Sprechen Sie aus eigener Erfahrung? Sind Sie selbst betroffen?

Ich habe tatsächlich – wenn auch ganz selten – Morddrohungen erhalten, oder: Wir wissen, wo dein Haus wohnt, oder: Ich schlag dir eine auf die Gosch. Das ist auch mir widerfahren. Die Hemmschwelle, etwas auf diese Art und Weise zu sagen, ist deutlich gesunken. Letztes Jahr, März bis Juni, wo die Menschen demütig waren, man hat Rücksicht genommen auf den Schwachen, auf den Kranken...alles vorbei. Jetzt wird nur noch nach sich geschaut und nach seinem Vorteil.

Wenn Sie zurückblicken: Was ist Ihnen besonders gelungen?

Angefangen von der Kinderbetreuung, als ich gekommen bin hatten wir fünf Stunden am Stück, von 8 bis 13 Uhr. Dann gab’s noch eine Betreuung von 8 bis 12 und von 14 bis 16 Uhr. Jetzt haben wir zehn Stunden am Stück, und das an fünf Tagen und nehmen Kinder schon ab einem Jahr, einschließlich Ferienbetreuung. In der Grundschule geht’s weiter mit der Topbetreuung. Das hat natürlich zur Folge: jede Menge finanzielle Belastung. Wir legen Größenordnung 1,3 Millionen jedes Jahr drauf.

Wie viele Kinder beziehungsweise Eltern nutzen dieses Angebot?

Wir haben rund 200, 250 Kinder im Kindergarten und 150 in der Kernzeitbetreuung und im Schülerhort. Das sind natürlich hohe Kosten für die Allgemeinheit, aber das ist es uns wert. Thema: Vereinbarkeit Familie und Beruf. Ich merk’s jetzt in der Notbetreuung, wenn eigentlich zu ist, wie viele tatsächlich die Notbetreuung brauchen.

Gibt es weitere Dinge in der Gemeinde, auf die Sie mit Stolz zurückblicken?

Die Nahversorgung, die war ja gegen null in Lippoldsweiler, als ich gekommen bin. Durch den Edeka hat sich die Situation grandios verändert, gegen größte Widerstände, und ich habe ihn geholt. Genauso wie beim Haus Elim. Wenn ich nicht auf den Geschäftsführer eingeredet hätte, wäre er nicht nach Unterbrüden gekommen. Ein Alten- und Pflegeheim gab’s vorher in der Gemeinde nicht. Das ist jetzt mit deinem Namen verbunden, ähnlich wie die Buslinie nach Lippoldsweiler. Es gab ja nie eine Verbindung von Unterbrüden nach Lippoldsweiler; zum größten Ortsteil musstest du über Unterweissach mit Umsteigen fahren. Friedrich war ein guter Bürgermeister, hat vieles gut gemacht, aber manche Dinge auch nicht. Da hat sich meine zehnjährige Arbeit als Kreisrat ausgezahlt.

Welche Projekte hätten Sie gerne noch angestoßen beziehungsweise zu Ende geführt?

Die Baumaßnahmen, die ich initiiert habe, angefangen von der Wasserversorgung, ein Projekt Größenordnung fast zehn Millionen, über die Neuordnung der Kindergartenstruktur und das Landessanierungsprogramm in Oberbrüden mit Bachverdolung und neuer Ortsmitte und Bereich Sängerhalle bis zur Generalsanierung der Auenwaldhalle – das sind Dinge, die ich gerne nicht nur angestoßen, sondern auch umgesetzt hätte.

Sie hatten kurz vor der letzten Wahl gesagt: Aufhören ist für mich keine Option. Nach dem ersten Wahlgang haben Sie zurückgezogen. Wie kam es zu diesem Sinneswandel?

Ich kämpfe nicht gern gegen Windmühlen. Ich bin normalerweise keiner, der aufgibt. Habe ich auch nicht. Ich habe erklärt, ich würde gerne weitermachen. Das funktioniert aber nur, wenn Bürgermeister, Gemeinderat und Gemeindeverwaltung zusammenarbeiten. Im Herbst hatte ich noch eine positive Rückmeldung. Bei der Frage, ob der Satz ,Der Bürgermeister beabsichtigt, sich zu bewerben‘ in die Stellenausschreibung mit aufgenommen werden soll, gab es nur zwei Gegenstimmen und zwei Enthaltungen von 18. Nachdem aber vor der Wahl Gemeinderäte in der BKZ zu Wort kamen, hab ich nicht den Eindruck gehabt, dass der Gemeinderat mit mir weitermachen wollte. Das macht doch keinen Sinn, selbst mit tollen Ideen und mit guter Erfahrung dann gegen den Gemeinderat anzukämpfen.

Wie sehr sind Sie noch enttäuscht, dass Sie im ersten Wahlgang nur 41,1 Prozent der Stimmen bekommen haben?

Das kann man sehen, wie man will. Ich habe ein deutlich besseres Ergebnis als meine zwei Mitbewerber erreicht, aber nicht das, was ich mir vorgestellt habe. Ich wollte gewinnen, ob 50 plus eins, 60 oder 70. Da haben mir wenige Hundert Stimmen gefehlt. Aber ich habe seither keinen Groll gehabt, sonst würde ich nicht hier sitzen bei meiner Arbeit. Mit dem gleichen Wissen hätte ich schon im Herbst oder spätestens im Dezember gesagt: Nein, nicht mit mir, ich hör auf.

An welche Momente werden Sie in Ihrem Ruhestand am liebsten zurückdenken?

Das sind die Veranstaltungen draußen, angefangen von Großveranstaltungen wie „Noks“, die Nacht der offenen Keller und Scheunen, oder im vergangenen Jahr unsere Kulturveranstaltungen im Autokino. Da bin ich – das ist jetzt geprahlt – persönlich Wochen und Monate, fast ein halbes Jahr lang wirklich jedes Wochenende vor Ort gewesen, hab die Menschen begrüßt und verabschiedet. Die Idee kam von Thomas Bader, umgesetzt haben wir’s gemeinsam.

Wird es Kai-Uwe Ernst als Ihr Nachfolger im Amt leichter oder schwerer haben als Sie? Schwerer. Weil die Menschen unverschämter, fordernder, egoistischer geworden sind. Ich schätze, er hat es nicht einfacher, weil ihm die Erfahrung im Gemeinderat fehlt. Ich saß auf beiden Seiten, 14, 15 Jahre auf der Verwaltungsseite und fünf Jahre lang auf der Gemeinderatsseite. Die Erfahrung geht nicht spurlos an einem vorbei. Und auch die Erfahrung in der Kommunalverwaltung... Ich hatte, als ich hierher kam, bereits 15 Haushaltspläne mit aufgestellt. Und Personal haben wir seit Jahren zu wenig. Und die finanziellen Rahmenbedingungen werden sicher schwieriger.

Was wünschen Sie sich zum Abschied?

Dass die Menschen wieder vernünftig miteinander umgehen.

In der Gemeinde?

Überall. Das wünsche ich mir, dass man den Menschen respektiert und mit seiner Privatsphäre und seinem Eigentum respektvoll umgeht.

Und was wünschen Sie der Gemeinde?

Dass es ihr weiterhin gut geht und dass es weiterhin eine liebens- und lebenswerte Gemeinde bleibt, mit allem, was man braucht fürs normale Leben.

Am morgigen Dienstag ist Ihr letzter Arbeitstag. Danach werden Sie viel Zeit zu Hause haben. Was werden Sie im Ruhestand machen, welche Projekte anpacken?

Ich habe ja von meiner Frau zusammen mit meinen Kindern das Golfspielen gelernt. Da habe ich jetzt ein bisschen mehr Zeit dafür und muss nicht mehr regelmäßig Einladungen absagen. Ich freue mich auch darauf, wieder zu kochen und zu backen – was ich mit meiner Frau früher gerne gemacht habe. Das mache ich jetzt schon die letzten Wochen tatsächlich mehr...

Zusammen mit Ihrer Frau?

Nein, jeder für sich. Gemeinsam, das wird nichts. Da ist sie zu sauber in der Küche, sie ist ganz pingelig und ich bin eher der Typ...dann sieht’s halt aus... und nachher mache ich sauber. Das kann sie nicht brauchen. Reisen kann man derzeit ja nur eingeschränkt, aber bei uns in Auenwald lässt sich’s sehr gut leben und ich muss weniger weg als früher. Und ich schaue, ob ich noch eine sinnvolle Beschäftigung finde. Vielleicht braucht der ein oder andere meinen Rat. Vor allem im Bereich Bauen und Technik bin ich ja ordentlich erfahren.

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Erstellt:
10. Mai 2021, 06:00 Uhr

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