Influencer berichtet
Hitlergruß und rassistische Beleidigung – „am Ballerman an der Tagesordnung“
Am Ballermann leben deutsche Touristen ihren Rassismus offen aus. Ein Influencer aus Baden-Württemberg prangert das an. Was erlebt er auf Mallorca, und was in Deutschland?

© IMAGO/Chris Emil Janßen/privat
Gibt es am Ballermann (im Bild links die Schinkenstraße) ein Rassismusproblem? Jeremy Okoth sagt: Ja!
Von Michael Bosch
Mallorca ist nach wie vor die Lieblingsinsel der Deutschen. Auch wenn ihnen von einheimischer Seite kaum mehr Liebe entgegenschlägt. Die Mallorquiner haben die Nase voll vom Massentourismus. Die Deutschen genießen derweil weiter: Sommer, Sonne, Vollsuff. Wobei letzteres bei vielen Party-Touristen aus dem Land der Dichter und Denker offenbar das Schlechteste zum Vorschein bringt.
Thematisiert hat das unlängst Influencer Jeremy Okoth aus Karlsruhe. Der Sohn einer Deutschen und eines Nigerianers schilderte auf seinen Social Media Kanälen, über die er Tausende erreicht, haarsträubende Szene. Er sei bei seinem letzten Aufenthalt mehrmals mit dem „N-Wort“ beleidigt worden, da habe er noch keine 24 Stunden auf der Insel verbracht. Den Hitlergruß auf offener Straße zu zeigen, sei auf dem Ballermann ein Stück Normalität geworden, Deutschlandtrikots, die mit „Führer“ und der Nummer 44 – die Zahl ähnelt den SS-Runen – beflockt sind, werden von Straßenhändlern feilgeboten und gerne gekauft.
„Heil Hitler“ und Hitlergruß: Rassismus wird am Ballermann ausgelebt
Das Phänomen rechtsextremer Symbole am Ballermann ist nicht neu. Okoth sagt, das offene Zurschaustellen rassistischer Gesinnung habe im vergangenen Jahr aber deutlich zugenommen. Im Juli 2025 sorgten drei deutsche Urlauber an der Playa de Palma für einen Skandal, als sie in einem Hotel auf dem Balkon offen den Hitlergruß zeigte. Vermutlich bleiben die meisten Fälle aber undokumentiert.
„Man kann sich das kaum vorstellen, wenn man das nicht selbst erlebt“, sagt Okoth im Gespräch mit unserer Zeitung. Beruflich war er zuletzt häufiger auf der Baleareninsel. „Was mich am Ballermann so stört ist, dass die Leute ihren ‚echten Charakter’ zulassen“, sagt der Influencer. „Die Leute saufen – und dann sagen sie, was sie wirklich denken.“ Er sei der Letzte, der etwas gegen einen Witz habe, „selbst wenn es auf die Hautfarbe geht“. Aber einer fremden Person „Heil Hitler“ ins Gesicht zu schleudern, das sei nicht lustig, „aber am Ballerman an der Tagesordnung“.
Was ihn besonders schockiert: Am Ballermann wird das einfach zugelassen. „Es hört sich hart an: Aber es trifft mich jetzt nicht besonders hart, wenn mich jemand rassistisch beleidigt“, sagt Jeremy Okoth, „aber was mich ziemlich trifft ist, dass keiner was dagegen sagt, der daneben steht.“ Niemand wende etwas ein, wenn das N-Wort falle, wer ein SS- oder „Führer“-Shirt trage, werde nicht darauf hingewiesen, wie daneben das sei. „Die dürfen das tragen, das ist witzig“, beschreibt Okoth in einem seiner Videos die geistige Haltung, die in Spanien ungeniert ausgelebt wird.
Verband: Rassistische Vorfälle schaden Deutschland insgesamt
Dass sich diese Vorfälle offenbar häufen, zeigen Medienberichte, aber auch die Erfahrungen einzelner. Okoth erzählt, er sei an einem Abend am Ballermann bereits zweimal mit dem N-Wort belegt worden, als er beschlossen habe sein Handy zu zücken und den nächsten Vorfall zu filmen. „Ich konnte mich drauf einstellen“, sagt er. Lange dauerte es tatsächlich nicht, bis er erneut rassistisch beleidigt wurde. Der junge Mann versuchte sich herauszureden, als Okoth ihn konfrontierte. Er schob es auf den Alkohol. Das Video wurde mehr als 2,5 Millionen mal angesehen, bevor es gelöscht wurde.
Beim Deutscher Reiseverband (DRV) kennt man die Problematik. Ob es tatsächlich einen Zunahme rassistischer Fälle am Ballermann gebe, könne man nicht beurteilen, teilt der DRV auf Nachfrage mit. Aber: „Solche Vorfälle müssen nach dem dort geltenden Recht konsequent verfolgt werden“, sagt DRV-Sprecherin Kerstin Heinen. „Hilfreich sind aus unserer Sicht Einsätze deutschsprachiger Polizeikräfte, die Sprachbarrieren abbauen und ein schnelles Einschreiten ermöglichen – auf Mallorca ist dies unserer Kenntnis nach bereits Realität. Ebenso wichtig ist, dass Hotels und Bars vor Ort konsequent reagieren und sich klar gegen Hass und Hetze positionieren. Ein Verbot rechtsextremer oder rassistischer Symbole wäre ein deutliches Signal.“
Zumal rassistische oder rechtsextreme Vorfälle deutscher Touristen „nicht nur inakzeptabel und moralisch verwerflich“ seien, sonder auch dem Bild Deutschlands im Ausland schadeten. „Deutschland als Reiseland lebt von internationalen Gästen ebenso wie von den vielen ausländischen Fachkräften“, so Heinen.
Influencer will dem Ballermann erst einmal fernbleiben
In Deutschland hat Jeremy Okoth im Übrigen wenig vergleichbare Erfahrungen gemacht, sich „nie rassistisch behandelt gefühlt“, wie er betont. Eigentlich sei er ein Beispiel dafür „wie Fortgeschritten wir sind, in Sachen Integration“. Trotzdem: Dass die Gesellschaft ein Stück nach rechts rücke, das Gefühl habe er durchaus. „ Aus seiner Sicht trifft es derzeit aber vor allem Menschen mit arabischen Wurzeln. „Aber es kann schon sein, dass es irgendwann dann alle trifft.“ Mit „alle“ meint er jeden und jede mit Migrationshintergrund.
Im Netz potenziert sich ohnehin alles: Mehr Liebe bekommt man dort, aber auch viel mehr Hass. Auch die Reaktionen auf sein Mallorca-Video seien „emotional in beide Richtungen“ gewesen. 20 private Nachrichten in der Woche bekomme er im Schnitt, in denen seine Hautfarbe thematisiert werde. Groß in Aufregung versetzt ihn das nicht. „Vielleicht bin ich einfach schon abgestumpft.“ Rassistische Reaktionen gibt es besonders auf Videos, die auch seine Freundin zeigen, die helle Haut hat. „Das geht teils in die Tausende“, sagt Okoth, „aber das ist immer noch ein kleiner Anteil.“
Mit Mallorca – zumindest mit dem Ballermann – hat Jeremy Okoth erst einmal abgeschlossen. So schnell zieht es ihn nicht mehr dorthin. Was das Thema Rassismus angeht, appelliert er für mehr Mut: „Der wichtigste Schritt gegen Rassismus, ist eigentlich, es nur nicht passieren zu lassen. Und sei es ‚nur’ zu einem Freund zu sagen: Ich finde es nicht okay, dass du das N-Wort benutzt hast, oder dass du ein Führershirt trägst“, sagt Okoth. „Aber das machen leider viel zu wenige.“
Erfolgreich im Social Web und mit einer App
InfluencerJeremy Okoth ist 21 Jahre alt, angefangen hat er mit einer Social-Media-Agentur. Mit seinem Freund und Geschäftspartner Hannes Kessel produziert er seit gut zweieinhalb Jahren auch eigenen Content für alle gängigen Plattformen – von Youtube über Tiktok bis Instagram. Plattformübergreifend erreichen sie mehrere Hunderttausend Follower.
App und VillaMit ihrer App „Splash – Party Spiele“, die haben Okoth und Kessel einen Download-Hit gelandet. Sie bietet eine große Auswahl an verschiedenen Party- und Gruppenspielen. Auf Mallorca gibt es die „Splash Villa“, ein Ferienhaus das für Events genutzt wird. Sie dient unter anderem als Location für Livestreams.