Holz wird knapp, Zimmerer schlagen Alarm

Die USA sowie auch Japan und China kaufen Bauholz und Spanplatten auf und zahlen horrende Preise. In Deutschland werden nicht nur Holzwerkstoffe und andere Baumaterialien knapp, sondern auch immer teurer. Handwerkern geht das Baumaterial aus.

Die Zimmerermeister Herbert Titze aus Kleinaspach (links) und Benjamin Bäuerle aus Allmersbach am Weinberg, beide Mitglieder der Zimmerer-Innung Rems-Murr, setzen sich für den Stopp des Holzexports ein. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Die Zimmerermeister Herbert Titze aus Kleinaspach (links) und Benjamin Bäuerle aus Allmersbach am Weinberg, beide Mitglieder der Zimmerer-Innung Rems-Murr, setzen sich für den Stopp des Holzexports ein. Foto: A. Becher

Von Florian Muhl

ASPACH/BACKNANG. „Es ufert immer mehr aus, die Lieferzeiten werden immer länger, die Preise fürs Holz steigen bei uns ins Unendliche.“ Herbert Titze und seinesgleichen schlagen Alarm. Der 63-Jährige aus Kleinaspach ist jetzt 48 Jahre im Zimmererhandwerk tätig, „aber so etwas habe ich noch nicht erlebt“, sagt Titze, der Mitglied des Vorstands und Ehrenobermeister der Zimmerer-Innung Rems-Murr ist. „Holz für den Export – für uns ist es dann fort! Stoppt den Holzexport!“ steht auf den rund zwei Meter breiten Bannern, die die Zimmerer-Innung hat anfertigen lassen. Titze hat einige aufgehängt, beispielsweise eines am Spiel- und Grillplatz in Allmersbach am Weinberg, um auf die Misere aufmerksam zu machen.

Titze schüttelt den Kopf: „Das ist eine Sache, die nicht ins Bild passt. Auf der einen Seite hat das Land Baden-Württemberg eine Holzbau-Offensive gestartet, dass man auch mehrgeschossig Holzbau machen kann, und auf der anderen Seite geht uns dazu das Material aus.“ Alle, die mit Holz schaffen, und auch andere Handwerker seien bestrebt, CO2 einzusparen. Aber dass man dann das Holz ins Ausland schafft, Übersee, schlage sich in der CO2-Bilanz sicher nicht positiv nieder, eher sei doch das Gegenteil der Fall.

„Und so zieht sich’s durch... das ist Wahnsinn.“

Die Knappheit betrifft nicht nur das Holz, weiß der Zimmerermeister. „Das zieht sich jetzt mit fast allen Baustoffen durch.“ Am selben Tag erst habe er eine E-Mail von einem Befestigungsmittellieferanten aufgemacht, eine von vielen, ähnlich lautenden Mails dieser Tage. Den Inhalt dieser Mail gibt Titze wider: „Teuerungszuschlag ab 3. Mai auf die und die Ware: 12,1 Prozent, auf die und die Schrauben: 11,4 Prozent, die Holzverbinder ab dem 1. Juni: 9 Prozent, und so zieht sich’s durch... das ist Wahnsinn.“

Betriebe, die jetzt Holzhäuser bauen würden, hätten jetzt das Problem, dass das Material irgendwann nicht mehr da sei. „Die sagen jetzt auch schon: Da kann’s uns passieren, dass wir im Sommer Kurzarbeit machen müssen, nicht, weil wir keine Aufträge haben, sondern, weil wir kein Material haben“, sagt der Innungsvorstand.

Titze weiß auch den Grund für die Holzknappheit: „Die USA kaufen jetzt den Markt leer. Angeblich gibt’s in Kanada einen Holzschädling, und den möchten sich die Amerikaner nicht einfangen, und deshalb beziehen sie jetzt kein Holz mehr von ihrem Hauptlieferanten Kanada, sondern kaufen den deutschen und europäischen Markt leer.“ Die Geschäfte würden über die Holzbörse in Chicago abgehandelt werden. „Die zahlen da fast jeden Preis. Qualitativ sind die bei weitem nicht so anspruchsvoll wie wir in Deutschland“, erklärt der Zimmerermeister. Selbst für Schrott, wie er sich ausdrückt, würde man noch einen guten Preis erhalten.

Titze ist es wichtig deutlich zu machen und klarzustellen, dass die Zimmererinnung keinesfalls die kleinen Waldbauern und auch nicht die kleinen Sägewerke angreifen will, sondern: „Das ist wirklich die Holzindustrie, die Großindustrie, die die Preise nach oben treibt, weil die merken, dass sie in Amerika jeden Preis kriegen, und das nützen die natürlich schamlos aus.“ Der Aspacher Zimmerer nennt ein Beispiel: „Das Großsägewerk Klenk in Oberrot, das seit geraumer Zeit einem österreichischen Konzern namens Binder gehört, das ist so ein großer Guru.“ Titze habe erfahren, dass Binder derzeit für zwei oder drei Wochen einen Auftragsannahmestopp hat, also keine Aufträge mehr annehme. „Da kriegen Sie jetzt gar nichts mehr.“

Grundsubstanz für Lacke ist derzeit auf dem Weltmarkt nicht lieferbar.

Nicht nur beim Holz sei die Lage katastrophal. Knappheit herrsche mittlerweile auch bei anderen Baustoffen wie Dämmstoffen oder Kunststoffrohren für den Hochbau oder Spanplatten. Aber auch Lacke sind betroffen. Laut eines Schreiners habe ein Lacklieferant mitgeteilt, dass er keinerlei farbige Lacke liefern könne, jedenfalls nicht vor Anfang Juni, weil die Grundsubstanz auf dem Weltmarkt nicht lieferbar sei. Die Folge: Kurzarbeit in der Lackfabrik. Wegen der besorgniserregenden Lage hat gab es dieser Tage einen runden Tisch mit dem Landesinnungsverband Holzbau Baden-Württemberg und der Sägeindustrie beziehungsweise den Sägewerkern sowie dem Forstminister Peter Hauk gegeben. Danach hat Hauk die Beteiligten gebeten, die Wertschöpfungskette einzuhalten. Wenn hier in einem der waldreichsten Länder Holz anfalle, solle man doch auch darauf achten, dass die Betriebe ihren Rohstoff Holz erhalten.

Ist die Situation seit Wochen noch nicht angespannt genug, wird sie vom Verhalten einiger zusätzlich verschärft. So weiß Titze: „Einige größere Betriebe meinen, sie müssten jetzt ihre Lager bis unters Dach füllen bis über die Nasenspitze raus, und kaufen jetzt das, was auf dem Markt ist leer quasi, und die anderen die das nicht machen, dich schauen dann in die Röhre, die kriegen dann wirklich gar nichts mehr.

Dieses Problem habe auch der Forstminister versucht, darzustellen, wie Titze erfahren hat. Demnach hat Hauk die großen Betriebe darum gebeten, nicht unnötig einzukaufen und zu lagern, sondern nur noch mit Maß und Ziel. Der Aspacher Zimmerermeister hat die Hoffnung, dass auch die Banner seiner Innung etwas bewirken können. „Wir möchten auch die Allgemeinheit einfach ein bisschen wach rütteln, was da vorgeht.“

„Bisher nicht da gewesen“

Dachdecker-Einkauf-Süd-Vorstand Björn Augustin schreibt an seine Mitglieder und Kunden:

Die aktuelle Marktsituation stellt alle Teilnehmer vor neue, in der Ausprägung bisher nicht da gewesene Aufgaben. Bedingt durch die Corona Pandemie fehlen sowohl im Handwerk als auch bei Handel und Industrie Personalressourcen, die Rohstoff- und Materialknappheit gibt ihr weiteres dazu.

Daraus resultierend erreichen uns fast täglich neue Preis- und Lieferzeitankündigungen seitens unserer Industriepartner. Im Bereich Konstruktions- und Schnittholz arbeiten wir aktuell mit Tagespreisen. Dachlattenpreise erreichen astronomische Höhen.

Die Dämmstoffindustrie erhebt teilweise Teuerungszuschläge auf bestehende Preisvereinbarungen. Für PU-Dämmstoffe steht zum 25. Mai beziehungsweise 1. Juni die nächste Preiserhöhungsrunde zwischen fünf und zehn Prozent an und so weiter.

Vor diesen Hintergrund bitten wir um Ihr Verständnis, dass wir keine langfristigen Preisbindungen in unseren Angeboten verbindlich zusagen können.

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Erstellt:
12. Mai 2021, 06:00 Uhr

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