Hunderte Karten erreichen Michel

Weihnachtskartenaktion zugunsten des querschnittsgelähmten Michel Mündlein ist ein Erfolg – Noch immer kommt Post an

Im Dezember hatte die Paulinenpflege Winnenden dazu aufgerufen, ihrem ehemaligen Klienten, dem querschnittsgelähmten Michel Mündlein, Weihnachtspost zukommen zu lassen. Noch immer trudeln Karten und kleine Geschenke bei dem 32-Jährigen in Backnang ein. Die Familie Mündlein ist überwältigt von der Resonanz.

Seit seinem Arbeitsunfall im Dezember 2018 ist Michel Mündlein querschnittsgelähmt. Sein Vater Karl besucht ihn fast täglich im Pflegeheim. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Seit seinem Arbeitsunfall im Dezember 2018 ist Michel Mündlein querschnittsgelähmt. Sein Vater Karl besucht ihn fast täglich im Pflegeheim. Foto: A. Becher

Von Lorena Greppo

BACKNANG. Wenn auf Facebook eine Aktion angekündigt wird, kann es gut sein, dass viele die Idee zwar gut finden und einen entsprechenden Kommentar schreiben, aber kaum jemand wirklich aktiv wird. Insofern hatte Matthias Knödler von der Paulinenpflege Winnenden zwar auf einige Postkarten für Michel Mündlein gehofft, mit dem Ergebnis habe er aber beim besten Willen nicht gerechnet. Am 16. Dezember hatte die Einrichtung auf Facebook dazu aufgerufen, ihrem ehemaligen Klienten, der seit einem Arbeitsunfall querschnittsgelähmt ist, eine Postkarte zu Weihnachten zu schicken (wir berichteten). Seitdem sind mehrere Hundert Karten, Briefe und Geschenke eingegangen. „Ich finde es berührend, dass das Ganze auch nach Weihnachten noch weitergegangen ist“, sagt Knödler. Ein Absender schrieb, er schicke statt Weihnachtskarten kurzerhand Urlaubskarten, berichtet Michels Vater Karl Mündlein. „Es ist überwältigend“, fasst er zusammen. Die Anteilnahme „bewegt uns sehr“, lässt auch Michels Schwester Eva ausrichten.

„Die Absender sind ein Querschnitt der Gesellschaft“

Nach Schätzung Karl Mündleins sind mehr als 400 Karten und Briefe sowie Geschenke – etwa ein besticktes Kissen, ein VfB-Trikot mit Unterschriften aller Spieler, ein VfB-Lampenschirm und Kuscheltiere – eingetroffen. „Die Karten sind oft sehr individuell gestaltet“, sagt er. Kinder hätten viel gemalt, aus Hamburg ist sogar eine Flaschenpost angekommen. Die weitesten Wege zu Michel nach Backnang haben Karten aus Singapur und Neuseeland zurückgelegt. Aber nicht nur die Art der Karten ist sehr unterschiedlich, auch Absender und Inhalt. „Die Absender sind ein Querschnitt der Gesellschaft – jung und alt, behindert und nicht behindert.“ Die Schreibweise hat es Michels Vater, der vor Kurzem selbst wieder angefangen hat zu schreiben, besonders angetan: „Es ist interessant, wie die Leute an die Sache herangehen. Manche schreiben ganz unbedarft drauflos, andere sind tiefgründig“, erzählt Karl Mündlein. Manchmal sei auch etwas für ihn als Vater dabei. „Einerseits finde ich das rührend, andererseits geht mir das sehr nahe“, beschreibt er.

Hunderte von Postkarten und Geschenken haben ihren Weg zu Michel gefunden. Foto: privat

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Hunderte von Postkarten und Geschenken haben ihren Weg zu Michel gefunden. Foto: privat

Michels Vater und seine Schwestern Eva und Annie lesen dem 32-Jährigen jede der Karten vor. „Inzwischen haben wir alle Karten durch“, sagt Karl Mündlein, jedoch treffen immer noch vereinzelte Exemplare ein. Michel selbst freut sich über die viele Post. Da er an eine Beatmungsmaschine angeschlossen ist, kann er nicht sprechen, formt jedoch Worte mit den Lippen. „Zu jeder Karte hatte er einen Kommentar parat, ein ‚wow‘, ein ‚toll‘“, schildert seine Schwester Annie. Nicht immer ist Michel gut drauf. „Manchmal mauert er“, sagt sein Vater, dann arbeitet er bei den Besuchen der Logopädin nicht mit. Schwester Annie sagt: „Ich möchte nicht verschweigen, dass ich und wir auch schon andere – schwerere – Tage mit ihm verbracht haben.“ Wenn Michel aber zurzeit keine Geschichten hören und keine Bilder anschauen will – bei seiner Post verhält es sich anders. „Ich frage dann, ob wir noch ein paar Karten anschauen sollen, und er formuliert ein Ja“, berichtet Karl Mündlein. „Die Karten sind der Renner, sie scheinen ihn immer wieder zu interessieren.“ Gemeinsam schauen sie dann auch die Briefmarken, die Gestaltung sowie die Namen der Absender an.

Michels Freude überträgt sich auf seine Angehörigen

Und Michels Freude überträgt sich auch auf die Familie, wie seine Schwestern beschreiben. „Mein Herz ist immer noch erfüllt von seinem erfreuten Gesicht beim Anblick eurer tollen Karten. Nicht nur Michel tut es gut, dass ihr ihm schreibt und an ihn denkt. Auch wir Angehörigen teilen die große Freude, die Michel empfindet“, lässt Annie auf Facebook über die Paulinenpflege mitteilen. Eva schreibt: „Ihr habt euch von Michels Schicksal berühren lassen und nicht nur ihm, sondern uns allen ein sehr großes und wertvolles Geschenk gemacht: Ihr habt Freude und Trost geschenkt. Und das nicht zu wenig.“

„Für uns ist das das Schönste, dass sich nicht nur Michel, sondern auch seine Familie freut“, sagt Matthias Knödler. Die Paulinenpflege Winnenden will die Aktion deswegen auch gerne weiterführen. „Vielleicht notiert sich der eine oder andere die Adresse und schickt etwas aus dem Urlaub. Oder jemand meldet sich in einem halben Jahr noch mal.“ Man werde die Briefe auch weiterhin an die Familie Mündlein weitersenden. „Tragt ihn weiterhin im Herzen und schickt ihm ab und zu eine Karte“, schreibt Michels Schwester Annie.

Info
Post bleibt erwünscht

Wer Michel Mündlein Post zukommen lassen möchte, kann auch weiterhin eine Postkarte an die Adresse Paulinenpflege Winnenden, Kennwort „Michel“, Ringstraße 106, 71364 Winnenden senden. Die Verantwortlichen der Paulinenpflege leiten die Postkarten dann an ihn weiter.

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Erstellt:
24. Januar 2020, 11:30 Uhr

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