„Ich bin ein Zeitungsenthusiast“

Das Interview: Backnangs Oberbürgermeister Frank Nopper hält eine unabhängige Tageszeitung vor Ort für unverzichtbar

Über die Welt- und Bundespolitik berichten viele Fernsehsender, Rundfunkstationen, Zeitungen, Magazine und Internetportale. Über Kommunalpolitik und das Geschehen vor Ort informiert in der Regel nur die Lokalzeitung. Für Backnangs Oberbürgermeister Frank Nopper hat die lokale Presse deshalb eine ganz besondere Bedeutung.

„Tageszeitungen machen, wenn sie objektiv und differenziert berichten, die Bürger zu mündigen Bürgern“, sagt Frank Nopper. Für den Backnanger Oberbürgermeister ist die tägliche Lektüre fester Bestandteil seines Arbeitsalltags. Foto: A. Becher

© Pressefotografie Alexander Beche

„Tageszeitungen machen, wenn sie objektiv und differenziert berichten, die Bürger zu mündigen Bürgern“, sagt Frank Nopper. Für den Backnanger Oberbürgermeister ist die tägliche Lektüre fester Bestandteil seines Arbeitsalltags. Foto: A. Becher

Von Kornelius Fritz

Welche Zeitungen lesen Sie persönlich und wie viel Zeit nehmen Sie sich dafür jeden Tag?

Ich war zeitlebens ein Zeitungsenthusiast und bin es immer noch. Morgens um 6 Uhr hole ich, noch im Nachtgewand, die Backnanger Kreiszeitung und die Stuttgarter Zeitung aus dem Briefkasten. Dann beginne ich den Tag mit einer halbstündigen Zeitungslektüre. Im Rathaus haben wir zusätzlich noch die Waiblinger Kreiszeitung, die Stuttgarter Nachrichten und die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Insgesamt lese ich täglich rund eine Stunde Tageszeitung – in gedruckter oder digitaler Form. In früheren Jahren war es sogar einmal deutlich mehr: Während meines Studiums habe ich sicher zwei Stunden pro Tag Zeitungen gelesen.

Was macht für Sie eine gute Zeitung aus?

Qualität, Objektivität, Originalität. Dazu gehört für mich, dass die Artikel solide recherchiert sind, dass sauber getrennt wird zwischen Bericht und Kommentar und dass das Bemühen um Objektivität erkennbar ist. Ich finde es ganz wichtig, dass eine unabhängige Tageszeitung, die sich an alle richtet, nicht zur tendenziösen Richtungszeitung wird. Und eine Tageszeitung sollte auch eine eigene Note haben, sollte eigene Akzente setzen: in der Positionierung, in der Themensetzung, in der Aufmachung.

Nun sind Sie nicht nur Zeitungsleser, sondern es wird auch regelmäßig über Sie berichtet. Ärgern Sie sich manchmal darüber, was über Sie geschrieben wird?

(lacht) Ja, natürlich ärgere ich mich ab und zu, vor allem dann, wenn ich mich unberechtigt und unfair kritisiert fühle. Manchmal ärgere ich mich zu Recht, manchmal zu Unrecht. In jedem Fall verraucht mein Ärger dann aber auch schnell wieder.

Das Verhältnis zwischen Politikern und Journalisten ist ambivalent: Manchmal profitieren Sie von der Presse, wenn diese über Ihre „Wohltaten“ berichtet, manchmal stehen Sie aber auch in der Kritik. Wie nehmen Sie diese Beziehung wahr? Empfinden Sie Journalisten eher als Partner oder als Gegner?

Weder noch. Sie sollten konstruktive Begleiter mit kritischer Distanz sein. Vielleicht haben wir Kommunalpolitiker ein klein wenig mehr Milde verdient als die Politiker höherer Ebenen – zum einen, weil unsere Erfolge und Misserfolge leichter messbar sind, und zum anderen deswegen, weil das Wohlergehen einer Region und einer Stadt das gemeinsame Anliegen einer Stadtverwaltung, eines Gemeinderats und einer Lokal- oder Regionalzeitung ist.

Die Machthabenden kritisch zu begleiten, ist die Aufgabe der Presse in einer Demokratie. Umgekehrt haben die Medien aber natürlich auch die Möglichkeit, die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Wo verläuft aus Ihrer Sicht die Grenze zwischen kritischer Berichterstattung und Meinungsmache?

Die Grenze ist dann erreicht, wenn Journalisten jegliches Bemühen um Objektivität aufgeben und sogar Fakten ausblenden. Das habe ich bei uns vor Ort noch nicht erlebt. Beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk aber schon, obwohl er durch das Privileg der Gebührenfinanzierung in einer ganz besonderen Verpflichtung steht. Deswegen muss er sich von tendenziöser Berichterstattung frei halten und insbesondere darf er keine Fakten unterschlagen.

Wann und wo wurden denn Informationen unterschlagen?

Ich erinnere an die Silvesternacht von Köln zum Jahreswechsel 2015/16 mit den bekannten sexuellen Übergriffen. Vier Tage hat etwa das Team des Heute-Journals gebraucht, um über die Wahrheit zu berichten, weil die Vorkommnisse von Köln offenbar nicht seinem Weltbild entsprachen. Ich finde schon, dass einige Medien und vor allem die öffentlich-rechtlichen Sender hier unglaubliche Fehler gemacht haben. Viele Leute haben daraufhin gesagt: Wir fühlen uns nicht ausreichend informiert, wir fühlen uns manipuliert. Das Verhalten dieser Leitmedien hat geradezu eine Vertrauenskrise ausgelöst.

Glauben Sie wirklich, dass das an der persönlichen Gesinnung der Journalisten lag?

Ja, den Eindruck habe ich. Es gibt einige Journalisten, die eigentlich lieber Politiker wären und fast schon zwanghaft ihre höchstpersönliche Sicht der Dinge verbreiten wollen. Ich denke etwa an Claus Klebers Interview mit Sebastian Kurz im Heute-Journal vor wenigen Wochen. Wie kann ein Journalist eines einzelnen ausländischen Mediums so anmaßend sein und dem designierten österreichischen Kanzler vorschreiben wollen, mit wem er zu koalieren hat? Und dies, obwohl der legendäre Tagesthemen-Moderator Hanns-Joachim Friedrichs einmal zurecht gesagt hat, dass sich ein guter Journalist nicht mit einer Sache gemein machen darf, nicht einmal mit einer guten.

Aber es ist doch die Aufgabe eines Journalisten, kritische Fragen zu stellen.

Er hat aber nicht gefragt, sondern suggeriert: Das müssten Sie jetzt tun, wenn Sie es richtig machen würden. Und ich weiß, was richtig ist. Das war überheblich, anmaßend und besserwisserisch. Das war Belehrungsjournalismus und kein Informationsjournalismus.

Oft hört man auch den Vorwurf, dass die meisten Journalisten einem „politischen Mainstream“ folgen und abweichende Meinungen nicht mehr vorkommen. Ist da etwas Wahres dran?

Wir haben bei uns im Südwesten Gott sei Dank noch eine relativ vielfältige Medienlandschaft, die aber leider unter dem Druck sinkender Auflagen an Vielfalt verliert. Ich halte es für einen ganz wichtigen Auftrag von Tageszeitungen, nicht nur Mehrheits- und Mainstreammeinungen zu publizieren, sondern auch abweichende Meinungen. Es tut unserer demokratischen Kultur nicht gut, wenn die Leute den Eindruck gewinnen, dass nur noch Einheitsmeinungen vertreten werden, ja sogar nur diese vertreten werden dürfen. Es muss uns nachdenklich stimmen, wenn laut einer aktuellen Untersuchung des Meinungsforschungsinstituts Allensbach 78 Prozent der Befragten erklären, dass sie bei bestimmten Themen mittlerweile vorsichtig sind, und wenn laut Shell-Jugendstudie 68 Prozent der jungen Menschen behaupten, abweichende Meinungen darf man nur noch im privaten Umfeld erklären.

Fast alle Zeitungen haben mit rückläufigen Auflagenzahlen zu kämpfen. In der Folge wird in vielen Redaktionen Personal abgebaut, auch die Zahl der Zeitungstitel geht zurück. In den USA gibt es schon heute Regionen, in denen es keine lokale Tageszeitung mehr gibt. Macht Ihnen diese Entwicklung Sorgen?

Es wäre höchst bedauerlich, wenn es auch bei uns so weit kommen würde. Wenn wir die Backnanger Kreiszeitung nicht mehr hätten, würde uns ein ganz wichtiger Vermittler von Kommunalpolitik fehlen. Tageszeitungen machen, wenn sie objektiv und differenziert berichten, die Bürger zu mündigen Bürgern. Deshalb ist es auch in unserem Interesse als Kommunalpolitiker, dass die Tagespresse stark ist und stark bleibt.

In manchen Rathäusern gibt es Bestrebungen, die Berichterstattung, etwa über Lokalpolitik, selbst in die Hand zu nehmen und mit eigenen Publikationen der lokalen Presse Konkurrenz zu machen. Was halten Sie von solchen Ideen?

Ich habe noch nie etwas von der Neugründung von Amtsblättern gehalten, wenn es vor Ort eine intakte Presselandschaft gibt. Dies gilt erst recht in einer Zeit, in der die Printmedien unter Druck sind und die Auflagen sinken. Eine derart universelle Berichterstattung könnte eine Stadtverwaltung sowieso nicht leisten. Aber selbst die Kommunalpolitik ist bei einer freien und unabhängigen Tageszeitung in besseren Händen. Ich glaube jedenfalls nicht, dass wir es als Stadtverwaltung mit einem Amtsblatt besser könnten.

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Erstellt:
6. November 2019, 06:00 Uhr

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