Im ehemaligen Schutzraum wachsen Pilze

Unter dem Grundstück von Lutz-Dietrich Schweizer befindet sich der ehemalige Bunker der Lederfabrik. Dieser wird nun ganz anders genutzt.

Vor einigen Jahren haben Lutz-Dietrich Schweizer und seine Familie die verschiedenen Zimmer im Bunker leer geräumt. Foto: Jörg Fiedler

© Jörg Fiedler

Vor einigen Jahren haben Lutz-Dietrich Schweizer und seine Familie die verschiedenen Zimmer im Bunker leer geräumt. Foto: Jörg Fiedler

Von Lorena Greppo

Backnang. Als Lutz-Dietrich Schweizer und seine Frau 1993 ihr Haus gekauft haben, war der dazugehörige ehemalige Bunker noch voll. Er ist einer von elf erhaltenen Bunkern in Backnang. In den Einzelräumen, die vom Hauptflur abgehen, standen zahlreiche Stockbetten und Akten – alles aber in schlechtem Zustand. „Es war ein fauliger, stinkender Haufen“, bringt es Schweizer auf den Punkt. In der Folge tummelten sich in den unterirdischen Räumen die Ratten, die irgendwann auch Schweizers nicht mehr in Ruhe ließen. Der Kammerjäger machte damals klar: Damit man der Rattenplage Herr wird, muss der ganze Krempel raus.

Das war vor etwa zehn bis 15 Jahren, erinnert sich Schweizer. Die Familie habe dann zugepackt und entrümpelt. Das war keine kleine Angelegenheit: Über ein halbes Jahr waren sie fast jeden Samstag im Einsatz und füllten mehrere Container. Der Inhalt der Akten habe dabei nicht interessiert. „Am Rand konnte man manchmal noch etwas lesen, der Rest war vergammelt“, erklärt Lutz-Dietrich Schweizer. Einige Patronenhülsen hätten sie zudem gefunden.

400 Leute konnten Zuflucht finden

Hilfreich war es für Schweizers beim Ausräumen, dass der ehemalige Bunker nicht nur einen Eingang hinter dem Haus in der Straße Zwischenäckerle hat, sondern noch einen weiteren Zugang in der Gartenstraße – also 14 Meter tiefer. So musste das zu entsorgende Material nicht noch mühsam die Treppenstufen raufgeschleppt werden.

Der unterirdische Hohlraum selbst diente einst als Schutzraum für die Angestellten der Schweizer-Lederfabrik sowie Anwohner aus den umliegenden Straßen. „Hier sollten bis zu 400 Leute unterkommen“, weiß Schweizer. Obwohl der Bunker recht weiträumig ist, ist es darin bei Bombenalarm eng zugegangen. „Meine Großmutter väterlicherseits hat davon erzählt. Auch die Schlafplätze in den Betten waren sehr knapp bemessen, aufsetzen konnte man sich darin nicht.“ Die Menschen hätten sich vor allem im Flur aufgehalten. Ab 1943 sei regelmäßig der Alarm ertönt, weiß der Backnanger. Weil viele Deutsche zu diesem Zeitpunkt bereits als Soldaten eingezogen worden waren, suchten vor allem die sogenannten Fremdarbeiter hier Zuflucht.

Hohe Luftfeuchtigkeit und keine Beleuchtung

Nachdem Schweizers die Räume geleert haben, konnten sie mit dem vielen Raum doch bestimmt einiges anstellen, oder? Nicht ganz. Beleuchtung gibt es nicht, außerdem liegt die Temperatur im Bunker das ganze Jahr über bei acht Grad Celsius und die Luftfeuchtigkeit ist hoch. „Wir hatten anfangs überlegt, die Fahrradwerkstatt unten einzurichten, aber das ging nicht, die Räder haben sofort Rost angesetzt“, erklärt Lutz-Dietrich Schweizer.

Entlang der Treppe hat er allerdings vor vielen Jahren eine Rutsche installiert, die von seinen Kindern in jungen Jahren genutzt wurde. Sein Sohn Robert war es auch, der jüngst noch eine andere Idee zur Nutzung gehabt hatte: Die feuchte Umgebung eignet sich wunderbar für Speisepilzkulturen. „Das war ein großer Erfolg“, sagt Lutz-Dietrich Schweizer rückblickend. Über drei Monate hinweg habe die Familie eine reiche Ernte gehabt und gar einige Nachbarn mitversorgt.

Ein Ausbau ist nicht geplant

Einen Ausbau der unterirdischen Räume hingegen streben Schweizers nicht an. „Das wäre eine riesige Baustelle“, weiß der Backnanger Stadtrat. Dabei gäbe es auch diverse Probleme. „Ich wüsste gar nicht, wer da alles beteiligt wäre“, räumt er ein. Zwar habe man nur von seinem Grundstück aus Zugang zu den Räumen, aber der Bunker befinde sich auch unter anderen, angrenzenden Grundstücken. Streng genommen bestehe bei solchen Hohlräumen wohl auch Einsturzgefahr. „Ich habe es allerdings wochenlang beobachtet, bevor ich das erste Mal runter bin. Da ist nichts runtergekommen“, so Schweizer. Dennoch achte er darauf, dass sich niemand unbefugt Zutritt verschaffen kann.

Ein kurzer Besuch im Bunker hat aber gerade im Sommer einen unschlagbaren Vorteil: Auch in einer lang anhaltenden Hitzewelle bleibt es darin stets kühl.

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Erstellt:
31. August 2022, 06:00 Uhr

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