Backnangs Bunker bleiben geschlossen

Drei der vier städtischen unterirdischen Schutzräume werden längst nicht mehr genutzt und sind inzwischen versiegelt.

Im ehemaligen Bunker in der Fabrikstraße werden Strahlenmodule zur Krebstherapie getestet. Archivfoto: Alexander Becher

© Pressefotografie Alexander Beche

Im ehemaligen Bunker in der Fabrikstraße werden Strahlenmodule zur Krebstherapie getestet. Archivfoto: Alexander Becher

Von Lorena Greppo

Backnang. Sobald der Alarm losgeht, sucht die Bevölkerung in unterirdischen Stollen Schutz – so kennt man es aus Filmen, in denen Kriegsszenen dargestellt werden. Als im Frühling in der Ukraine der Krieg ausgebrochen ist, haben sich einige Menschen gefragt: Was passiert, wenn irgendwann auch wir angegriffen werden sollten? Gibt es derartige unterirdische Schutzräume noch? Die Frage ist wie so oft nicht ganz so einfach zu beantworten. Denn unterirdische Räume gibt es nach wie vor vielerorts noch. Doch werden sie nicht mehr als Schutzräume genutzt. „Es gibt im Rems-Murr-Kreis offiziell keine Schutzräume beziehungsweise Bunker mehr“, lautet die Auskunft aus dem Landratsamt. Bundesweit seien diese Bauten Anfang der 2000er-Jahre abgerissen oder anderen Bestimmungen zugeführt worden. Letzteres heißt zumindest, dass die Bunker und Stollen noch vorhanden sind.

Im Backnanger Stadtgebiet gibt es noch 11 Bunker

Die Nachfrage bei der Stadt Backnang fördert weitere Erkenntnisse zutage. Nach Kenntnisstand der Stadtverwaltung gab beziehungsweise gibt es im Stadtgebiet elf Bunker. Vier von ihnen sind städtisch, die anderen sieben befinden sich in privater Nutzung. Über deren Zustand und Nutzung könne man folglich auch keine Aussage machen, die Stadt hat zu diesen Anlagen keinen Zugang. Lutz-Dietrich Schweizer etwa hat seinen Bunker zur Aufzucht von Speisepilzen genutzt.

Verantwortlich für den Stollenbau, mit dem bei Kriegsausbruch begonnen wurde und der um die Jahreswende 1941/42 seinen Höhepunkt erreichte, waren neben der Stadt auch große Firmen. Zwar dachten sie in erster Linie an ihre Mitarbeiter, „doch die Bunker durften auch von den Bewohnern in der Nähe genutzt werden“, erzählte Gerhard Dieterich vor einigen Jahren. Er kannte sich mit den Backnanger Bunkern bestens aus, hat er doch einst Führungen zu diesen geleitet. Auf die Kriegszeit Bezug nehmend erklärte er: Der Platz in den Bunkern Backnangs zusammen hätte aber schon damals nicht gereicht, um allen Bürgerinnen und Bürgern der Stadt Schutz zu bieten.

Heute sind die vier städtischen Schutzstollen nach Angaben der Stadt Backnang sicher verschlossen und dem Landesbergamt gemeldet. Vor einigen Jahren konnten manche Bunker und Stollen im Rahmen von Stadtführungen besichtigt werden – die Teilnahme erfolgte auf eigenes Risiko. Heute sei das ausgeschlossen. „Eine Begehung ist schon allein aus Sicherheitsgründen nicht möglich.“ Die Hohlräume seien aufgrund der Verkehrssicherungspflicht verschlossen worden, damit „keine Personen sich unbefugt Zutritt verschaffen können“.

Zustand der Anlagen wird nicht überprüft

Auch Bauhofleiter Rafael Bidlingmaier und sein Team betreten die künstlichen Hohlräume nicht. „Die sind zugeschweißt. Wir überprüfen nur regelmäßig, dass sie auch immer noch verschlossen sind.“ Der Zustand der Anlagen werde folglich nicht überprüft. Die Schutzstollen sind katalogisiert, die Zuständigkeit hierfür liegt inzwischen beim Landesbergbauamt (siehe Infobox). Der ehemalige Stollen am Etzwiesenberg sei schon etwa 2005 verschlossen worden, berichtet Bidlingmaier.

Bei der Anlage an der Theodor-Körner-Straße seien früher immer wieder Kontrollgänge angesagt gewesen, bis auch diese gesperrt wurde. Und auch der Bunker in der Talstraße war vor einigen Jahren noch geöffnet. Hobbyfotografen auf der Suche nach sogenannten Lost Places, also verlassenen Orten, hatten sich in der Vergangenheit ab und zu in die Anlagen geschlichen. Davon zeugen diverse Fotos, die man im Internet noch finden kann.

In einem Bunker werden Strahlenmodule zur Krebstherapie getestet

Lediglich der etwa 120 Meter lange und in U-Form durch den Fels getriebene Bunker in der Fabrikstraße ist nicht versiegelt. Er wurde 1945 erbaut, wohl als Produktionsbunker für kriegswichtige Güter. Zum Einsatz kam er allerdings nicht mehr, denn der Krieg war vorher zu Ende. Er wird seit einigen Jahren von einer Firma gemietet, die mit der Erlaubnis von Stadt und Regierungspräsidium hier Strahlenmodule zur Krebstherapie testen – mit einem ausgeklügelten Sicherheitssystem, versteht sich.

Könnte man die ehemaligen Schutzräume denn wieder auf Vordermann bringen? Vor vielen Jahren sei dem Versuch, dieses Projekt anzugehen, ein Riegel vorgeschoben worden, wie die Stadtverwaltung mitteilt. „Laut Altakten hat die Stadtverwaltung Backnang dem Landratsamt RMK bereits 1985 mitgeteilt, dass für die Nutzbarmachung der vorhandenen Schutzstollen die Voraussetzungen und die Haushaltsmittel fehlen. Damals war ein Antrag auf Förderung gestellt worden, dieser wurde laut Aktenlage nicht positiv beschieden. Das Projekt der Nutzbarmachung wurde daraufhin aufgegeben.“ Der Katastrophenschutz obliegt den Ländern. Untere Katastrophenschutzbehörde ist der Landkreis. Mit diesem werde gemeinsam geprüft, ob die Nutzbarmachung aus Gründen der Gefahrenabwehr unter heutigen Anforderungen Sinn macht.

Nur noch 600 Stollen in Deutschland sind dem Zivilschutz gewidmet

Schutzräume Ursprünglich, erklärt die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, unter deren Aufsicht die öffentlichen Schutzräume sind, gab es deutschlandweit 2000 öffentliche Bunkeranlagen. Übrigens ganz unterschiedliche: eigens zu dem Zweck über- oder unterirdisch Gebautes, auch Tiefgaragen, Bahnhöfe, Stollen. Aktuell sind nur noch rund 600 von ihnen formal dem Zivilschutz gewidmet.

Kontrolle In Baden-Württemberg gibt es nach Angaben des Landesamts für Geologie, Rohstoffe und Bergbau (LGRB) ungefähr 2000 künstliche Hohlräume aus stillgelegten Bergwerken sowie künstlich unter Tage errichteten und nicht mehr genutzten Anlagen wie Luftschutzstollen, ehemalige militärische Objekte und tiefe Bohrlöcher. Die Gefährdung der Tagesoberfläche durch die Existenz derartiger unterirdischer Einrichtungen nimmt mit dem Alter zu. Dem LGRB wurde deshalb die polizeirechtliche Zuständigkeit für die Kontrolle und Entscheidung über mögliche Gefahrenabwehrmaßnahmen übertragen.

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Erstellt:
31. August 2022, 06:00 Uhr

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