Blatten in der Schweiz
Im Katastrophengebiet wächst die Angst vor Regen und Sonne
Es sieht so aus, als sei die Gefahr am gestauten Gebirgsfluss Lonza gebannt. Das Wasser hat sich Wege ins Tal gebahnt. Die Wettvorhersage bereitet allerdings Sorge.

© Jean-Christophe Bott/KEYSTONE/dpa
Ein Blick auf den abgelassenen Ferdener Stausee in Ferden. Ein großer Teil des Dorfes Blatten im Lötschental im Kanton Wallis wurde unter Massen von Eis, Schlamm und Felsen begraben.
Von Markus Brauer/dpa
Im Lötschental im Schweizer Kanton Wallis schauen Anwohner bange auf die Wettervorhersage. Am Sonntag (1. Juni)soll Regen einsetzen, dazu kommt die Eisschmelze. Das alles könnte den gigantischen Schuttkegel, der das Dorf Blatten unter sich begraben hat und den Abfluss des Gebirgsflusses Lonza teils blockiert, destabilisieren. Damit wächst die Gefahr eines Murgangs. Dabei geraten Fels, Geröll und Schlamm in Bewegung und rutschen talabwärts. Das könnte Gemeinden weiter unten im Tal gefährden.
„Natur gibt den Rhythmus vor“
Viel machen können die Behörden nicht, um ein solches Desaster abzuwenden. „Die Natur gibt den Rhythmus vor“, sagt Staatsrat Stephane Ganzer. Zum einen beschleunige die derzeitige Hitze die Schneeschmelze, zum anderen drohten nächste Woche starke Regenfälle. Beides hat direkten Einfluss auf den Schuttkegel.
Die Masse aus etwa neun Millionen Kubikmeter besteht nach Schätzungen zu einem Drittel aus Eis. Es war nach den Felsstürzen der vergangenen Wochen am Mittwoch vom Birschgletscher abgebrochen und mit Unmengen Geröll und Schutt ins Tal gedonnert. Die rund 300 Einwohner von Blatten waren vorher in Sicherheit gebracht worden.
Gestauter Gebirgsfluss fließt langsam ab
Es ist möglich, dass sich mit dem Wasser auch Geröll oder Eis aus dem gigantischen Schuttberg löst und abgeht, wie Jonas Jeitziner vom Führungsstab sagt. Weil das Gelände unterhalb des Schuttkegels nicht steil und das Flussbett der Lonza dort weit sei, sei das Risiko größerer Schäden weiter unten im Tal vorhanden, aber gering. Größere Gefahr drohe durch weitere Felsabgänge im Abbruchgebiet oberhalb von Blatten. Das Gebirge sei dort weiter instabil.
Die Lage entlang der Lonza war zum Wochenendauftakt ruhig, berichtet der Führungsstab. Das Wasser des hinter dem Schuttkegel aufgestauten Gebirgsflusses floss durch und über den Schuttkegel ab. Es fließe etwa gleich viel Wasser in den aufgestauten See, wie über den Schuttkegel abfließe, teilt der Führungsstab mit. In dem Stausee sind fast alle der zunächst verschonten Häuser von Blatten versunken.
Wasser aus Staubecken abgelassen
Wenn das Wasser der Lonza aus dem Schuttkegel Geröll und anderes Material mitreißt und talwärts treibt, soll dies ein Staubecken in Ferden rund sechs Kilometer talabwärts vom Katastrophengebiet auffangen. Deshalb wurde der dortige Kraftwerkbetreiber angewiesen, weiterhin Wasser abzulassen.
Wenn der Stausee für die Wassermenge nicht reicht, wären die Ortschaften Gampel und Steg am unteren Lauf der Lonza gefährdet. Kurz vor dem Eintritt in die Rhone fließt die Lonza teils durch relativ enge Betonkanäle, die bei einem Anschwellen schnell über die Ufer treten könnten. Überall sind Messgeräte im Einsatz, um die Lage rund um die Uhr zu überwachen.
Zunächst keine weiteren Evakuierungen geplant
Die Gemeinden Gampel und Steg informierten die Bevölkerung, dass nun Baumaschinen eingesetzt werden, um den Abfluss sicherzustellen. „Es geht darum, den reibungslosen Ablauf von Geröll und Schwemmholz durch das Bachbett der Lonza innerhalb der Dorfschaften zu gewährleisten“, heißt es. Zwar sei zunächst keine Evakuierung vorgesehen, aber die Behörden blieben wachsam.
Das Wasser der Lonza, das an der Staumauer Ferden ankommt, ist mit Sand und Abrieb aus dem Schuttkegel stark verschmutzt. Es kann deshalb nicht zur Stromproduktion durch die dort installierten Turbinen geleitet werden.
Weitere Felsstürze möglich
Oberhalb des Lötschentals war im Gebirge auf rund 3000 Metern über Tage instabiler Fels abgebrochen und auf den darunterliegenden Birschgletscher gedonnert. Der brach am Mittwochnachmittag (28. Mai) ab und rauschte mit gigantischen Mengen Eis, Fels und Geröll ins Tal.