Im Taxi ungewollt geküsst und angefasst

Ein selbstständiger Taxiunternehmer wird vor dem Amtsgericht Backnang wegen sexueller Belästigung einer 18-Jährigen verurteilt.

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© Matthias Nothstien

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Von Jutta Rieger-Ehrmann

Backnang. Was macht eine junge Frau, wenn sie – ohne Auto – nach einer Geburtstagsparty gegen 1 Uhr nachts sicher nach Hause kommen möchte? Genau, sie ruft ein Taxi. Dies tat auch die Geschädigte, deren Fall dem Backnanger Amtsgericht vorlag. Verhandelt wurde ein Einspruch gegen einen Strafbefehl wegen sexueller Belästigung, der mit der Bestätigung des Strafbefehls und einer Verurteilung endete.

Doch der Reihe nach. An dem Abend der Geburtstagsfeier orderte die 18-Jährige ein Taxi – und zwar ein bestimmtes, mit dessen Fahrer sie schon öfter mitgefahren war, allerdings bisher immer in der Gruppe. Mit der Schwester des Gastgebers wartete sie auf dem Parkplatz eines Sportvereins in einer Backnanger Umlandgemeinde.

Schon beim Einsteigen küsste sie der Fahrer unvermittelt und ließ während der Fahrt seine Hand auf ihrem Oberschenkel liegen – ohne ihr Einverständnis, so die Aussage der Geschädigten. Beim Aussteigen soll er sie ein zweites Mal geküsst haben. Sie sei, ohne zu bezahlen, aus dem Auto gesprungen und in ihre Wohnung gelaufen. Da sie müde und auch etwas angetrunken gewesen sei, sei sie gleich zu Bett gegangen.

Ihre erste Anlaufstelle in den Tagen darauf waren die Sozialarbeiter des Jugendtreffs in ihrer Heimatgemeinde, die ihr zu einer Anzeige rieten. Erst später erzählte sie ihrer Mutter und ihrer besten Freundin, was vorgefallen war. Letztere rief bei dem vermeintlichen Chef des Taxifahrers an, erfuhr aber dort, dass dieser nur ab und zu Fahrten übernehme, jedoch selbstständig sei, und er deshalb nichts unternehmen könne. Allerdings ließ er durchblicken, dass die Anruferin nicht die Erste sei, die sich über besagten Taxifahrer beschwert habe.

Anwalt versucht, die Glaubwürdigkeit der jungen Frau in Frage zu stellen

In seiner Zeugenaussage konnte er sich jedoch angeblich nicht mehr genau an das Telefonat erinnern. Erst nach mehrfacher Ermahnung, die Wahrheit zu sagen, räumte er ein, er habe so etwas in der Richtung von einem Freund gehört. Ein weiterer Zeuge, der Jugendreferent der Heimatgemeinde, sagte aus, dass die Geschädigte oft zu dem offenen Jugendtreff gekommen sei und ein beidseitiges Vertrauensverhältnis zwischen ihnen herrsche. Die 18-Jährige, berichtete er, habe keine einfache Jugend gehabt, wohne aber inzwischen in einem Schwesternwohnheim, da sie eine Ausbildung zur Krankenschwester begonnen habe.

Derweil versuchte der Anwalt des Angeklagten immer wieder, die Glaubwürdigkeit der jungen Frau infrage zu stellen – die zentrale Frage in solchen Fällen. So stellte er zwei Beweisanträge, zum einen die Befragung einer Zeugin betreffend, die in der Partynacht einen Teil der Strecke im Taxi mitgefahren war, zum anderen sollte ein Glaubwürdigkeitsgutachten über die 18-Jährige erstellt werden. Auch die anscheinend kurze Ermittlungszeit war ein Kritikpunkt des Anwalts. Beide Anträge wurden durch einen Beschluss des Richters abgelehnt. Eine wichtige Frage blieb jedoch, warum die Geschädigte nicht gleich zu Beginn der Fahrt wieder ausgestiegen sei und sich auch später nicht gewehrt habe. Sie erklärte, sie habe große Angst gehabt, nachts alleine heimzugehen, und habe gehofft, trotz allem noch einigermaßen sicher und schnell nach Hause zu gelangen.

Der Angeklagte ist 36 Jahre alt, verheiratet und hat zwei Kinder. Einträge im Bundeszentralregister gibt es nicht. Zur Sache machte er keine Angaben. Damit war die Beweisaufnahme abgeschlossen. Der Staatsanwalt plädierte für eine Geldstrafe von 70 Tagessätzen à 100 Euro und ein Fahrverbot von einem Monat. Für ihn gebe es keinen Zweifel, dass der Angeklagte das Vertrauen der jungen Frau missbraucht habe. Diese habe das Kerngeschehen mehrfach glaubhaft wiedergegeben, sie habe es sich nicht ausgedacht.

Der Rechtsbeistand des Angeklagten wiederholte seine Zweifel an ihrer Aussage. Die Wahrheitskriterien fehlten ihm zufolge, die eigene Sachkunde des Gerichts reiche nicht aus. Der Richter hatte jedoch ebenso wie der Staatsanwalt keine Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Geschädigten. Die Konstanz und Logik der Aussagen in Bezug auf das Geschehen seien gegeben, ein Motiv für eine Falschaussage sei nicht erkennbar. Die 18-Jährige zeige zudem keine übermäßige Belastungstendenz, aber Anzeichen einer Traumatisierung. So erging folgendes Urteil: Der 36-Jährige wurde zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen à 50 Euro und zu einem Fahrverbot von einem Monat verurteilt. Er trägt die Kosten des Verfahrens.

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Erstellt:
2. Februar 2023, 11:30 Uhr

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