Immer weniger junge Flüchtlinge

Das Kreisjugendamt begleitet noch 156 Personen – Übergang an Kommunen ist zu organisieren

Die Situation ist lange nicht mehr so wie 2015, in dem Jahr, in dem die Kommunen sehr erfinderisch sein mussten, um die Flüchtlinge unterzubringen. Bundesweit haben die Flüchtlingszahlen abgenommen.Auch die Zahl der unbegleiteten minderjährigen Ausländer (Uma) hat sich spürbar verringert. Archivfoto: E. Layher

© Edgar Layher

Die Situation ist lange nicht mehr so wie 2015, in dem Jahr, in dem die Kommunen sehr erfinderisch sein mussten, um die Flüchtlinge unterzubringen. Bundesweit haben die Flüchtlingszahlen abgenommen.Auch die Zahl der unbegleiteten minderjährigen Ausländer (Uma) hat sich spürbar verringert. Archivfoto: E. Layher

Von Armin Fechter

WAIBLINGEN. Mit der bundesweiten starken Abnahme der Flüchtlingszahlen hat sich auch die Zahl der unbegleiteten minderjährigen Ausländer (Uma) spürbar verringert. Wie Kreisjugendamtsleiter Holger Gläss gestern berichtete, haben die Fälle seit März vergangenen Jahres um 100 auf jetzt 156 abgenommen. Landrat Richard Sigel fasste die Situation mit den Worten zusammen: „Das Thema hat an Tagesaktualität und Dramatik komplett verloren.“

Schon die Altersentwicklung sorgt dafür, dass die Jugendlichen aus der Statistik herausfallen. Nach Gläss’ Worten im Jugendhilfeausschuss sind 72 Prozent, also rund drei Viertel, 18 Jahre und älter. Spätestens im Alter von 21 Jahren sind sie kein Fall fürs Jugendamt mehr – sie scheiden aus der Jugendhilfe aus. Bleiben die Rahmenbedingungen stabil, so werden die Uma-Zahlen in den beiden kommenden Jahren weiter deutlich sinken, prognostizierte Gläss. Aber: Sollten sich die Migrationsströme verändern, könnte sich dies auf die aktuellen Verteilmechanismen auswirken und zu einem neuen Anstieg führen.

In der gegenwärtigen Situation aber wird es für die Behörden und die Kommunen immer wichtiger, den Übergang von der Jugendhilfe in die Zuständigkeit der Kommunen zu organisieren. Dabei geht es zunächst darum, die Betreuungsformen – je nach persönlichen Fortschritten und Integrationsgrad – anzupassen. Das heißt: Der Betreuungsaufwand soll zugunsten einer selbstständigeren Lebensführung reduziert werden.

Das spiegelt sich jetzt schon in den Statistiken der freien Träger wider, die das Jugendamt für die Aufgabe mit ins Boot geholt hat: Nur noch rund 25 Prozent der Betreuten müssen mit intensiveren Hilfen in dezentralen Wohngruppen und Gastfamilien versorgt werden. Im März vergangenen Jahres waren es noch 50 Prozent gewesen. Drei Viertel der jungen Menschen benötigen inzwischen hingegen weniger intensive Hilfen – sie leben zumeist in einer Jugendwohngemeinschaft oder sind in Formen des betreuten Jugendwohnens untergebracht, teilweise kümmert sich ein Erziehungsbeistand um sie. „Diese Tendenz wird sich vermutlich weiter fortsetzen“, machte Gläss deutlich. Aber: Die angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt macht sich zunehmend bemerkbar. Das erschwert die Umsetzung von bedarfsgerechten Hilfen und wirkt sich auch auf den Übergang in die kommunale Zuständigkeit aus. Denn mit dem Ausscheiden der jungen Leute aus der Jugendhilfe wird die Stadt oder Gemeinde zuständig, in der der Uma bislang untergebracht war.

Eine gewisse Erleichterung stellen dabei die Altersdaten dar. Dadurch lassen sich die Zeiträume darstellen, wann die jungen Menschen voraussichtlich aus der Jugendhilfe ausscheiden. Entsprechend können die Übergänge auf die Kommunen vorbereitet werden. Vor diesem Hintergrund hat das Jugendamt auch schon mit den am stärksten betroffenen Kommunen, darunter beispielsweise Schorndorf, und zusammen mit den freien Trägern Kooperationen angelegt, deren Ziel es ist, einen möglichst reibungslosen Ablauf zu gewährleisten. Gerade in Fällen, bei denen der weitere Verbleib des betreffenden Umas noch nicht geklärt ist, können die Städte und Gemeinden beizeiten die Wohnungsfrage angehen.

In den Spitzenzeiten der Flüchtlingskrise – im Sommer und Herbst 2016 – waren über 300 Umas im Rems-Murr-Kreis unterzubringen. Ab Anfang 2017 ist dann die Zahl sukzessive zurückgegangen. Im Frühjahr dieses Jahres wurde die 200-Personen-Marke unterschritten, Anfang November waren es noch 156.

Bei den Herkunftsländern aller Fälle einschließlich der bereits beendeten liegen Syrien mit 31,7 und Afghanistan mit 30,4 Prozent weit vorn. Es folgen Irak mit 6,3 Prozent, Somalia mit 4,7 Prozent und Gambia mit 4,5 Prozent. Aktuell kommen aber die meisten dem Rems-Murr-Kreis zugewiesenen minderjährigen Flüchtlinge aus Afghanistan mit 40,4 Prozent, gefolgt von Syrien mit 25 Prozent.

Der Altersspiegel zeigt, dass 72 Prozent der beim Jugendamt registrierten Umas 18 Jahre und älter sind. Weitere elf Prozent sind 17 Jahre alt. Daneben gibt es aber auch einen kleinen Anteil an jüngeren Umas, darunter auch 12- und 13-Jährige. Die Altersfeststellung wurde von der Landesregierung im Ankunftszentrum in Heidelberg zentralisiert. Vom Rems-Murr-Kreis musste dieses bislang laut Gläss nicht bemüht werden.

Immer weniger junge Flüchtlinge

© Pressefotografie Alexander Beche

„Das Thema unbegleitete minderjährige Ausländer hat an Tagesaktualität und Dramatik komplett verloren.“

Landrat Richard Sigel

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Erstellt:
3. Dezember 2019, 06:00 Uhr

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