Vom Sonnenloch zu Polarlichtern
In der Nacht zum Sonntag trifft ein Sonnensturm die Erde
Ein schneller Sonnensturm rast auf die Erde zu. In der Nacht zum Sonntag könnten Polarlichter über Deutschland erstrahlen. Warnungen vor einem Blackout sind aber übertrieben.

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Ein Sonnensturm rast derzeit auf die Erde zu und könnte in der Nacht von Samstag auf Sonntag ein eindrucksvolles Naturschauspiel mit Polarlichtern auslösen.
Von Markus Brauer
Gehen bald die Lichter aus? Geben Handy und Satelliten den Geist auf? Versinkt die Magnetosphäre der Erde im Chaos? Nichts dergleichen! Warnungen in manchen Medien vor einem drohenden Blackout sind völlig übertrieben. Wohl aber könnten sich in der Nacht von Samstag (14. Juni) auf Sonntag (15. Juni) am Himmel über der nördlichen Erdhalbkugel wunderschöne Polarlichter zeigen – mit etwas Glück auch in Deutschland.
Die US-Atmosphärenbehörde National Ozeanien and Atmospheric Administration (NOAA) hat nämlich einen starken Massenauswurf geladener Teilchen auf der Sonne registriert. Dieser Sonnensturm rast nun auf die Erde zu und könnte das eindrucksvolle Naturschauspiel bewirken.
Woher stammt die solare Teilchendusche?
Die Teilchen stammen aus einem koronalen Loch der Sonne, wie NOAA mitteilt. Dabei handelt es sich um kühlere und weniger dichte Bereiche in der Atmosphäre unseres Sterns, durch die Sonnenwinde ungehindert ins All entweichen können.
Sobald diese Teilchen nach ihrer Reise durchs Weltall auf das Magnetfeld der Erde treffen, kann es dort zu erhöhter geomagnetischer Aktivität kommen. Schwankungen und Störungen des Erdmagnetfelds können auch Auswirkungen auf Stromnetze, Satelliten und Funkkommunikation haben.
Aktueller Sonnenzyklus in maximaler Phase
Die Warnung für den bevorstehenden Sonnensturm hat NOAA mit der Stufe G2 versehen, was für ein „moderates“ Ereignis steht. Zum Vergleich: Die in großen Teilen Deutschlands sichtbaren Polarlichter im Mai 2024 wurden von einem Sturm der Kategorie G5 ausgelöst, der höchsten Kategorie.
Der Wechsel zwischen starker und schwacher Sonnenaktivität verläuft in Zyklen von rund elf Jahren. Der aktuelle Zyklus befindet sich gerade in seiner maximalen Phase, die ein paar Jahre dauern kann und in der es stets relativ viele Sonneneruptionen gibt.
Stärke von Sonnenstürmen
Die Stärke von Sonnenstürmen wird laut Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in drei jeweils fünfstufigen Kategorien angegeben:
- R für Radiostörungen: ausgelöst durch Röntgenblitze
- S für Strahlungseffekte: verursacht durch hochenergetische Teilchen
- G für geomagnetische Effekte: ausgelöst durch Plasmawolken.
Wie Sonnenstürme entstehen
- Massenauswurf: Beim Sonnensturm spricht man auch von einem koronalen Massenauswurf (CME: Coronal mass ejection), bei dem Plasma ausgestoßen wird. Werden die Auswirkungen in großer Entfernung zur Sonne untersucht, so spricht man auch von interplanetarem koronalem Massenauswurf (ICME: Interplenatary coronal mass ejection).
- Auslöser: Sonnenstürme werden ausgelöst durch schlagartige Änderungen im Magnetfeld unseres Zentralgestirns. Da die Sonne sich am Äquator deutlich schneller dreht als an ihren Polen, verdrillt sich ihr Magnetfeld in einem elfjährigen Rhythmus. Es bilden sich eine Art magnetischer Schläuche, die an die Oberfläche durchbrechen können und dort kühle Zonen – die dunklen Sonnenflecken – erzeugen.
- Korona: Treffen außerhalb der Sonne Magnetfeld-Schläuche aufeinander, kann es zu einer Art Kurzschluss kommen: Die Feldlinien ordnen sich schlagartig neu und setzen dabei große Mengen an Energie frei. Die Folge: ein koronaler Massenauswurf. Dabei wird elektrisch geladene Materie aus der heißen Sonnenatmosphäre – der Korona – mit hoher Geschwindigkeit ins All hinausgeschleudert.
- Erde: Trifft ein solcher Massenauswurf auf das Magnetfeld der Erde, führt das einerseits zu wunderschönen Polarlichtern, könnte andererseits aber auch verheerende Folgen für unsere technische Zivilisation haben. So kann die empfindliche Elektronik von Satelliten gestört oder auch beschädigt werden. Stark schwankende Magnetfelder beeinflussen zudem elektrische Leitungsnetze und können zu Überlastungen von Transformatoren führen und großflächige Stromausfälle auslösen.
Sonnensturm der Superlative während letzter Eiszeit
An Ende der letzten Eiszeit wurde die Erde von einem Sonnensturm der Superlative getroffen – der bisher stärksten nachgewiesenen solaren Teilchendusche. Das Ereignis vor 14.350 Jahren war um 18 Prozent energiereicher als der Rekord-Sonnensturm im Jahr 775 n. Chr. wie Analysen von Baumringdaten bestätigt haben.
Damit etabliert dieser eiszeitliche Super-Sonnensturm ein neues Worst-Case-Szenario für Weltraumwetterextreme, wie die Forscher um Kseniia Golubenko von der finnischen Universität Oulu im Fachjournal „Earth and Planetary Science Letters“ berichten.
New SOCOL:14C-Ex model reveals that the Late-Glacial radiocarbon spike in 12350 BC was caused by the record-strong extreme solar storm • ScienceDirect https://t.co/eWMoZZxpvvpic.twitter.com/vT8QQeGMhK — Nirmata (@En_formare) May 15, 2025
Die größten Sonnenstürme der Geschichte
„Acht solcher extremen solaren Teilchenstürme sind bisher aus den letzten 12.000 Jahren bekannt“, schreiben die Astronomen. Diese sogenannten Miyake-Ereignisse waren mindestens zehnfach stärker als die dokumentierten Sonnenstürme der Neuzeit.
Zu den „Großen Acht“ gehören Ereignisse um 7180, 5480, 750 und 660 v. Chr. Der Strahlenpuls im Jahr 775 v. Chr. gilt als das mit Abstand stärkste Ereignis dieser Art.
Doch es gab einen Sonnensturm, der die Erde noch härter traf. Um 12.350 v. Chr. muss es ein weiteres Miyake-Ereignis gegeben haben. Die Erde wurde dabei von deutlich mehr energiereichen geladenen Teilchen getroffen als bei allen zuvor bekannten Sonnenstürmen.
Die energiereiche Teilchendusche, die vor rund 14.370 Jahren die Erde traf, war den Analysen zufolge um 18 Prozent stärker als der Rekord-Treffer im Jahr 775 v. Chr.. „Dies macht dieses Ereignis zum schwersten bisher bekannten“, berichten die Forscher.
„Neues Worst-Case-Szenario“
Diese neuen Erkenntnisse liefern wichtige Informationen über künftige Risiken von Extrem-Sonnenstürmen. „Verglichen mit den stärksten Sonnenstürmen der modernen Satelliten-Ära war das urzeitliche Ereignis vor 14.370 Jahren unseren Schätzungen zufolge mehr als 500-mal intensiver“, erklären die Forscher. Hätte dieser energiereiche Teilchenstrom die heutige Erde getroffen, hätte er möglicherweise große Teile der Satelliten-Infrastruktur beschädigt oder zerstört.
„Dieses Ereignis etabliert damit ein neues Worst-Case-Szenario“, sagt Kseniia Golubenko. „Das mögliche Ausmaß solcher Ereignisse zu verstehen ist entscheidend, um das Risiko durch künftige Sonnenstürme einzuschätzen – beispielsweise für Satelliten, Stromnetze und Kommunikationssysteme.“