Die Lage im Überblick
Israels Armee wirft Hilfsgüter über Gaza ab
Israel steht wegen der katastrophalen humanitären Lage im Gazastreifen international in der Kritik. Nun verkündet die Armee eine Reihe Maßnahmen, darunter auch die Einrichtung von Hilfskorridoren.

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Israel weist den Vorwurf des Aushungerns zurück.
Von dpa
Tel Aviv/Gaza/New York - Die israelische Armee reagiert auf die heftige internationale Kritik an der humanitären Lage im Gazastreifen mit dem Abwurf von Hilfsgütern aus der Luft und der Einrichtung "humanitärer Korridore". Es seien sieben Paletten mit Hilfsgütern wie Mehl, Zucker und Lebensmittelkonserven abgeworfen worden, die von internationalen Organisationen bereitgestellt worden seien, teilte das Militär in der Nacht mit.
Es erklärte sich zudem bereit, in dicht besiedelten Gebieten "humanitäre Pausen" einzulegen, um UN-Konvois den sicheren Transport von Lebensmitteln und Medikamenten zu ermöglichen. Das Außenministerium kündigte eine solche "Pause" für heute Morgen an. Einen Zeitplan oder Orte für solche Feuerpausen nannte die Armee laut der "Times of Israel" zunächst nicht. Zugleich betonte sie, weiter gegen "Terroristen" in den Einsatzgebieten vorzugehen.
Israel weist Vorwurf des Aushungerns zurück
Die Armee teilte ferner mit, eine Entsalzungsanlage zur Aufbereitung von Trinkwasser im Gazastreifen wieder an das israelische Stromnetz angeschlossen zu haben. Die eingeleiteten Maßnahmen zielten darauf ab, die humanitäre Hilfe dort zu verbessern "und die falsche Behauptung zu widerlegen, dass der Gazastreifen absichtlich ausgehungert wird", erklärte das Militär auf Telegram.
Seit dem Zusammenbruch einer Waffenruhe im März sind nur noch wenige Hilfsgüter in das abgeriegelte Küstengebiet gelangt. Israel und die UN werfen sich gegenseitig vor, die Verteilung der Hilfsgüter zu behindern. Es sei das erste Mal, dass Israel seit Beginn des Krieges Hilfsgüter aus der Luft in den Gazastreifen abgeworfen habe, nachdem es zuvor nur anderen Ländern erlaubt hatte, solche Aktionen durchzuführen, schrieb die "Times of Israel".
Auch der Außenminister der Vereinigten Arabischen Emirate kündigte auf X an, die Abwürfe würden "umgehend wieder aufgenommen." Helfer halten die Methode jedoch wegen der relativ geringen Mengen Lebensmittel für ineffektiv. Außerdem könnten Menschen am Boden durch die Paletten verletzt werden.
Israelische Soldaten stoppen Aktivisten-Schiff
Israelische Soldaten stoppten unterdessen ein Schiff mit propalästinensischen Aktivisten, die mit Hilfsgütern in Richtung des Gazastreifens unterwegs waren. Das israelische Außenministerium bestätigte auf X, dass die "Handala" daran gehindert worden sei, in die Gewässer vor dem abgeriegelten Küstengebiet zu gelangen. Die Passagiere seien in Sicherheit und würden zur israelischen Küste gebracht. "Unbefugte Versuche, die Blockade zu durchbrechen, sind gefährlich, rechtswidrig und untergraben die laufenden humanitären Bemühungen", hieß es.
Zuletzt hatte ein Schiff der Freedom Flotilla im Juni versucht, in den Gazastreifen zu gelangen. An Bord war unter anderem die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg. Auch dieses Schiff war vom israelischen Militär gestoppt worden. Thunberg war wenige Tage später ausgewiesen worden.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnte zuletzt vor einer tödlichen Hungerkrise unter den rund zwei Millionen Bewohnern des Gazastreifens. Israel bestreitet die Gefahr einer tödlichen Hungerkrise und spricht stattdessen von einer Kampagne der islamistischen Hamas. Sie kapere Hilfstransporter, um mit Geld für die erbeuteten Hilfsgüter ihre Kämpfer zu bezahlen. Weiteres Problem sei, dass die UN Lastwagen nicht abholten und zu den Menschen brächten. Die UN weisen das zurück. Sie erhielten selten Erlaubnis zur Einreise von Transportern.
Macron: Frieden ist möglich
Um die UN-Hilfsorganisationen und andere Initiativen zu umgehen, führte die israelische Regierung vor einiger Zeit ein neues Verteilungssystem mit Hilfe der umstrittenen Gaza Humanitarian Foundation (GHF) ein. Seither gibt es immer wieder Berichte über tödliche Zwischenfälle nahe der Verteilstellen der GHF. Der Leiter des UN-Hilfswerks für palästinensische Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA), Phillipe Lazarrini, nannte die Zentren "sadistische Todesfallen".
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron schrieb auf X nach einem Gespräch mit dem ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi, die Blockade von Hilfsgütern und die Ausweitung des israelischen Militäreinsatzes in Gaza stellten ein untragbares Risiko für eine Hungersnot und die Zwangsvertreibung der Bevölkerung dar. "Wir können nicht hinnehmen, dass die Bevölkerung, darunter viele Kinder, an Hunger stirbt", schrieb Macron und forderte erneut eine Waffenruhe und die Freilassung der Geiseln. "Frieden ist möglich".
Internationale Konferenz zur Zweistaatenlösung
Eine am Montag in New York von seinem Land und Saudi-Arabien geplante internationale Konferenz zur Zweistaatenlösung müsse eine neue Dynamik zugunsten einer gerechten und dauerhaften Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts auf der Grundlage der Zweistaatenlösung schaffen, schrieb Macron. Die Arbeit werde auf der UN-Generalversammlung im September in New York fortgesetzt. Macron hatte zuvor bereits angekündigt, er werde dort dann die Anerkennung Palästinas als Staat verkünden. Dafür hatte er scharfe Kritik Israels und seines Verbündeten USA auf sich gezogen.
Tausende fordern in Tel Aviv Deal zur Geisel-Freilassung
In Israel gingen derweil mehrere Tausend Menschen für eine Waffenruhe in Gaza und die Freilassung der weiter von der Hamas festgehaltenen Geiseln auf die Straße. Bei der Kundgebung in Tel Aviv appellierte eine frühere Geisel an US-Präsident Donald Trump: "Ich bitte Sie dringend: Bitte nutzen Sie alle Mittel, alle Einflussmöglichkeiten, um sie alle nach Hause zu holen. Ein umfassendes Abkommen ist der einzige Weg nach vorn, und nur Sie können es möglich machen." Am Donnerstag hatten die USA und Israel ihre Verhandlungsteams von den indirekten Gesprächen in Katar über eine Feuerpause zurückgerufen.
Wie es jetzt mit den Bemühungen um eine Waffenruhe weitergeht, bleibt abzuwarten. Nach israelischen Angaben befinden sich noch 50 Geiseln im Gazastreifen, von denen noch mindestens 20 am Leben sein sollen. Terroristen der Hamas und andere Islamisten hatten bei ihrem Überfall in Israel am 7. Oktober 2023 mehr als 250 Menschen in den Gazastreifen verschleppt. Mehr als 1.200 Menschen wurden getötet. Es war der Auslöser des Krieges.
Seither sind laut der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde im Gazastreifen Zehntausende Menschen getötet worden. Die unabhängig nicht überprüfbaren Angaben unterscheiden nicht zwischen Zivilisten und Kämpfern.

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Hilfsorganisationen warnen vor einer Hungerkrise in Gaza.

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Propalästinensische Aktivisten wollten mit einem Schiff Hilfe in den Gazastreifen bringen. (Archivbild)

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Israels Armee setzt den Kampf gegen die Hamas im Gazastreifen fort. (Archivbild)

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Tausende Menschen fordern in Israel einen Deal zur Freilassung der Geiseln im Gazastreifen.