Jeder zehnte Einzelhändler befürchtet Insolvenz

dpa Berlin/Köln. Auch wenn die Menschen wieder in die Geschäfte dürfen: Maskenpflicht und Abstandsregeln vermiesen vielen das Shopping-Erlebnis. Der Handel leidet unter der Zurückhaltung.

Deutschlands Wirtschaft wird von der Corona-Krise mit Wucht getroffen. Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Deutschlands Wirtschaft wird von der Corona-Krise mit Wucht getroffen. Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Fast alle Einzelhändler und viele Gastronomen in Deutschland haben wieder geöffnet, doch das gewohnte Leben kehrt nur langsam wieder in die Innenstädte zurück.

„Die Kunden sind beim Einkaufen in diesen Tagen eher zurückhaltend unterwegs“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Deutschland (HDE), Stefan Genth, der Deutschen Presse-Agentur. „Der Einkaufsbummel mit Spontankäufen hat Seltenheitswert.“

Gestützt wird diese Einschätzung von Zahlen des auf die Messung von Kundenfrequenzen in den Innenstädten spezialisierten Unternehmens Hystreet. Demnach lagen die Besucherzahlen in wichtigen Einkaufsstraßen in München, Hamburg, Köln, Leipzig und Stuttgart auch in dieser Woche noch deutlich unter dem vor Corona normalen Niveau. Am besten schnitt unter den fünf untersuchten Städten noch Hamburg ab, wo auf der Spitalerstraße zwischen Montag und Donnerstag immerhin wieder 53 Prozent der „normalen“ Passantenfrequenz erreicht wurden. Zum Vergleich: In der sonst gerade bei Touristen sehr beliebten Neuhauser Straße in München waren es nur 42 Prozent.

Für Genth ist die Zurückhaltung der Verbraucher nicht verwunderlich. „Eine Ursache dafür sind sicherlich die Rahmenbedingungen mit Abstands- und Hygieneregeln, die ein entspanntes Shoppingerlebnis erschweren“, sagte der Branchenkenner. Darüber hinaus sparten viele Kunden ihr Geld lieber, weil sie die schwierige gesamtwirtschaftliche Lage auch mit Blick auf den eigenen Arbeitsplatz verunsichere.

Doch nicht nur die Besucherzahlen in den Innenstädten liegen unter dem Normalniveau, sondern wohl auch die Umsätze in vielen Geschäften. Axel Augustin vom Handelsverband Textil geht davon aus, dass die Umsätze in der Modebranche in dieser Woche 20 bis 30 Prozent niedriger sein dürften als normalerweise.

Nach einer Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) sieht sich jeder zehnte Einzelhändler in Deutschland von Insolvenz bedroht. Von den Anfang Mai befragten 10.000 Firmen berichteten zudem knapp 40 Prozent davon, ihre Investitionen für das laufende Jahr kürzen zu wollen. Zugleich gab ein knappes Drittel der Händler an, so stark von der Krise betroffen zu sein, dass sie Personal abbauen müssten. Die Unternehmen leiden unter der eingebrochenen Nachfrage bei gleichbleibend hohen Kosten. 78 Prozent der Einzelhändler rechnen mit einem Umsatzrückgang.

„Dieses Ergebnis ist erschreckend“, sagte Ilja Nothnagel von der DIHK-Hauptgeschäftsführung der Düsseldorfer „Rheinischen Post“. Das richtige Rezept wäre ein umfassendes Entlastungspaket für die Unternehmen. Auch HDE-Geschäftsführer Genth betonte: „Der Handel steckt nach wie vor tief in der Krise.“ Er bekräftigte seine Forderung nach einem Rettungsfonds mit nicht rückzahlpflichtigen Finanzhilfen für die Unternehmen sowie „Corona-Schecks“ für alle Einwohner.

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Erstellt:
16. Mai 2020, 11:58 Uhr

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