Karneval verbindet Generationen

Familie Lutz liebt die fünfte Jahreszeit – Fast von Anfang an im Sulzbacher Carnevalsverein (SCV) dabei

Hexe Gundula hat den Fasching sozusagen mit der Muttermilch eingesogen. Schon seit zwei Generationen sind ihre Vorfahren im Sulzbacher Karneval aktiv. Die Tradition haben die katholischen Großeltern nach dem Krieg aus ihrer Heimat mit ins evangelische Sulzbach gebracht, die einen aus einer deutschen Enklave in Russland, die anderen aus Stuttgart. So waren sie fast von Anfang an im Sulzbacher Carnevalsverein (SCV) dabei.

Diese Großfamilie lebt für den Karneval: Miriam Staita, Nadja Deiss, Birgit Kollak und Karola Lutz (hinten von links) sowie Matthias Lutz und die Kinder Diana (7) und Jens Lutz (5) (vorne von links). Foto: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Diese Großfamilie lebt für den Karneval: Miriam Staita, Nadja Deiss, Birgit Kollak und Karola Lutz (hinten von links) sowie Matthias Lutz und die Kinder Diana (7) und Jens Lutz (5) (vorne von links). Foto: J. Fiedler

Von Ute Gruber

SULZBACH AN DER MURR. Der SCV wurde 1967 nach einigen Jahren erfolgreicher Faschingsveranstaltungen mit Unterstützung des Backnanger Faschingsclubs gegründet und hat heute nach über 50 Jahren rund 200 Mitglieder und mehr Zulauf denn je. Die Eltern von Karola Lutz, wie Gundula außerhalb der närrischen Zeit heißt, wurden somit in den Karnevalsverein hineingeboren, wo sie sich denn auch kennenlernten.

Ebenso wie Karolas Tante und deren Mann. Der Großvater (väterlicherseits) Josef Müller machte mit dem sogenannten Chor der Spätheimkehrer im Clownskostüm und spitzem Hut allá Pagliaccio aus der Commedia dell’ arte seine Späße. Wobei die späte Heimkehr sich damals wohl weniger auf eine verzögerte Rückkehr aus Kriegsgefangenschaft bezog als aus einer feucht-fröhlichen Abendveranstaltung. Gattin Rosina kümmerte sich derweil mit um die Pflege der vielerlei Kostüme und war Küchenchefin. Beider Sohn Josef-Georg Müller, Karolas Vater, leitete den Fanfarenzug und war viele Jahre im Vereinsvorstand aktiv. So lernte er das Gardemädchen Gabriele Figel kennen und lieben. Deren Mutter betreute die Rote Garde, ihr Vater Wilhelm saß im Elferrat und im Vorstand. Karola erlebte ihren ersten Faschingsumzug noch vor ihrer Geburt – Marschfanfaren statt Mozart und Beethoven im Mutterleib.

In der Walpurgisnacht geboren zur Hexe berufen

Geschadet hat es ihr nicht, dafür wurde sie gleich mit dem Faschingsvirus geimpft: Auf einem alten Schwarz-Weiß-Foto von 1984 sieht man sie als knapp Dreijährige im langen weißen Nachthemd und -häubchen mitten unter den anderen Hemedklunkern beim Rathaussturm. Mit dabei: die Schwestern, Mama und Oma. „Das hat uns Kindern einen Riesenspaß gemacht“, erzählt die 37-Jährige heute, „wir durften und sollten Krach machen, so laut es geht!“ Rätschen, Topfdeckel, Trillerpfeifen, alles war willkommen – Hauptsache laut.

Im Jahr darauf startete sie bereits die klassische weibliche Karnevalskarriere als Miniatur-Majorette bei den Tatzelwürmchen, später dann war sie bei den richtigen Majoretten und bald darauf bei denen mit dem Leuchtstab. Zur Brauchtumsgruppe der Sulzbacher Stäffeleshexen, die es erst seit 1988 gibt, kam sie vor zwölf Jahren mehr durch Zufall: „Da war eine große Grippewelle ausgerechnet zur Faschingszeit.“ Große Katastrophe für die Umzüge, bei denen die Gruppen ja auch bei Kälte, Wind und Wetter Teilnehmer stellen sollten. So schlüpfte die junge Frau aushilfsweise unter die Hexenmaske – und hat dort ihren Platz gefunden. „Eigentlich hätte mir klar sein müssen, dass ich zur Hexe berufen bin“, stellt sie lachend fest, „schließlich bin ich in der Walpurgisnacht geboren. Zehn Minuten vor Mitternacht!“ Am 30. April, wenn die Hexen sich laut Sage zum Hexensabbat auf dem Blocksberg treffen. Nach Probejahr und Bewährungsjahr bekam sie ihre zünftige Hexentaufe und heißt seitdem Gundula.

Wen wundert’s, dass auch die Kinder Diana (7) und Jens (5) Lutz längst Bestandteil der Narrenzunft sind – liegt ihnen der Fasching doch schon in den Genen. Gekonnt führt die Zweitklässlerin vor, wie sie im Rhythmus marschiert, die Hände in die Seiten gestützt, dann kickende Tanzschritte macht und zuletzt mit beiden Armen im Takt winkt, wenn sie mit den Tatzelwürmchen unterwegs ist. Auch Brüderchen Jens beherrscht ein paar Tanzschritte, „aber bei den Hexen ist es cooler“, finden beide. „Da braucht man nicht marschieren. Und der Papa macht so witzige Sachen“, kuschelt sich Diana verlegen an Matthias Lutz.

Der hatte unbedarft in die Narrenfamilie eingeheiratet und saß dann irgendwann an den Februarwochenenden allein zu Haus. „Ach, das war auch mal schön“, zwinkert er verschmitzt. Da er aber durch seinen Schichtdienst die Kinder unter der Woche manchmal kaum noch sah, wurde ihm die Ruhe daheim vielleicht doch zu groß und so verwandelt auch er sich seit einem Jahr ab 6. Januar in eine gruselige Hexe: Gebückt daherhumpelnd in geflochtenen Strohschuhen, den Besen hinterherschleifend, fixiert er mit dem Tunnelblick aus der gräulichen Maske die Zuschauer. Schleicht sich von hinten an und verknotet fremde Schuhbändel, verwuschelt Föhnfrisuren, springt in spritzende Pfützen neben den Zaungästen, kichert hexenhaft.

Nur Insider wissen, wer unter der Maske steckt

„Nur Insider wissen, wer unter der Maske steckt“, erklärt Karola Lutz, die vom schönen Zusammenhalt unter den fast 30 Zunftmitgliedern schwärmt, „da passt jeder auf den anderen auf.“ Auch auf die zwölf Kinder, die als Zwerghexen schon im Kinderwagen dabei sind. Ohne gruselige Maske freilich. Auch Gundula musste ein Jahr lang ohne Hexenlarve als Karola Lutz mitlaufen: „Damals hat Diana gleich angefangen zu schreien, wenn ich die Maske aufgesetzt habe.“ Sie freut sich, dass jetzt wieder mehr Männer dabei sind: „Nur wir Frauen – das war fast zu brav.“ Für ihr rußelndes Feuer auf dem Leiterwagen müssten sie vor dem Umzug Wasserflaschen nachweisen. Die Zuschauer dagegen würden immer dreister. „Einmal hat eine Frau mit ihrem Stock einem von uns so auf die Maske geschlagen, dass die zersprungen ist.“ Junghexe Matthias, der erst mal auf Bewährung in der Zunft mitläuft, hat besonders Spaß mit den kleinen Zuschauern: Er setzt sich vor sie hin und reicht ihnen ein Bonbon, zieht die Hand dann wieder weg, wenn die Hand des Kindes danach greift. Großes Gelächter dann, als er zuletzt frech in die Tasche mit den gesammelten Gutsle greift, während der Knirps stolz das endlich ergatterte Bonbon hochhält. Die vorwitzigen halbstarken Jungs, die die buckelige Hexe anmachen mit „Hey Alte, du bist aber sexy!“, zucken dann doch zurück, als jene mit männlicher Stimme antwortet: „Dankeschön, Jungs!“ Na, wie wär’s mit uns zwei?! Oder drei, oder vier?!“

Info
Heute großer Umzug

Der große Faschingsumzug in Sulzbach an der Murr startet heute um 14 Uhr und zieht durch die Ortsmitte.

Der Sulzbacher Carnevalsverein und viele andere Vereine und Gruppen sind mit dabei. Anschließend wird Kinderfasching in der Festhalle gefeiert.

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Erstellt:
5. März 2019, 06:00 Uhr

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