Kein Deutsch - keine Einschulung? Kritik an Linnemann

dpa Berlin. Kinder lieber noch nicht einschulen, wenn sie nicht richtig Deutsch sprechen - über den Vorstoß des Unionsfraktionsvizes Linnemann wird heftig diskutiert. Er selbst sagt, es gehe ihm nicht um ein Verbot, sondern um gleiche Chancen für Kinder.

Erstklässler warten in einer Grundschule auf ihre Einschulung. Foto: David-Wolfgang Ebener

Erstklässler warten in einer Grundschule auf ihre Einschulung. Foto: David-Wolfgang Ebener

Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Carsten Linnemann (CDU), hat mit seinem Vorstoß zu einer späteren Einschulung von Kindern bei schlechten Deutschkenntnissen eine heftige Debatte ausgelöst.

„Der Vorschlag ist falsch. Kinder müssen eingeschult werden, wenn sie das Schulpflichtalter erreichen“, sagte die Bundesvorsitzende des Grundschulverbandes, Maresi Lassek, am Dienstag dem SWR. Schulen seien darauf eingestellt, Kinder mit unterschiedlichen Sprachkenntnissen zu empfangen. Schließlich gebe es auch eine Reihe von Kindern aus deutschsprachigen Familien, die große sprachliche Probleme hätten.

Auch aus der Opposition wurde Linnemann für seinen Vorstoß kritisiert. Aus seiner eigenen Partei kamen sowohl kritische Worte als auch Unterstützung dafür, dass er eine Diskussion über die Sprachkompetenzen von Grundschülern angestoßen hat.

Linnemann hatte der „Rheinischen Post“ (Dienstag) gesagt: „Es reicht nicht nur, Sprachstandserhebungen bei Vierjährigen durchzuführen, sondern es müssen auch Konsequenzen gezogen werden. Um es auf den Punkt zu bringen: Ein Kind, das kaum deutsch spricht und versteht, hat auf einer Grundschule noch nichts zu suchen. Hier muss eine Vorschulpflicht greifen, notfalls muss seine Einschulung auch zurückgestellt werden.“ Er schlug für betroffene Kinder eine Vorschulpflicht vor. Notfalls müsse eine Einschulung auch zurückgestellt werden.

„Bis tief hinein in die Mittelschicht erlebe ich Eltern, die ihre Kinder auf Privatschulen schicken, weil das Niveau an staatlichen Schulen sinkt“, sagte Linnemann und warnte in dem Zusammenhang auch vor „neuen Parallelgesellschaften“. „Die Vorfälle in Freibädern, die Tat auf dem Frankfurter Bahnsteig, die Schwertattacke in Stuttgart - das alles wühlt die Menschen auf und befeuert die Sorge, dass neue Parallelgesellschaften entstehen könnten. Dem müssen wir jetzt vorbeugen.“

Den Begriff „Grundschulverbot“ für seinen Vorstoß wies der CDU-Politiker zurück. Die dpa hatte in der Überschrift einer Meldung zu dem Thema den Begriff verwendet und dies nachträglich korrigiert. Ihm gehe es darum, dass es Konsequenzen haben müsse, wenn Kinder vor der Schule die sogenannten Sprachstandstests nicht bestünden, sagte Linnemann der dpa. Wenn dann trotzdem eingeschult würde, hätten weder die Kinder aus deutschsprachigen noch die aus nicht-deutschsprachigen Haushalten etwas davon.

Kritik an Linnemann kam von SPD, Linkspartei, Grünen und FDP.
Der kommissarische SPD-Chef Thorsten Schäfer-Gümbel sagte der „Stuttgarter Zeitung“ und den „Stuttgarter Nachrichten“ (Mittwoch), er habe nichts gegen gute Vorschule, in der auch Deutschkenntnisse vermittelt würden. „Der Unterton von Linnemann aber ist unanständig und zielt nicht auf Zusammenhalt, sondern auf Ausgrenzung.“

Die Präsidentin des baden-württembergischen Landtags, Muhterem Aras (Grüne) twitterte: „Ich sprach kein Deutsch, als ich als 12-Jährige in die Hauptschule kam. Als meine Nebensitzerin in der 1. Stunde sah, dass ich die Matheaufgabe gelöst hatte, durfte ich sie an der Tafel vorrechnen. Später habe ich ein Steuerbüro aufgebaut und wurde Präsidentin.“ Linke-Chefin Katja Kipping sagte der dpa: Mit seinen Äußerungen gehe Linnemann auf „Stimmenfang im rechten Sumpf“. Die SPD-Bildungspolitikerin Marja-Liisa Völlers nannte Linnemanns Aussagen „populistisches Getöse wie in Wahlkampfzeiten“. Man könne Kinder nicht von der Grundschule ausschließen, nur weil sie schlecht Deutsch sprächen.

FDP-Chef Christian Lindner schrieb bei Twitter: „In Klassen mit vielen Kindern ohne Deutschkenntnisse gibt es im Alltag Probleme.“ Linnemann habe aber die falsche Lösung. „Statt auf Einschulung zu verzichten, sollten getrennte Vorbereitungsklassen eingerichtet werden, die erst einmal nur Deutsch fördern.“

CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak sprach sich auf Twitter für Sprachtests vor der Einschulung aus: „Damit alle Kinder in der Schule mitsprechen und gleichberechtigt teilhaben können, brauchen wir gezielte Sprachförderung im Kindergarten, überall verbindliche Sprachtests vor der Einschulung. Bei erkannten Defiziten verpflichtende Förderung und schulbegleitende Sprachprogramme.“

Der Vorsitzende der Jungen Union, Tilman Kuban, sprach von einem „richtigen Vorstoß“ Linnemanns. Er twitterte: „Wenn ein Kind in Deutschland eingeschult werden soll, muss es Deutsch können. Alles andere ist falsch verstandene Toleranz, die niemandem weiterhilft!“ Baden-Württembergs Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) reagierte zurückhaltend: „Ich teile die Einschätzung von Herrn Linnemann, dass Handlungsbedarf bei der sprachlichen Förderung besteht und dass wir möglichst früh damit beginnen müssen, Kinder zu fördern“, teilte sie mit. „Aber Ausgrenzung ist der falsche Weg. Kinder brauchen ein Umfeld, das sie motiviert und zum Lernen anregt.“

Bereits zuvor hatte Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien (CDU) Linnemann in der „Süddeutschen Zeitung“ (Dienstag) „populistischen Unfug“ vorgeworfen: Diese Kinder gehörten „im Rahmen der Regelbeschulung“ in Deutsch-als-Zweitsprache-Klassen.

Kinder ohne Deutschkenntnisse sollen nach Ansicht von Unionsfraktionsvize Linnemann erst später auf die Grundschule. Foto: Michael Kappeler

Kinder ohne Deutschkenntnisse sollen nach Ansicht von Unionsfraktionsvize Linnemann erst später auf die Grundschule. Foto: Michael Kappeler

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Erstellt:
6. August 2019, 22:35 Uhr

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