Kein Herz für Fliegen

Der „Muggabatscher“ ist vor 65 Jahren von dem Murrhardter Unternehmer und Tüftler Erich Schumm erfunden worden

Wer kennt es nicht: Lästige Insekten, die beharrlich immer wieder summend in der gleichen Flugbahn um uns herumkreisen oder sich auf unserem Marmeladenbrot niederlassen. Der Kampf gegen Fliegen oder Stechmücken wird mit vielfältigen Waffen ausgetragen: Mit Handtuch, Zeitung, Kleberollen, Netzen und Sprays versuchen wir die Viecher zu erledigen oder wenigstens zu vertreiben. Mit am effektivsten ist die Fliegenklatsche und die wurde in Murrhardt erfunden.

Kein Herz für Fliegen

© Bert Folsom - stock.adobe.com

Von Yvonne Weirauch

MURRHARDT.Diesen auf Schwäbisch genannten Muggabatscher hat sich Tüftler Erich Schumm vor 65 Jahren patentieren lassen. Was genau Erich Schumm zur Erfindung der Fliegenklatsche gebracht hat, ist nicht ganz klar. Vielleicht hat „ihn die Muck an der Wand geniert“, sagt Christian Schweizer, Leiter des Carl-Schweizer-Museums. Schweizer hat sich auch mit der Historie um Erich Schumm auseinandergesetzt und bietet unter anderem Führungen im Erich-Schumm-Stift an.

Der gebürtige Stuttgarter Schumm erkannte das Geschäft mit dem kleinen Tier und meldete vor 65 Jahren, am 25. Juli 1953, sein Modell beim Patentamt in München als Gebrauchsmuster an. Neu daran war insbesondere das Material: weicher, elastischer Kunststoff. Außerdem hatte der Muggabatscher ein Gelenk zwischen dem Stiel und der Fläche. „Vorzugsweise ist der breitflächige Vorderteil im Wesentlichen als Gitter ausgebildet, das beim schnellen Schlagen den Luftdurchtritt ermöglicht“, heißt es in der Patentanmeldung. Im Vergleich zu geschlossenen Flächen – etwa einer zusammengerollten Zeitung – gibt es folglich kaum einen Luftzug, der die Insekten vor der nahenden Gefahr warnen könnte. Mit gitterartigen Klatschen hatten bereits Schumms Vorgänger experimentiert – so zum Beispiel im Jahr 1949 der Hamburger Alfred Hoeborn. Für seine Erfindung verwendete er ein „luftdurchlässiges Maschengewebe aus Metall- oder Eisendraht, Textil- oder anderen Stoffen“. Als ob er bereits um Käufer werben müsste, ließ Schumm seinen Stuttgarter Patentanwalt in dem Brief an die Behörde einen weiteren Vorzug formulieren: „Die neue Fliegenklatsche hat ein gefälliges Aussehen, insbesondere wenn sie in bunten Farben in den Verkehr gebracht wird, was bei der Herstellung aus Kunststoff keine Schwierigkeit bereitet.“ Schumms Produkte – in erster Linie Haushaltsgegenstände aus Kunststoff – habe er vor allem für den kleinen Hausstand und den kleinen Geldbeutel entwickelt, mit dem Ziel, insbesondere den Frauen das Leben leichter zu machen. Schweizer: „Für Schumm ist es immer darum gegangen, wie der Haushalt besser bewältigt werden kann.“ Er habe eine Begeisterung gehabt, aus einfachen Mitteln und Materialien etwas zu machen, wohlgemerkt auffallend viel Haushaltswaren und viele Gegenstände für Frauenhände und Zielgruppe Hausfrau, so Schweizer. Was auch dazugehörte: das kleine Plastikfläschchen in Schoppenform, das mit farbigen Zuckerkügelchen gefüllt wurde und als „Liebesperlen“ längst zum Bestseller wurde. Traubenzucker und sogar Heilerde vervollständigen das Schumm-Sortiment.

Christian Schweizer nennt die Vorzüge der Schumm-Fliegenklatsche: Erstens, die Handlichkeit und Beweglichkeit, sprich das Gelenk – die Klatsche bricht nicht und die doch weiche Schlagfläche passt sich an unebene Untergründe an. Zweitens, die Gitterstruktur und Luftdurchlässigkeit – das Insekt bemerkt keinen Luftzug, und schließlich drittens, das Material Kunststoff, das die für Insekten so deutlich spürbare elektrostatischen Aufladung wie bei Metall nicht aufweist. „Und dank der Rippen auf der Oberfläche des Gitters gibt es nicht so eine Sauerei, wenn man die Fliege erwischt hat“, beschreibt Museumsleiter Schweizer die Schumm’sche Erfindung, die bei Weitem nicht seine einzige war: „Erich Schumm hat über 1000 Patente angemeldet. Vieles davon war aus Plastik.“ Schumm wurde nicht zuletzt als „Mann der tausend Patente“ bezeichnet. Vermutlich hat er noch mehr angemeldet. Ein bis heute anhaltender Erfolg waren die Handtuchspender mit den Rolltüchern.

Die größte Errungenschaft, eine wahrlich zündende Idee, trägt sogar seinen Namen: Esbit ist die Abkürzung von „Erich Schumm Brennstoff in Tablettenform“. Mit den Würfeln belieferte er während des Zweiten Weltkriegs auch die Wehrmacht. Auch wenn die Gemeine Stubenfliege nicht unmittelbar vom Aussterben bedroht ist, gibt es zur Fliegenklatsche mit eindeutiger Tötungsabsicht natürlich auch noch Alternativen, wie beispielsweise die Fliege mit einem Glas einzufangen, ein Blatt Papier drunterzuschieben und das Insekt dann wieder in die Freiheit zu entlassen. Der „Ur-Muggabatscher“ liegt sorgsam verwahrt in der Ausstellung im Murrhardter Schumm-Stift. Dort werden Führungen zu all den Schumm’schen Erfindungen und Produkten, Handtuchautomaten und Hörbüchern angeboten. Auch Nachttöpfe aus Kunststoff, Vogeltränken für die Gärten, Vogelscheuchen für die Gemüsebeete, Vogelhäuschen fürs Wohnzimmer, Verschlüsse für Plastiktüten, Körbe für Kühlschränke, diverse Formen von Rührschüsseln, ebenso Hauben für Torten und Käse – alles „made by Schumm“ (Infos dazu gibt es im Internet unter www.schumm-stift.de).

Esbit ist die Abkürzung von „Erich Schumm Brennstoff in Tablettenform“. Archivfoto: J. Fiedler

Esbit ist die Abkürzung von „Erich Schumm Brennstoff in Tablettenform“. Archivfoto: J. Fiedler

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Erstellt:
10. August 2018, 06:00 Uhr

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