Keine Corona-Gnade beim Finanzamt

dpa/lsw Stuttgart. Die Pandemie setzt auch die Finanzbeamten im Land unter Druck, viele von ihnen hocken selbst in der Heimarbeit. Aber deshalb will der Fiskus auch beim Otto Normalverbraucher noch lange keine Fünfe gerade sein lassen.

Steuerformulare und Füllfederhalter liegen auf einem Tisch. Foto: Hans-Jürgen Wiedl/dpa-Zentralbild/dpa/Illustration

Steuerformulare und Füllfederhalter liegen auf einem Tisch. Foto: Hans-Jürgen Wiedl/dpa-Zentralbild/dpa/Illustration

Die Finanzämter im Südwesten werden wohl auch in Zeiten der Corona-Pandemie keine Nachsicht bei der Prüfung der Steuererklärungen walten lassen. „Augen zudrücken ist nicht unsere Art“, sagte Baden-Württembergs Finanzministerin Edith Sitzmann (Grüne) am Donnerstag in Stuttgart bei der Vorstellung der Leistungsbilanz der Oberfinanzdirektion für 2019. Steuergerechtigkeit sei weiterhin das wichtigste Ziel, an dem man sich orientiere. „Die Hoffnung, dass alles durchgewunken wird, ist fehl am Platze“, sagte auch Oberfinanzpräsident Hans-Joachim Stephan.

Der Chef der Deutschen Steuergewerkschaft, Thomas Eigenthaler, hatte Mitte Juli gesagt, dass er es für möglich hält, dass die Finanzämter nach dem Sommer bei der Bearbeitung der Steuererklärungen eher ein Auge zudrücken werden - auch weil viele Finanzbeamte im Homeoffice gearbeitet hätten und mit Steuer-Stundungen und anderen Corona-Regelungen beschäftigt seien.

Dabei landen immer weniger Steuererklärungen überhaupt auf dem Schreibtisch eines Finanzbeamten. Mehr als jede achte Steuererklärung (13,2 Prozent) wurde im Jahr 2019 im Südwesten bereits vollautomatisch vom Computer erledigt. Ein Jahr zuvor waren es noch 10,8 Prozent. Jeden Monat misst die Steuerverwaltung diese sogenannte Auto-Fall-Zahl, Ende Juni 2020 lag sie sogar bei 20 Prozent. „Wir wollen die Zahl weiter steigern, um uns auf steuerlich bedeutsame Fälle zu fokussieren“, sagte Stephan. Der PC bearbeite vor allem einfachere Fälle. 71 Prozent der Steuererklärungen wurden 2019 elektronisch abgegeben - ein Höchststand im Land. Im Schnitt warteten die Bürger 49 Tage auf ihren Bescheid.

Für das vergangene Jahr zog Sitzmann mit Blick auf die Steuerverwaltung eine erfreuliche Bilanz: Die Steuereinnahmen lagen bei einem Rekordwert von rund 87 Milliarden Euro. Knapp 41 Milliarden davon dürfe das Land behalten, sagte Sitzmann. Im Jahr 2018 nahm die Finanzverwaltung rund 82 Milliarden Euro an Steuern ein. Mehr als vier Millionen Einkommenssteuerfälle wurden 2019 gezählt.

Sitzmann führte den Geldsegen fürs Staatssäckel auf die positive konjunkturelle Entwicklung und die niedrige Arbeitslosigkeit zurück. Das dürfte sich mit der Corona-Krise und den Folgen des wirtschaftlichen Lockdowns ändern. „Die Corona-Pandemie hat die Finanzverwaltung kräftig durcheinandergeschüttelt und zu einem Einbruch der Steuereinnahmen geführt.“ Für den laufenden Landeshaushalt 2020 allein werden Steuerausfälle in Höhe von 3,3 Milliarden Euro prognostiziert. Im September steht eine erneute Steuerschätzung an. „Die guten zehn Jahre, die wir hatten, sind definitiv zu Ende gegangen“, sagte Sitzmann.

Die Krise bedeute einen deutlichen Mehraufwand für die 16 000 Beschäftigten der Steuerverwaltung des Landes, sagte die Finanzministerin. So helfe man notleidenden Unternehmen mit Stundungen und Herabsetzungen von Steuerzahlungen - bislang seien 6,6 Milliarden Euro in Anspruch genommen worden. Positiv wirke sich in der Krise die zunehmende Digitalisierung der Steuerverwaltung aus: So seien die Zugriffszahlen auf einen Chatbot, der online Fragen zum Steuerrecht beantwortet, in der Lockdown-Zeit deutlich gestiegen. Seit Donnerstag gebe es zudem ein Terminvereinbarungssystem, kündigte Sitzmann an - für kürzere Wartezeiten und eine geringere Infektionsgefahr.

Baden-Württemberg wolle sich im Bundesrat dafür einsetzen, dass der Solidaritätsbeitrag vollständig und rückwirkend zum 1. Januar abgeschafft werde, sagte Sitzmann. Zudem trete sie für eine Erhöhung des Arbeitnehmerpauschbetrags von 1000 auf 1500 Euro ein, was die Steuerzahler entlaste und Bürokratie abbaue.

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Erstellt:
6. August 2020, 12:38 Uhr

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