Streit in Kirchentellinsfurt

Kiosk-Betreiber am Baggersee stehen vor dem Aus

Ein Gerichtsurteil, ein erbitterter Streit mit dem Fischereiverein und die Angst vor dem Ruin – die großen Pläne am Kirchentellinsfurter Baggersee sind fürs Erste vom Tisch.

Vildana und Clemens Vohrer betreiben den Kiosk „K’Ufer“ am Kirchentellinsfurter Baggersee – doch nun ist dessen Zukunft aufgrund eines Rechtsstreits unklar.

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Vildana und Clemens Vohrer betreiben den Kiosk „K’Ufer“ am Kirchentellinsfurter Baggersee – doch nun ist dessen Zukunft aufgrund eines Rechtsstreits unklar.

Von Marie Part

Es ist ein warmer Maitag am Kirchentellinsfurter Baggersee. Radfahrer halten kurz an, bestellen beim Kiosk einen Kaffee im Pappbecher, bevor sie weiterfahren. Auf der Wiese breiten erste Badegäste ihre Handtücher aus, manche trauen sich bereits ins Wasser. Für die Betreiber des Kiosks „K’ufer“, Vildana und Clemens Vohrer, ist diese Idylle längst zur Belastung geworden. Ein Rechtsstreit mit einem Fischereiverein bedroht ihre Existenz – und könnte dazu führen, dass der Kiosk bald schließen muss.

Rechtsstreit am Baggersee: Kiosk K’Ufer in Gefahr

Im April erklärte der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg den Bebauungsplan des Kirchentellinsfurter Baggersees, auch als „Epplesee“ bekannt, für ungültig. Aktuell gibt es dort einen Kiosk mit Biergarten und Sandstrand. Eine Wakeboard-Anlage – ein Seilsystem, das Sportler übers Wasser zieht – und ein Tretbootverleih waren geplant. Doch der Fischereiverein Reutlingen, Eigentümer des Sees, hat gegen den Plan geklagt – und stellt damit die Existenz des Kiosks „K’Ufer“ infrage.

Grund für das Urteil: Der See ist Teil eines Landschaftsschutzgebiets – dort sei es verboten, „Veränderungen vorzunehmen, die die Landschaft verunstalten oder die Natur schädigen oder den Naturgenuss beeinträchtigen“, so das Gericht. Darunter fallen „Bauten aller Art, Parkplätze, Badeplätze, Verkaufsstände und Kioske“.

Uneinigkeit über den Bebauungsplan

„Wir können die Klage überhaupt nicht nachvollziehen! Die Fischer haben aktiv am Bebauungsplan mitgearbeitet und dazu beigetragen, dass er 2022 in Kraft gesetzt wurde“, erzählt Gastronomin Vildana Vohrer. Auch Bernd Haug, parteiloser Bürgermeister der Gemeinde Kirchentellinsfurt, ist über die Klage verwundert: „Der Fischereiverein hat dem Konzept aktiv zugestimmt – ich verstehe nicht, warum er ihn jetzt ablehnt.“

Der Vorsitzende des Fischereivereins Christian Becker erklärt dagegen: „Wir hatten von Anfang an Zweifel.“ Nachdem sich das Miteinander am See nicht wie erwartet entwickelt habe und ihre Belange nicht wirklich berücksichtigt worden seien, hätten sie sich den Bebauungsplan genauer angeschaut. Dass der Bebauungsplan ungültig sein könnte, haben Vildana und Clemens Vohrer nicht erwartet. „Ursprünglich hatten wir nur eine kleine Hütte am See geplant – doch dann hieß es plötzlich, wir könnten größer denken und noch mehr umsetzen“, erzählt die Kiosk-Besitzerin.

Konflikte über die Nutzung des Sees

Der See ist etwa 28 Hektar groß – das entspricht etwa 40 Fußballfeldern. Umso überraschender ist es , dass der Platz offenbar nicht für alle reicht. Denn große Teile des Sees stehen unter Naturschutz und dürfen deshalb nicht frei genutzt werden. Das führt zu Konflikten.

„Es liegt uns viel daran, dass die Frühschwimmer und andere Badegäste nach wie vor den See nutzen können“, sagt Christian Becker. Die Kiosk-Besitzerin äußert allerdings starke Zweifel daran, dass die Badegästen den Fischern des Reutlinger Vereins wichtig seien. „Sie versuchen schon seit einer Weile, die Badegäste abzuschrecken und angeln so nah am Ufer, dass sie den Schwimmern mit ihren Angeln gefährlich nahe kommen.“

Vom Sextreffpunkt zur Sommeroase

Bevor das Paar den Kiosk eröffnete, galt das Gebiet in der Homosexuellen-Szene als ein Treffpunkt für Freiluftsex. „Es war einer der größten Sexualtreffpunkte Süddeutschlands“, erzählt der Bürgermeister. Mit dem Konzept des Bade- und Gastronomiebetriebs habe die Gemeinde versucht, Ordnung am See zu schaffen. „Eine Zeit lang haben kleine Kinder in der Nähe des Sees immer wieder gebrauchte Kondome gefunden. Das waren schlimme Zustände!“

Laut der Kiosk-Besitzerin sei diese Situation nun unter Kontrolle. „Seitdem es unseren Kiosk gibt, ist der Rasen gemäht, es gibt sanitäre Anlagen und es liegt nicht überall Müll herum.“ Bürgermeister Bernd Haug sieht das genauso: „Wir sind sehr froh über die Entwicklung und die geordneten Verhältnisse.“

Kiosk-Aus könnte finanziellen Ruin bedeuten

Die Kiosk-Besitzer blicken auf viele Jahre in der Gastronomie zurück und haben sich mit ihrem Kiosk am Baggersee den Traum einer eigenen Gastronomie erfüllt. Ihre sechs Monate alte Tochter ist in der Trage immer mit dabei. „Das hier ist wirklich unsere Leidenschaft! Es ist ein Herzensprojekt, in das wir unglaublich viel Liebe und Zeit investiert haben“, erzählt Vildana Vohrer lächelnd.

Sollte der Kiosk wirklich schließen müssen, würde nicht nur ein großer Traum der Gastronomen zerplatzen, sondern es würde für sie auch den finanziellen Ruin bedeuten. „Wir haben schon über eine halbe Million in den Kiosk investiert“, erklärt die Gastronomin. Sollten sie den Kiosk zurückbauen müssen, würden nochmals Kosten von etwa einer halben Million auf sie zukommen. „Wir wären pleite!“

Unklare Zukunft am See

Der Fischereiverein Reutlingen möchte nun die Rechtskraft des Urteils abwarten. „Es geht uns nicht ums Gewinnen oder Verlieren, es geht uns um die Zukunft des Sees“, sagt der Vorsitzende des Vereins. Das Urteil schaffe Klarheit in den noch zu führenden Gesprächen. Ob und inwieweit die Gastronomen ihren Betrieb schließen müssen, könne der Fischereiverein noch nicht abschließend bewerten.

Vildana Vohrer versucht, das Ausmaß der Situation noch nicht an sich heranzulassen: „Ich habe noch nicht realisiert, dass alles bald vorbei sein könnte.“ Sie wisse nicht, wie es weitergeht. „Die Gemeinde ist auf unserer Seite und möchte uns unterstützen, doch am Ende sind wir auf uns alleine gestellt.“

Bürgermeister setzt auf Fortführung und Kompromiss

Bürgermeister Bernd Haug hat eine klare Meinung zur Zukunft des Sees: „Wir als Kommune wollen keinen Rückfall in alte Zeiten.“ Er wolle das Bewirtschaftungskonzept am See fortsetzen und werde prüfen, was gerettet werden könne. „Wir müssen uns alle zusammensetzen und versuchen, einen guten Kompromiss zu erzielen.“

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Erstellt:
26. Mai 2025, 10:16 Uhr
Aktualisiert:
27. Mai 2025, 15:50 Uhr

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