Kontroverse um Klimaschutz - Umweltverbände mahnen Parteien

dpa Berlin. SPD gegen Grüne und CDU, CSU und Linke gegen Grüne: Der Klimaschutz gerät in die Wahlkampfmühlen. Schützenhilfe bekommt die Grünen-Kanzlerkandidatin von ungewohnter Seite.

Im Streit um höhere Benzinpreise und den Klimaschutz sieht sich die designierte Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock anhaltender Kritik ausgesetzt. Foto: Michael Kappeler/dpa

Im Streit um höhere Benzinpreise und den Klimaschutz sieht sich die designierte Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock anhaltender Kritik ausgesetzt. Foto: Michael Kappeler/dpa

Im Streit um höhere Benzinpreise und den Klimaschutz sieht sich die designierte Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock anhaltender Kritik von mehreren Seiten ausgesetzt.

Vor allem die SPD lässt mit ihren Attacken nicht locker. Mehrere Umweltverbände warnten eindringlich vor einem „unredlichen“ Wahlkampf auf Kosten des Klimas.

Baerbock war für eine Benzinpreis-Erhöhung von insgesamt 16 Cent pro Liter eingetreten - gemäß dem Programmentwurf ihrer Partei. Aus Sicht der Grünen sind davon 6 Cent mit dem CO2-Preis auf Benzin zu Jahresbeginn schon erfolgt. Kritik an ihren Äußerungen hatte Baerbock im „Handelsblatt“ mit dem Hinweis gekontert, die Koalition habe selbst den CO2-Preis eingeführt und gerade die Klimaziele geschärft. Dann müsse man auch die eigenen Beschlüsse umsetzen. Unionsfraktionsvize Andreas Jung (CDU) hatte Mitte Mai dafür plädiert, den CO2-Preis schneller als geplant steigen zu lassen.

Die Bundesregierung hatte als zentrale Maßnahme im Kampf gegen den Klimawandel eine CO2-Bepreisung auch im Verkehr und bei Gebäuden eingeführt. Seit Jahresbeginn gilt ein fixer CO2-Preis von 25 Euro pro Tonne. Nach bisherigen Planungen soll er bis 2025 auf 55 Euro steigen. Laut Berechnungen würde das einen Aufschlag von mindestens 15,5 Cent beim Liter Benzin bedeuten und beim Liter Diesel mindestens 17,4 Cent zusätzlich.

Der Chef des Ifo-Instituts, Clemens Fuest, stützte die Argumentation von Baerbock. Er verwies in den ARD-„Tagesthemen“ darauf, dass die Koalition selbst beschlossen habe, den CO2-Preis zu erhöhen. Inzwischen seien die Klimaziele noch einmal ehrgeiziger gefasst worden. Daraus müsse man Konsequenzen ziehen. Der CO2-Preis sei das wichtigste Instrument der Klimapolitik. Es spreche viel dafür, ihn schneller zu erhöhen.

SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz hatte bereits am Donnerstag davor gewarnt, an der Spritpreisschraube zu drehen. Wer dies tue, der zeige, wie egal ihm die Nöte der Bürgerinnen und Bürger seien, hatte der Finanzminister der „Bild“ gesagt.

SPD-Chefin Saskia Esken schlägt in dieselbe Kerbe. „Wer jetzt wie Annalena Baerbock oder auch Andreas Jung von der CDU an der Spritpreis-Schraube drehen will, jagt gerade denen einen Schrecken ein, die auf ihr Auto angewiesen sind und die mit einem schmalen Budget haushalten müssen“, sagte Esken dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Freitag). „Solche Manöver führen womöglich dazu, dass sich die Bürgerinnen und Bürger vom gemeinsamen Engagement für unser Klima abwenden“, fügte sie hinzu. „Das wäre ein Bärendienst für unsere Umwelt.“ Die Bewältigung des Klimawandels sei eine Menschheitsaufgabe. „Die kann man nicht im politischen Elfenbeinturm erreichen.“ Alle müssten dabei mitziehen.

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil warnte, ein moderater Anstieg des CO2-Preises sei vereinbart. Eine Erhöhung gemäß den Vorschlägen von Grünen und aus der Union hätte aber „massive Konsequenzen“, sagte er der „Rheinischen Post“ (Freitag). Die Zeche würden Mieter und Pendler zahlen. „Jeder muss sich ein klimafreundliches Leben leisten können, nicht nur die Besserverdiener“, betonte Klingbeil.

CSU-Generalsekretär Markus Blume warf den Grünen vor, in der Klimadebatte ideologisch vorzugehen. „Klimaschutz ist für Annalena Baerbock vor allem ein Kampf gegen die Autofahrer“, behauptete Blume in der „Augsburger Allgemeinen“ (Freitag). Mobilität dürfe kein Luxus sein. Klimaschutz gehe nur mit den Menschen, nicht gegen sie. „Wir werden nicht zulassen, dass der ländliche Raum und die Pendler einseitig die Lasten tragen sollen“, sagte Blume.

Mehrere Umweltverbände appellierten an die Parteichefs von CDU/CSU, SPD, FDP, Linke und Grünen, keinen Wahlkampf auf Kosten des Klimas zu betreiben. Notwendig sei ein Parteienstreit um die besten Maßnahmen für den Klimaschutz. Mit einem „unredlichen Wahlkampf auf Kosten des Klimas und der Biodiversität“ werde aber die für den Klimaschutz notwendige Akzeptanz in der Bevölkerung „gerade mutwillig oder fahrlässig zerstört“, heißt es der als „Brandbrief“ überschriebenen Erklärung vom Donnerstagabend.

Die Verbandsspitzen beklagten, Finanzminister Scholz und Verkehrsminister Andreas Scheuer polemisierten gegen eine schrittweise Anhebung der CO2-Bepreisung und die damit einhergehende Erhöhung der Spritpreise, dabei hätten sie das Instrument selbst eingeführt. Teile der Union appellierten gerade wieder an die Herzen der Autofahrer, blockierten aber im Bundestag eine faire Verteilung des CO2-Preises beim Heizen.

Die Grünen schlagen im Entwurf ihres Wahlprogramms vor, dass der CO2-Preis bereits im Jahr 2023 auf 60 Euro steigen soll. Zugleich wollen sie staatliche Einnahmen aus dem CO2-Preis an die Bürger zurückgeben. Dazu streben die Grünen neben der Senkung der EEG-Umlage zur Förderung des Ökostroms ein „Energiegeld“ an, das jeder Bürger erhalten soll.

Daran nimmt die Linke Anstoß. „Mir ist schleierhaft, was an dem Konzept des Energiegelds der Grünen nachhaltig sein soll“, sagte Linke-Fraktionschefin Amira Mohamed Ali der „Welt“ (Freitag). Auch mache es insbesondere für Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen einen Unterschied, wenn sie in Vorleistung gehen und darauf warten müssten, dass sie irgendeinen Betrag vom Staat zurückbekommen.

© dpa-infocom, dpa:210604-99-855529/4

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Erstellt:
4. Juni 2021, 04:39 Uhr

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