Kostenlose Erfrischung an heißen Tagen

Mit einer neuen Richtlinie will die EU den öffentlichen Zugang zum Trinkwasser erleichtern. Die Stadt Backnang plant bis zu sechs Trinkbrunnen, zwei davon werden noch dieses Jahr aufgestellt. Daneben gibt es auch private Initiativen.

Im Kfz-Technik-Betrieb von Imanuel Gerstmayr dürfen Durstige, wie hier Simone Barthel und Lara, kostenfrei ihre Trinkflasche mit Leitungswasser auffüllen. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Im Kfz-Technik-Betrieb von Imanuel Gerstmayr dürfen Durstige, wie hier Simone Barthel und Lara, kostenfrei ihre Trinkflasche mit Leitungswasser auffüllen. Foto: Alexander Becher

Von Lorena Greppo und Kornelius Fritz

Rems-Murr. Wenn es draußen besonders heiß ist, ist viel trinken angesagt. Doch muss man dafür jedes Mal in einem Supermarkt oder Café etwas kaufen, wenn man unterwegs ist? In vielen europäischen Städten gibt es flächendeckend öffentliche Trinkbrunnen, an denen man sich kostenlos die Trinkflasche auffüllen kann. In Deutschland gibt es nach Angaben der Bundesregierung schätzungsweise mehr als 1300 öffentliche Trinkwasserbrunnen. Nach den Erfahrungen des überdurchschnittlich heißen und trockenen Sommers 2022 will man nun auch hierzulande darauf hinwirken, Bürgerinnen und Bürgern im öffentlichen Raum besseren Zugang zu Trinkwasser zu ermöglichen. Das ist auch das Ziel der EU-Trinkwasser-Richtlinie, die nun umgesetzt wird. In einem ersten Schritt sollen Städte und Gemeinden etwa 1000 zusätzliche Trinkwasserbrunnen aufstellen.

Ein Blick auf den Istzustand in den Kommunen der Region offenbart: Es gibt Aufholbedarf. Möglichkeiten, die eigene Trinkflasche kostenfrei aufzufüllen, sind rar gesät. Das ehrenamtliche Projekt Refill Deutschland gibt einen Überblick, an welchen Brunnen oder in welchen Geschäften man kostenfrei Leitungswasser in die mitgebrachte Flasche füllen darf. In Winnenden sowie im Remstal werden verschiedene Stationen aufgelistet. Im nördlichen Rems-Murr-Kreis gibt es lediglich zwei Einträge – einer davon ist der Kfz-Technik-Meisterbetrieb Gerstmayr in Backnang. Mitarbeiterin Yvonne Hammer berichtet: „Die Chefin hat davon gelesen und weil es eine gute Sache ist, haben wir mitgemacht.“ Das sei vor wenigen Jahren gewesen. Ein Aufkleber an der Eingangstür wies die Kunden darauf hin. Nachgefragt wurde das Angebot allerdings kaum. Inhaber Imanuel Gerstmayr kann sich überhaupt nur an eine Person erinnern. „Wir hatten gedacht, dass es von Spaziergängern eher in Anspruch genommen wird“, sagt Hammer.

Sprühnebel zur Abkühlung im Annonaygarten

Demnächst soll es in Backnang aber auch Trinkwasserbrunnen im öffentlichen Raum geben. In Zusammenarbeit mit den Stadtwerken will die Stadt an bis zu sechs Standorten Säulen aufstellen, an denen Passanten Wasser kostenlos zapfen können. Die Verwaltung reagiert damit auf einen Antrag des Stadtrats Volker Dyken von den Backnanger Demokraten. Mögliche Standorte für die Trinkwasserbrunnen sind der Annonaygarten, beim Bürgeramt im Biegel, in der Grabenstraße, der Oberen Marktstraße sowie beim Rathaus und am Obstmarkt. Wobei im ersten Schritt zunächst nur zwei Brunnen angeschafft werden sollen, um zu testen, wie diese von der Bevölkerung angenommen werden.

Solche Trinkwassersäulen wie in Wien sollen bald auch in Backnang stehen. Foto: TMT

Solche Trinkwassersäulen wie in Wien sollen bald auch in Backnang stehen. Foto: TMT

Für die Neuanschaffung favorisiert die Verwaltung ein säulenartiges Modell eines österreichischen Herstellers. Diese Trinkbrunnen seien auffällig, vandalismussicher und bräuchten keinen Stromanschluss, erläuterte Tiefbauamtsleiter Lars Kaltenleitner im Ausschuss für Technik und Umwelt die Vorzüge. Für den Annonaygarten soll eine Version angeschafft werden, an der man nicht nur Wasser trinken, sondern sich an heißen Tagen auch unter einem Sprühnebel abkühlen kann. Im Winter könne man die Trinksäulen dann ganz einfach abbauen und im Bauhof einlagern, erklärte Kaltenleitner. Die Anschaffungskosten liegen bei knapp 20000 Euro pro Brunnen, wobei es ein Förderprogramm des Landes gibt, aus dem sich die Stadt einen Zuschuss von bis zu 50 Prozent erhofft.

Regelmäßige Kontrollen und einmal im Quartal Wasserproben

Die laufenden Kosten sind nach Angaben von Stadtwerke-Chef Thomas Steffen überschaubar. Abgesehen von regelmäßigen Kontrollen durch Bauhofmitarbeiter müsse man nur einmal im Quartal Wasserproben nehmen. Die Sorge einiger Stadträte, dass Bürger die Trinkbrunnen missbrauchen könnten, um dort Wasser für andere Zwecke abzuzapfen, hält Steffen für unbegründet. Um mit dem dünnen Wasserstrahl einen Kanister zu füllen, brauche man schon „sehr viel Geduld und Muße“. Bei den Ausschussmitgliedern stieß die Idee, in Backnang Trinkbrunnen aufzustellen, auf breite Zustimmung, Kritik gab es nur an der Optik. So finden etwa Rolf Hettich (CDU) und Karl Scheib (Bürgerforum/FDP) die Säulen zu groß und zu auffällig.

In Murrhardt gibt es im Bereich der Innenstadt zwar verschiedene Brunnen wie am Platz am oberen Tor, auf dem Marktplatz oder den Spitalbrunnen im Stadtgarten. „Allerdings führen die Brunnen kein Trinkwasser“, teilt Bürgermeister Armin Mößner mit. Weitere Brunnen seien aktuell auch nicht in Planung, da jeder einen gewissen Unterhaltungsaufwand habe. „Ein gesteigerter örtlicher Bedarf an öffentlichen Trinkwasserbrunnen hat sich bis dato nicht ergeben“, fügt Mößner an. Auch sei eine Verpflichtung zum Aufbau öffentlicher Trinkwasserbrunnen bisher nicht an die Kommune herangetragen worden. Auch nicht, wie viele Standorte vorzuhalten wären. „Wir werden dies aber im Auge behalten“, äußert sich der Murrhardter Bürgermeister. Er stellt dabei allerdings auch die Frage nach den Kosten und sagt: „Wenn der Bund die Vorgaben macht, müsste es auch eine Finanzierung dafür geben.“

EU-Trinkwasser-Richtlinie

Gesetz Im August 2022 hat die Bundesregierung beschlossen, dass künftig Trinkwasser aus dem Leitungsnetz an möglichst vielen öffentlichen Orten frei verfügbar sein muss. Kommunen sollen künftig Trinkwasserbrunnen beispielsweise in Parks, Fußgängerzonen und in Einkaufspassagen aufstellen, sofern dies technisch machbar ist und dem lokalen Bedarf entspricht. Der Bundesrat hat dem Vorhaben am 16. Dezember zugestimmt. Der Vorstoß geht auf eine Vorgabe der EU zurück.

Hitzeaktionspläne Leicht verfügbares Trinkwasser ist darüber hinaus auch ein Baustein kommunaler Hitzeaktionspläne. „So können sich die Menschen besser vor den gesundheitlichen Auswirkungen von Hitze schützen“, teilt die Bundesregierung mit. Daher sind öffentliche Trinkbrunnen auch Teil der für Kommunen empfohlenen Maßnahmen für regionale und lokale Hitzeaktionspläne. Ziel ist es, hitzebedingte Erkrankungen und Todesfälle durch Prävention zu vermeiden.

Gründe Bundesumweltministerin Steffi Lemke sagt dazu: „Zugang zu Trinkwasser muss für alle Menschen in Deutschland so einfach wie möglich sein. Die letzten trockenen und heißen Sommer haben uns gezeigt: Andauernde Hitzewellen sind kein seltenes Ereignis mehr in Deutschland.“

Umsetzung Noch sind die neuen Regelungen nicht konkret. Städte und Gemeinden hätten „weitgehende Flexibilität, was Lage, Zahl und Art der Trinkwasserbrunnen angeht“. Die Trinkwasserbrunnen sollten jedoch möglichst an zentralen, frequentierten und für die Allgemeinheit gut erreichbaren öffentlichen Orten wie Plätzen, Fußgängerzonen oder Parks aufgestellt werden.

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Erstellt:
24. Januar 2023, 06:00 Uhr

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