Corona-Schutzmaßnahmen

Baden-Württemberg drängt den Bund in Sachen Corona – und die FDP

Baden-Württemberg fordert vom Bund die gesetzliche Grundlage für schärfere Corona-Maßnahmen – falls sich die Lage im Herbst wieder zuspitzt. Ministerpräsident Winfried Kretschmann hält sich dabei mit Kritik am Kurs der FDP nicht zurück.

Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und Landesgesundheitsminister Manne Lucha (im Hintergrund).

© dpa/Marijan Murat

Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und Landesgesundheitsminister Manne Lucha (im Hintergrund).

Von Hanna Spanhel

Baden-Württemberg fordert vom Bund bessere Vorkehrungen für steigende Corona-Infektionszahlen im Herbst – und eine schnelle Änderung des Infektionsschutzgesetzes. „Wir brauchen einen Instrumentenkasten für steigende Fallzahlen“, sagte der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) am Dienstag in Stuttgart. Die wichtigsten Fragen und Antworten dazu im Überblick.

Worum geht es in der aktuellen Debatte?

Im Frühjahr hatte sich die Ampel-Koalition in Berlin auf eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes geeinigt, seit dem 20. März gibt es bundesweit nur noch sehr wenige Corona-Schutzmaßnahmen – am 23. September laufen die aktuellen Regelungen aus. Nun aber steigen die Infektionszahlen wieder stark an – und damit auch die Sorgen vor einer angespannten Situation im Herbst. Vor einer Konferenz der Gesundheitsminister der Länder an diesem Mittwoch in Magdeburg haben deshalb vier Bundesländer gesetzliche Änderungen gefordert – um gegebenenfalls wieder schärfere Schutzmaßnahmen verhängen zu können: Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen. Noch vor der Sommerpause – also vor dem 8. Juli – müsse die Bundesregierung ein geändertes Gesetz vorlegen.

Was will Baden-Württemberg?

Ministerpräsident Kretschmann und Landesgesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne) sprechen von einer „Minimalausstattung des Instrumentenkastens“: Eine Maskenpflicht in Innenräumen, Zugangsbeschränkungen durch 2G- beziehungsweise 3G-Regeln, Personenobergrenzen und Testpflichten. Mit der Forderung, betonte Kretschmann, wolle man aber keine Panik erzeugen: „Es ist absehbar nicht damit zu rechnen, dass wir zu einer Überlastung des Gesundheitswesens kommen.“ Der Bund müsse Vertrauen in die Länder haben, dass diese die zur Verfügung stehenden Instrumente dann auch sinnvoll einsetzen. Man müsse aber handlungsfähig sein, so der Ministerpräsident: „Die Feuerwehr bestellt ja auch nicht erst die Schläuche, wenn sie die Größe des Brandes sieht“, sagte Kretschmann.

Was fordern die Länder noch?

Die vier Bundesländer dringen darauf, bei den Beratungen zum Infektionsschutzgesetz einbezogen zu werden. Zudem fordern sie weiterhin kostenfreie Testmöglichkeiten, denn die Regelung über kostenfreie Bürgertests läuft Ende Juni aus. Geklärt werden soll aus ihrer Sicht auch, ob es eine allgemeine Empfehlung für die vierte Corona-Impfung geben soll – bisher besteht diese nur für Über-70-Jährige. Auch darüber, wie die Krankenhäuser gerüstet werden können, soll gesprochen werden.

Besteht Einigkeit über den Kurs?

Aus Baden-Württemberg kam am Dienstag Kritik am Kurs der FDP: „Es muss ganz klar sein, dass wir uns von der FDP nicht mehr auf der Nase herumtanzen lassen“, sagte Lucha in einem Interview mit der Deutschen Presse-Agentur. Kretschmann bekräftigte diese „politische Ansage“ seines Gesundheitsministers und machte keinen Hehl daraus, dass er sich mehr Handhabe wünschen würde, als mit der FDP zu machen sei. Man müsse an die FDP appellieren, sich den „Argumenten der praktischen Vernunft zu beugen“, sagte Kretschmann. FDP-Bundesjustizminister Marco Buschmann hat sich vor Kurzem bereits skeptisch zur Wiedereinführung einer Maskenpflicht geäußert, auch bei steigenden Coronazahlen. Aus Baden-Württemberg jedenfalls kommt Rückendeckung für den bisherigen Kurs: „Es war die FDP, die mit ihrer Lageeinschätzung im April recht behalten hat und dafür gesorgt hat, dass Menschen ihre Freiheitsrechte zurückbekommen, weil es die derzeitige Lage auch zulässt“, sagte der Vorsitzende der FDP im baden-württembergischen Landtag, Hans-Ulrich Rülke. Die „Panikmache“ von Minister Lucha hinsichtlich der Verlängerung des Infektionsschutzgesetzes sei reine Polemik, so Rülke: „Er muss sich halt damit abfinden, dass er in Berlin nichts zu melden hat.“

Was sagt der Bundesgesundheitsminister zu der Debatte?

Karl Lauterbach (SPD) ist offenbar zuversichtlich, dass die Ampel-Koalition in Berlin sich in Sachen Infektionsschutzgesetz schnell verständigen wird. Er verwies im ARD-Morgenmagazin auf das Gutachten des Sachverständigenrates der Bundesregierung zu den bisherigen Vorkehrungen. „Ich glaube, wir werden einen guten Kommissionsbericht bekommen. Wir werden uns dann sehr schnell einigen. Das Drama, auf welches jetzt alle warten, wird ausbleiben“, so der Bundesgesundheitsminister. „Wir werden für den Winter viel besser gerüstet sein, als es der ein oder andere jetzt vermutet.“

Wie ist die aktuelle Corona-Lage?

Die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz lag nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) am Dienstag bei 458,5 Corona-Neuinfektionen je 100 000 Einwohner. Am Vortag hatte der Wert bei 416,0 gelegen (Vorwoche: 447,3; Vormonat: 342,0). Die Dunkelziffer dürfte deutlich höher liegen, weil wenig getestet wird. Für zuletzt wieder stärkeren Anstieg der Infektionszahlen machen Fachleute die Omikron-Subtypen BA.4 und BA.5 verantwortlich. (mit dpa)

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Erstellt:
21. Juni 2022, 13:28 Uhr
Aktualisiert:
21. Juni 2022, 16:13 Uhr

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